Johann Christian Günther (Lyriker)

deutscher Lyriker

Johann Christian Günther (* 8. April 1695 in Striegau, Schlesien; † 15. März 1723 in Jena) war ein deutscher Lyriker.

J. Christian Günther, Frontispiz der 6. Auflage seiner Gedichte, Meyer, Breslau und Leipzig 1764
Gedenktafel auf dem Jenaer Johannisfriedhof, Zustand 2010; Abgüsse dieser Tafel befinden sich an seinem Geburtshaus in Striegau und an dem Haus in Landeshut, wo er von 1721 bis 1723 lebte
Gedenkstein in Striegau
Gedenktafel an dem Haus in Jauer, in dem Günther 1719–1721 lebte
Gedenktafel am Haus Schlesien in Königswinter

Günther war der Sohn des verarmten Stadtarztes Johann Günther und dessen Frau Anna Eichbänder. Anfangs wurde er von seinem Vater unterrichtet, da Privatlehrer zu teuer waren.[1] Von 1710 bis 1715 besuchte er das Gymnasium in Schweidnitz, wo dessen Rektor Johann Christian Leubscher sein literarisches Talent erkannte und förderte. Als Zwölfjähriger nahm er 1707 an den später verbotenen evangelischen Kinderandachten der Betenden Kinder teil; über das Jugenderlebnis schrieb er ein Gedicht. Als einziger Schüler in der Geschichte des Gymnasiums durfte Günther am Ende seiner Schulzeit auch sein Jugenddrama „Die von Theodosio bereute Eifersucht“ aufführen.[1] Er verlobte sich mit Magdalena Eleonore Jachmann, der „Leonore“ seiner späteren Gedichte.

Im Jahre 1715 nahm er, dem Wunsch des Vaters folgend, ein Medizinstudium zuerst in Frankfurt an der Oder, dann in Wittenberg auf. Es kam zum Zerwürfnis mit dem Vater, da dieser seine Absicht, seinen Lebensunterhalt als Dichter zu bestreiten, strikt ablehnte. 1716 ließ sich Günther zum „Poeta laureatus Caesareus“ krönen. Infolge der damit verbundenen finanziellen Aufwendungen kam er 1717 ins Schuldgefängnis.

Noch im selben Jahr 1717 immatrikulierte er sich an der Universität Leipzig. Er wurde von dem Schriftsteller und Historiker Johann Burckhardt Mencke gefördert, der von Günthers bedeutender Begabung überzeugt war, dem es aber 1719 nicht gelang, ihm eine Stelle als Hofdichter Augusts des Starken in Dresden zu beschaffen. Ein Versuch, sich 1720 als Arzt in Kreuzburg in Schlesien niederzulassen, misslang, ebenso die Bemühung um eine Aussöhnung mit dem Vater. In der Folge lebte Johann Christian Günther als Gast bei den Familien verschiedener Studienfreunde. Er kehrte 1723, bereits krank, nach Jena zurück, wo er 27-jährig an Tuberkulose starb.

Bedeutung

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Günther gilt als bedeutendster deutscher Lyriker des frühen 18. Jahrhunderts. Formal dem Zeitalter des Barocks zuzuordnen, ist er wegen der starken inneren Bewegtheit und ausgesprochener individueller Prägung seiner Literatur als Vorläufer der Aufklärung zu bezeichnen. Dies folgt unter anderem aus der Tatsache, dass Günther mit Schriften von Christian Thomasius, Gottfried Wilhelm Leibniz und des Christian Wolff in Berührung gekommen sein muss. Dadurch wurde zwar nicht sein Traditionsbewusstsein verändert, doch prägten jene Philosophen seine Auffassung zu Autorität, Lehre und Religion.

