Pierre-Alexandre DuPeyrou (* 7. Mai 1729 in Paramaribo; † 13. November 1794 in Neuenburg) war ein aus der Kolonie Niederländisch-Guayana nach Neuenburg zugezogener Geschäftsmann mit aufklärerischen Interessen. Bekannt ist DuPeyrou als Freund, Briefpartner und Verleger Jean-Jacques Rousseaus.

Pierre-Alexandre DuPeyrou (Anonymes Porträt, um 1775, Bibliothèque publique et universitaire de Neuchâtel)

Familiärer Hintergrund

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Die Du Peyrous waren eine hugenottische Familie aus Bergerac im südwestfranzösischen Périgord. Pierre-Alexandre DuPeyrous Grossvater Pierre DuPeyrou hatte Frankreich nach dem Widerruf des Edikts von Nantes verlassen. Er heiratete 1695 in Amsterdam die ebenfalls aus Bergerac stammende Anne Planteau.[1] Die Eheleute zogen nach Paramaribo, wo Pierre DuPeyrou ein Handelshaus gründete, eventuell auch schon Plantagen erwarb. Sein Sohn gleichen Namens wurde am 2. Februar 1702 in Paramaribo geboren.[2] Er führte das Handelshaus DuPeyrou in Paramaribo weiter.[3] Als Plantagenbesitzer und Sklavenhalter wurde Pierre DuPeyrou jun. reich. Er war seit 1725 mit Lucie geb. Drouilhet verheiratet.[4] Ihr gemeinsamer Sohn Pierre-Alexandre wurde am 22. Mai 1729 in Paramaribo getauft.[5] Er hatte zwei ältere Schwestern namens Benine (* 1725)[6] und Lucie (* 1727)[7]. Im Alter von sechs Jahren schickten ihn seine Eltern zur Erziehung in die Niederlande.[8]

Pierre DuPeyrou jun. war Kapitän einer Bürgerwehr von Boven-Cottica und hatte zuletzt in Paramaribo das Amt eines Gerichtsrats inne; er starb am 3. Mai 1742.[9] Seine Witwe heiratete am 13. Mai 1743[10] den Kommandeur von Niederländisch-Guyana, Philippe de Chambrier (1701–1756). Dieser stammte aus einer Neuenburger Oberschicht-Familie und hatte als Söldner in niederländischen Diensten Karriere gemacht. Als Kommandeur von Suriname tat er sich schwer, da er kein Niederländisch sprach. Durch die Heirat mit der Witwe DuPeyrou wurde er zum Eigentümer der Plantagen Perou, Libanon und La Nouvelle Esperance.[11] Die Eheleute entschieden sich, die Kolonie zu verlassen und mit ihrem grossen Vermögen nach Europa zurückzukehren. De Chambrier reichte seinen Rücktritt ein. Sein Dienst endete am 14. April 1747, er hatte Suriname aber bereits am 30. Dezember des Vorjahres mit dem Schiff Concordia verlassen.[12] Der 19-jährige Pierre-Alexandre DuPeyrou zog mit Mutter und Stiefvater nach Neuenburg, wo er am 9. Dezember 1748 das Bürgerrecht erwarb.[13]

DuPeyrou in Neuenburg

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Hôtel DuPeyrou, Ansicht von Süden

In Neuenburg freundete sich DuPeyrou mit dem Politiker Abraham de Pury an. De Pury machte DuPeyrou 1762 mit Jean-Jacques Rousseau bekannt, der in Môtiers wohnte. Am 31. Mai 1769 heiratete DuPeyrou in der Kirche von Lörrach die wesentlich jüngere Henriette Dorothée de Pury, die Tochter seines Freundes.[14]

