Die Boeing YAL-1 Airborne Laser war ein fliegendes Laser-Energiewaffensystem zur Abwehr anfliegender feindlicher Raketen, das von den US-Luftstreitkräften zwischen 2001 und 2012 erprobt wurde.[1] Als Basis diente eine modifizierte Boeing 747-400F, in deren Inneren ein hochenergetischer Laserstrahl erzeugt und durch den Bug auf das Ziel abgefeuert wurde.

Boeing YAL-1 Airborne Laser

Testflug des Prototyps YAL-1
Typ Prototyp eines lasergestützten Raketenabwehrflugzeuges
Entwurfsland

Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten

Hersteller Boeing IDS
Erstflug 18. Juli 2002
Indienststellung In der Flugerprobung
Produktionszeit

Nicht in Serie produziert

Stückzahl 1 (00-0001/ED)[1]
Airborne Laser (ABL)
Airborne Laser im Einsatz (Zeichnung)

Entwicklungsgeschichte

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Schon seit Anfang der 1970er Jahre beschäftigt sich die US Air Force (USAF) mit Konzepten für eine luftgestützte Laserwaffe. Sie montierte im Rahmen des Programms Airborne Laser Laboratory (ALL) einen Laser an Bord eines umgebauten Tankflugzeugs KC-135A Stratotanker, um den Abschuss von Raketen zu erproben. Das gelang auch bis Mitte der 1980er Jahre, allerdings mit Luft-Luft-Raketen, die aus kurzer Distanz zerstört oder wenigstens abgelenkt wurden. Dieses Modell wurde unter der Bezeichnung NKC-135A Laser Lab bekannt.

In den folgenden Jahren verlagerte sich der geplante Einsatzzweck auf das Erfassen feindlicher ballistischer Raketen schon während ihrer Startphase und ihre Zerstörung durch Beschuss mit Laserpulsen von wenigen Sekunden Dauer im Megawatt-Bereich aus mehreren hundert Kilometern Entfernung. Durch die Bestrahlung soll sich das Gehäuse der Rakete stark erhitzen und somit den Ausfall oder ein Fehlverhalten der Konstruktion erzwingen. Im Haushaltsjahr 1994 stellte der US-Verteidigungshaushalt erstmals Mittel zur Entwicklung eines derartigen Systems bereit, seit 1998 arbeitete die USAF gezielt an der Umsetzung des Projekts, nun Airborne Laser (ABL) genannt.

Die US-Luftwaffe beschaffte im Januar 2000 eine neue Boeing 747-400F und begann mit dem Umbau. Der Erstflug des Prototyps YAL-1A fand (noch ohne Laser) am 18. Juli 2002 bei Boeing in Wichita, Kansas statt, seit Ende 2002 standen auf der Edwards Air Force Base weitere Tests und der Einbau der Lasertechnik auf dem Programm. Als Hauptlaser diente ein aus sechs Modulen bestehender chemischer Sauerstoff-Iod-Laser (Chemical Oxygen-Iodine Laser, kurz COIL), der unsichtbare Strahlung im Infrarotbereich (1315 nm) aussendet. Er wurde am 10. November 2004 erstmals in Betrieb genommen. Außer der Laserkanone sollten drei Hilfslaser zur Zielerfassung, -markierung und zur Messung der atmosphärischen Störungen verwendet werden. Das Lasersystem brennt nicht durch die Rakete oder zerstört sie direkt, stattdessen erwärmt es die Außenhaut der Rakete stark und schwächt sie dadurch. Die einwirkenden aerodynamischen Kräfte auf das dann weiche Material sollen dann zum Versagen der Rakete führen.

Das Rollout der YAL-1 fand am 27. Oktober 2006 in Wichita statt. Am 15. März 2007 feuerte sie erstmals einen Laser im Flug ab: Der Zielmarkierungslaser erfasste dabei eine speziell für diesen Einsatz ausgerüstete C-135 (NKC-135A), die für diese Tests am Vorderrumpf eine aufgemalte Rakete trug.[2][3] Ein erster Praxistest des Hauptlasers im Flug war ursprünglich für 2003 vorgesehen, ist aber mehrfach verschoben worden. Am 10. August 2009 feuerte die Boeing 747-400F zum ersten Mal mit niedriger Energie auf eine real anfliegende Rakete, die in etwa 120 km Entfernung gestartet wurde. Der erste hochenergetische Schuss wurde erst am 11. Februar 2010 vor der Küste Kaliforniens abgefeuert.[4] Geplant war zunächst die Beschaffung von sieben Maschinen. Im Juli 2009 gab US-Verteidigungsminister Robert Gates jedoch bekannt, dass das Verteidigungsbudget massiv gekürzt wird und diverse Projekte nicht weiter verfolgt würden, darunter auch der Airborne Laser.[5][6]