Berühmt zu seiner Zeit wurde er durch seine „Ode auf den Frieden von Passarowitz“ von 1718. Ein Jahr nach seinem Tod erschienen „Johann Christian Günthers aus Schlesien, Theils noch niegedruckte, theils schon herausgegebene, Deutsche und Lateinische Gedichte“, die seinen Nachruhm begründeten. Die erste Gesamtausgabe seiner Werke von 1742 erlebte sechs Auflagen; Wilhelm Krämer brachte von 1930 bis 1936 eine historisch-kritische Gesamtausgabe heraus. Goethe urteilte in seinem Werk Dichtung und Wahrheit: „Ein entschiedenes Talent, begabt mit Sinnlichkeit, Einbildungskraft, Gedächtnis, Gabe des Fassens und Vergegenwärtigens, fruchtbar im höchsten Grade, rhythmisch bequem, geistreich, witzig und dabei vielfach unterrichtet.“

Die Encyclopædia Britannica nennt Günther „one of the most important German lyric poets of the period between the Middle Ages and the early Goethe.“

Ausgaben

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  • Gedichte von Johann Christian Günther. Hrsg. Berthold Litzmann. Reclam, Leipzig 1897; wieder ca. 1910[2]
  • Sämtliche Werke. Historisch-kritische Gesamtausgabe. Hrsg. Wilhelm Krämer. Leipzig 1930 ff. Bibliothek des Literarischen Vereins Stuttgart.[3]
  • Johann Christian Günther Gedichte und Studentenlieder, hrsg. von Hans Marquardt und Horst Wandrey, Leipzig 1962 (u.ö.)
  • Schlesische Dichtung der Barockzeit. Von M.A.v. Löwenstern bis J.Ch. Günther. Hrsg. von Leopold Brachmann und Paul Alfred Kleinert, Textauswahl von Günther, Wien/Berlin 1994, S. 52 ff.
  • Werke. Hrsg. Reiner Bölhoff und Conrad Wiedemann. Bibliothek der frühen Neuzeit. Zweite Abteilung: Literatur im Zeitalter des Barock, 10. Deutscher Klassiker Verlag, Frankfurt 1998[4]. Bibliothek deutscher Klassiker, 153. ISBN 3-618-66520-2 und ISBN 3-618-66525-3 Mit Literaturverzeichnis.
  • Textkritische Werkausgabe. 4 Bände; Texte und Quellendokumentation. Edition Niemeyer. Hrsg. Reiner Bölhoff. de Gruyter, Berlin 2014[5] ISBN 978-3-11-029520-7 und weitere ISBNs.

Bibliographie

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  • Reiner Bölhoff: Johann Christian Günther 1695–1975. Literatur und Leben N.F., 19. Böhlau, Köln 1980–1983. Zugleich Diss. phil. Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg 1978
  1. Kommentierte Bibliographie ISBN 3-412-03580-7
  2. Schriftenverzeichnis ISBN 3-412-04482-2
  3. Rezeptions- und Forschungsgeschichte ISBN 3-412-05081-4

Literatur (Auswahl)