Rousseau gibt in den Confessions folgende Beschreibung DuPeyrous: Dank seines Reichtums und seiner sehr guten Erziehung besass dieser umfassende, wenn auch nicht sehr tiefgehende Kenntnisse und einigen Kunstverstand. Durch «sein holländisches, kaltes, bedachtsames Wesen, seine schwarzbraune Hautfarbe und sein stilles verschwiegenes Gemüt» wirkte er wie ein Intellektueller, zumal er wegen seiner Schwerhörigkeit in Gesprächen zurückhaltend blieb. Bereits in jungen Jahren an Gicht leidend, bewegte er sich langsam und bedächtig. All das machte grossen Eindruck auf Rousseau: «Ich sagte mir: Das ist ein Denker, ein Weiser, solch einen Mann zum Freunde zu besitzen, müßte ein Glück sein. Um mich vollends einzunehmen, richtete er auch noch sehr gerne das Wort an mich, ohne mir jedoch jemals eine Artigkeit zu sagen. Er sprach zu mir wenig über mich selber, wenig über meine Bücher und sehr wenig über sich; er war nicht ohne Gedanken und alles, was er sagte, war ziemlich richtig.»[15]

In den Jahren 1764–1772 liess Pierre-Alexandre DuPeyrou das Hôtel DuPeyrou vor den Toren der Neuenburger Altstadt als Herrenhaus errichten. Der Architekt war Bernhard Ritter. Während DuPeyrou eine spätbarocke Anlage vorschwebte, vertrat Ritter ein fortschrittlicheres Konzept. Ruosseau wurde in die Planungen mit einbezogen, denn DuPeyrou versuchte, seinen Freund zum Einzug in einen oberhalb des Haupthauses geplanten «ägyptischen» Pavillon zu bewegen. Dieses Bauwerk sollte in der ersten Planungsphase eine «Kapelle» sein, in die der Bauherr sich zum ernsten Nachdenken zurückziehen könnte. Dann wollte er es Rousseau als Wohn- und Arbeitsraum zur Verfügung stellen, und nach Rousseaus Tod sollte es als «Tempel der Freiheit und Wahrheit» zum Grab- und Memorialbau des befreundeten Philosophen umgestaltet werden. Als ihm klar wurde, dass Rousseau nicht nach Neuenburg ziehen würde, verzichtete DuPeyrou ganz auf den Bau des Pavillons.[16]

Ab 1764 plante DuPeyrou eine Gesamtausgabe der Werke Rousseaus. Rousseau, der eine Insel im Bielersee als Rückzugsort wählte, überliess ihm gegen eine Leibrente den Grossteil seiner Manuskripte zur postumen Veröffentlichung: «Wovon sollte ich jedoch leben — denn sowohl wegen der Teuerung der Lebensmittel als wegen der Schwierigkeit ihrer Herbeischaffung war der Unterhalt auf dieser Insel recht kostspielig …. Diese Schwierigkeit wurde durch ein Abkommen behoben, das Du Peyrou gütigerweise mit mir einging, er trat nämlich an Stelle der Gesellschaft, welche die Herausgabe meiner gesammelten Werke früher beschlossen und wieder aufgegeben hatte. Ich übergab ihm also alle zu dieser Ausgabe notwendigen Manuskripte, besorgte Anordnung und Reihenfolge, verpflichtete mich zudem, ihm auch die Denkwürdigkeiten meines Lebens zu übergeben und machte ihn ganz im allgemeinen zum Bewahrer sämtlicher meiner Papiere mit der ausdrücklichen Bedingung, erst nach meinen Tode Gebrauch von ihnen zu machen, da mir am Herzen lag, meine Tage in Frieden zu beenden, ohne das Publikum noch einmal an mich zu erinnern».[17]

Die Verurteilung seines Bildungsromans Émile oder Über die Erziehung hatte zur Folge, dass Rousseau auf das Bürgerrecht seiner Heimatstadt Genf verzichten musste. Der Genfer Generalstaatsanwalt Jean Robert Tronchin, ein Gegner Rousseaus, hatte 1763 mehrere sogenannte «Briefe vom Lande» mit Überlegungen zum aufhebenden Recht (droit negatif) des Genfer Kleinen Rats veröffentlicht, denen Rousseau im Herbst 1764 mit «Briefen vom Berge» entgegentrat. Diese neueste Veröffentlichung Rousseaus verstärkte die Anfeindungen gegen ihn, so dass dieser erwog, die Schweiz ganz zu verlassen. DuPeyrou stand ihm beratend zur Seite und bot Unterstützung an.[18]