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  • Max Kalbeck, Neue Beiträge zur Biographie des Dichters Johann Christian Günther nebst einem Anhange, welcher die wichtigsten handschriftlichen Inedita der Breslauer Stadtbibliothek enthält, hrsg. von Max Kalbeck. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1879 (Textarchiv – Internet Archive)
  • Ulrich Konrad, Matthias Pape, Johann Christian Günther in der Tradition der evangelischen Kirchenliteratur. In: Zeitschrift für Deutsche Philologie, Band 100 (1981), H. 4, S. 504–527
  • Johann Christian Günther. Text + Kritik, 74/75. Edition Text + Kritik, München 1982, ISBN 3-88377-107-4
  • Laura Bignotti: Johann Christian Günthers geistliche Lyrik. „Du must dein Saythenchor nach Davids Harfe ziehn“. Tectum Verlag, Marburg 2010, ISBN 978-3-8288-2199-6
  • Henning Boëtius: Schönheit der Verwilderung. btb, München 2002, ISBN 3-442-72830-4 (biographischer Roman)
  • Helga Bütler-Schön: Dichtungsverständnis und Selbstdarstellung bei Johann Christian Günther. Studien zu seinen Auftragsgedichten, Satiren und Klageliedern. (= Studien zur Germanistik, Anglistik und Komparatistik; 99). Bouvier, Bonn 1981, ISBN 3-416-01577-0
  • Gerhard Dünnhaupt: Johann Christian Günther (1695–1723). In: Personalbibliographien zu den Drucken des Barock. Band 3. Hiersemann, Stuttgart 1991, ISBN 3-7772-9105-6, S. 1913–1931 (Werk- und Literaturverzeichnis)
  • Robert Eitner: Johann Christian Günther. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 10, Duncker & Humblot, Leipzig 1879, S. 170–173.
  • Leopold Federmair: Die Leidenschaften der Seele Johann Christian Günthers. Ein Versuch über den Mißerfolg. (= Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik; 215 / Salzburger Beiträge; 16). Heinz, Stuttgart 1989, ISBN 3-88099-219-3
  • Eike Fuhrmann: Günther, Johann Christian. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 7, Duncker & Humblot, Berlin 1966, ISBN 3-428-00188-5, S. 269–71 (Digitalisat).
  • Adalbert Hoffmann: Johann Christian Günther-Bibliographie. Anhang: eine zum ersten Mal veröffentlichte Satire gegen Günther mit deren Vorspiel. In Kommission bei Priebatsch’s Buchhandlung in Breslau, Neustadt Oberschl. 1929. Nachdruck: Olms, Hildesheim 1965
  • Wilhelm Krämer: Das Leben des schlesischen Dichters Johann Christian Günther 1695–1723. Mit Quellen und Anmerkungen zum Leben und Schaffen des Dichters und seiner Zeitgenossen. 2. Auflage. Klett-Cotta, Stuttgart 1980, ISBN 3-12-924391-7
  • Ursula Regener: Stumme Lieder? Zur motiv- und gattungsgeschichtlichen Situierung von Johann Christian Günthers „Verliebten Gedichten“. (= Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte der germanischen Völker; 218; N. F. 94). De Gruyter, Berlin 1989, ISBN 3-11-012128-X
  • Jens Stüben (Hrsg.): Johann Christian Günther (1695–1723). Oldenburger Symposium zum 300. Geburtstag des Dichters. (= Schriften des Bundesinstituts für Ostdeutsche Kultur und Geschichte, 10). Oldenbourg, München 1997, ISBN 3-486-56253-3
  • Heinz Grothe: Johann Christian Günther 1695 – 1723, in: Wir wollen nicht vergessen sein. Essays über wenig gelesene große deutsche Dichter. Gauverlag, Bayreuth 1939, S. 13–22
  • [Eintrag] Johann Christian Günther. In:„Kindlers Literatur Lexikon“. Hg. von Heinz Ludwig Arnold. 3., völlig neu bearbeitete Auflage. 18 Bde. Stuttgart: Metzler 2009, Bd. 6, S. 726–727 [Biogramm, Werkartikel zu „Das lyrische Werk“ von Enst Peter Fischer]. ISBN 978-3-476-04000-8.
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Commons: Johann Christian Günther – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Johann Christian Günther – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

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  1. a b Arnd Beise: »Etwas frey«. In: junge welt. 15. März 2023, abgerufen am 16. März 2023.
  2. Leseausgabe, eine chronologisch angeordnete Auswahl nach Lebensstationen des Dichters
  3. Diese sog. historisch-kritische Ausgabe kann kaum so bezeichnet werden. Unter anderem wurde die Orthographie normalisiert. Häufige Neuaufl., auch in Auswahl und in illustrierter Form, z. B. als Gedichte und Studentenlieder. Reclam, Leipzig 1960 u.ö.
  4. Diese Ausgabe bewahrt die originale Orthographie und ist darum bemüht, diese bei fehlenden Handschriften nach historisch-kritischer Methode zu restituieren. Typographische Besonderheiten der Texte werden allerdings auch hier normalisiert. Bewahrt ist die barocke Schreibung der Umlaute.
  5. Bände chronologisch angeordnet. Jeder Band mit einem Zusatzband „Nachweise und Erläuterungen“