 
Schloss Trye; Rousseau wohnte im Obergeschoss des Turms

Während Rousseaus folgendem England- und Frankreichaufenthalt blieb er mit DuPeyrou in Briefkontakt. Aber 1767/1768 verbrachte Rousseau mehrere Monate in dem abgelegenen Schloss Trye (Trie-Château) im Norden Frankreichs, das seinem Bewunderer, dem Fürsten Conti, gehörte. Der Aufenthalt, der ihm vorher attraktiv erschienen war, erwies sich für Rousseau als sehr nervenzehrend. Im Oktober 1767 kam DuPeyrou zu Besuch. Auf der Hinreise hatte er einen Gichtanfall erlitten, und sein Zustand schien lebensbedrohlich. Im Fieber bezichtigte er seinen Freund, ihn zu vergiften. Für Rousseau war ein solches Verhalten unentschuldbar. Das wochenlange Zusammenleben auf engem Raum führte zum Zerwürfnis zwischen beiden. Im Januar 1768 reiste DuPeyrou, immer noch gesundheitlich sehr labil, Richtung Neuenburg ab, wo er sich erholte. Der Briefkontakt mit Rousseau lief noch bis 1771 weiter und nahm aus der Distanz auch wieder freundlichere Züge an. Aber das frühere Vertrauensverhältnis bestand nicht mehr.[19]

Nach Rousseaus Tod 1778 gab DuPeyrou gemeinsam mit Paul Moultou dessen Nachlass heraus (Genf 1782); 1792 veröffentlichte er in Neuenburg den zweiten Teil von Rousseaus Confessions.[20] Obwohl DuPeyrou sich als grosszügiger Mäzen zeigte, wurde er, so Leo Damrosch, in Neuenburg nicht ganz akzeptiert. Er galt als aufklärerischer Freigeist mit mehreren unehelichen Kindern.[21] Lucienne Hubler charakterisiert ihn als «Freimaurer, antiklerikal und deistisch gesinnt».[22]

DuPeyrou starb unerwartet während eines Essens mit Gästen in seinem Neuenburger Haus.[23] Er wurde 65 Jahre alt. Seie Ehe war kinderlos; das große Vermögen wurde unter der Verwandtschaft aufgeteilt. Seine Handschriftensammlung vermachte er der Neuenburger Bibliothek. Die Stadt Neuenburg verdankt ihm ausserdem einen 1766–1769 erbauten, später als Stadttheater genutzten Konzertsaal.

Im 21. Jahrhundert rückte die Tatsache, dass DuPeyrou seinen Reichtum den Sklavenplantagen verdankte, neu in den Blick der Öffentlichkeit. Laut dem Surinaamsche Staatkundige Almanach besass Pierre-Alexandre DuPeyrou im Jahr 1793 folgende Plantagen: l’Esperance (am Fluss Para), Libanon (am Fluss Cottica, gemeinsam mit E. J. Perret Gentil geb. Lynslager und R. C. Chaillet), Nouvelle Esperance und Perou (beide am Fluss Cottica).[24]

Literatur

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  • Frédéric Alexandre M. Jeanneret, James Henri Bonhote: Biographie neuchâteloise. Band 1. Courvoisier, Locle 1863. (Digitalisat)
  • Thomas David, Bouda Etemad, Janick Maria Schaufelbuehl: Schwarze Geschäfte: Die Beteiligung von Schweizern an Sklaverei und Sklavenhandel im 18. und 19. Jahrhundert. Limmat, Zürich 2015.
  • Charly Guyot: Un ami et defenseur de Rousseau: Pierre-Alexandre DuPeyrou. Ides et Calendes, Neuenburg 1958.
  • Roger Kempf: Rousseau et DuPeyrou. In: MLN, Band 80 (1965), S. 364–367.
  • Thomas Loertscher: Das Hôtel DuPeyrou in Neuenburg. In: Kunst + Architektur in der Schweiz, Band 49, Heft 3/4 (1998), S. 86–89. (Online)
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Commons: Pierre-Alexandre DuPeyrou – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

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  1. Vgl. Claude Martin: Réfugiés de la Basse-Dordogne après la révocation de l’édit de Nantes. In: Revue historique de Bordeaux et du département de la Gironde, Band 15-2 (1966), S. 91–102, hier S. 101. (Online); Eugène und Émile Haag: La France protestante. 5. Band. 2. Auflage. Librairie Fischbacher, Paris 1886, Sp. 850. (Online)
  2. Nationaal Archief: Suriname: Gereformeerden , Voornaam: Pierre
  3. Eugène und Émile Haag: La France protestante. 5. Band. 2. Auflage. Librairie Fischbacher, Paris 1886, Sp. 850.
  4. Nationaal Archief: Suriname: Gereformeerden , Familienaam man: Dupeyrou
  5. Nationaal Archief: Suriname: Gereformeerden , Voornaam: Pierre Alexandre
  6. Nationaal Achief: Suriname: Gereformeerden , Voornaam: Benine
  7. Nationaal Achief: Suriname: Gereformeerden , Voornaam: Lucie
  8. Leo Damrosch: Jean-Jacques Rousseau, Restless Genius. Houghton Mifflin, 2005, S. 376.
  9. Frederik Oudschans Denz: De herkomst en de betekenis van Surinaamsche plantagenamen II. In: De West-Indische Gids, Band 26 (1944/45), S. 161–1680, hier S. 174. (Open Access)
  10. Nationaal Archief: Suriname: Gouverneursjournalen, Datum: 13-05-1743
  11. Frederik Oudschans Denz: Eenige bladzijden uit het leven der Commandeurs van Suriname in de jaren 1680 tot 1804. In: De West-Indische Gids, Band 24 (1942), S. 161–180, hier S. 170 f. (Open Access)
  12. Frederik Oudschans Denz: Eenige bladzijden uit het leven der Commandeurs van Suriname in de jaren 1680 tot 1804. In: De West-Indische Gids, Band 24 (1942), S. 161–180, hier S. 171.
  13. Frédéric Alexandre M. Jeanneret, James Henri Bonhote: Biographie neuchâteloise. Band 1, Locle 1863, S. 299.
  14. Karl Herbster: Westschweizer Brautleute im Lörracher Kirchenbuch. In: Der Schweizer Familienforscher, Band 14 (1947), S. 74–77, hier S. 76 f. (Online) Vgl. Archives Etat de Neuchâtel, Personenstand (Hochzeiten) 1754–1825, S. 22 (Digitalisat)
  15. Jean-Jacques Rousseau: Bekenntnisse. Internet Archive, S. 797, abgerufen am 31. Oktober 2023 (Übersetzung Ernst Hardt1907).
  16. Thomas Loertscher: Das Hôtel duPeyrou in Neuenburg, 1998, S. 86 und 88.
  17. Jean-Jacques Rousseau: Bekenntnisse. Internet Archive, S. 845, abgerufen am 31. Oktober 2023 (Übersetzung Ernst Hardt 1907).
  18. Roger Kempf: Rousseau et DuPeyrou, 1965, S. 365 f.
  19. Roger Kempf: Rousseau et DuPeyrou, 1965, S. 367; Leo Damrosch: Jean-Jacques Rousseau, Restless Genius. Houghton Mifflin, 2005, S. 450–452.
  20. Frédéric Alexandre M. Jeanneret, James Henri Bonhote: Biographie neuchâteloise. Band 1, Locle 1863, S. 299–301.
  21. Leo Damrosch: Jean-Jacques Rousseau, Restless Genius. Houghton Mifflin, 2005, S. 376.
  22. Lucienne Hubler: Pierre-Alexandre DuPeyrou. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  23. Eugène und Émile Haag: La France protestante. 5. Band. 2. Auflage. Librairie Fischbacher, Paris 1886, Sp. 850.
  24. Vgl. Surinaamsche Staatkundige Almanach voor den Jaare 1793 (Download)