Aus Kostengründen[7] wurde das Programm schließlich Anfang 2012 beendet und die USAF entschied sich, die verwendete Boeing 747 einzumotten, mit der Option, sie zu einem späteren Zeitpunkt reaktivieren zu können.[1] Die Verwendung als Forschungsträger, wie zunächst entschieden, wird somit nicht verwirklicht. Wären die Praxistests erfolgreich verlaufen und die AL-1 tatsächlich in Dienst gestellt worden, wäre sie die erste gerichtete Energiewaffe der US-Streitkräfte gewesen. Mitte Februar 2012 führte die AL-1 ihren vorerst letzten Flug zum Aerospace Maintenance and Regeneration Center nach Tucson, Arizona durch.[8][9]

An dem Projekt waren neben Boeing als Konsortialführer noch Northrop Grumman für das Lasersystem und Lockheed Martin für das Feuerleitsystem beteiligt.

Bedeutung des Projekts

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Der Airborne Laser war ein wichtiges Element der nationalen Verteidigungsstrategie der USA gegen feindliche Raketenangriffe (National Missile Defense). Ende 2001 übernahm die Missile Defense Agency des Verteidigungsministeriums die Leitung des Projektes.

Dass der Airborne Laser für die USAF kein gewöhnliches Projekt war, zeigte sich am Kennzeichen des Prototyps (00-0001) und vor allem an der Bezeichnung AL-1, die – wie auch bei der SR-71 und der F-117 – nicht den eigenen Richtlinien zur Benennung von Luftfahrzeugen entsprach: Die Hauptkennung L (für Laser) ist erst seit 1997 reserviert, ein Zeitpunkt, der nach dem Start des Programmes lag. Damit wurde erstmals ein Flugzeug der USAF nach der Art der Ausrüstung und nicht wie sonst nach ihrem Einsatzzweck (etwa B für Bomber) benannt. Auch das zweite Kennzeichen, das für einen speziellen oder zusätzlichen Einsatzzweck steht, ist nicht korrekt, da das A zwar für Angriffe verwendet werden soll, für die Bekämpfung von Raketen aber das F vorgesehen ist. Möglicherweise hat man sich für AL entschieden, weil es als Akronym für Airborne Laser steht.

Technische Daten

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Die Kuppel der AL-1 ist laut US Air Force die größte ihrer Art weltweit.
Kenngröße Daten
Besatzung Sechs (Pilot, Kopilot, vier Bediener)
Länge 70,70 m
Spannweite 64,44 m
Höhe 19,41 m
Flügelfläche 541,16 m²
Flügelstreckung 7,67
Tragflächenbelastung
  • Minimal (Leermasse): 335 kg/m²
  • Maximal (maximale Startmasse): 733 kg/m²
Leermasse 181.120 kg
max. Startmasse 396.900 kg
Antrieb Vier General Electric CF6-80C2-Mantelstromtriebwerke mit je 280,97 kN Schub
Höchstgeschwindigkeit Mach 0,83
max. Flughöhe 13.700 m
max. Reichweite 15.570 km

“Speed-of-light/line-of-sight weapons like the laser on the ABL are fundamentally different from kinetic weapons. Line-of-sight precision ensures one-shot, one-kill effectiveness. Speed-of-light response ensures that the target has no warning to make evasive maneuvers or employ countermeasures. If the technology proves practical and affordable, a DE weapon will provide a near-instant kill of targets detected within its effective range. Echoes of Giulio Douhet’s combat plane able to clear its way through the skies with superior firepower can be heard as the ABL takes flight.”

„Waffen mit lichtschnellem, direkten Schuss wie der luftgestützte Laser unterscheiden sich grundlegend von kinetischen Waffen. Die Präzision der Visiersichtlinie stellt die Vernichtung mit dem ersten Schuss sicher. Die lichtschnelle Reaktion gewährleistet, dass das Ziel keine Warnung für Ausweichmanöver oder zum Ergreifen von Gegenmaßnahmen erhält. Falls sich die Technik als praktikabel erweist, wird eine Waffe mit gerichteter Energie eine nahezu augenblickliche Ausschaltung von in ihrem Wirkbereich aufgespürten Zielen ermöglichen. Man kann den Widerhall von Giulio Douhets Kampfflugzeug hören, das sich mit überlegener Feuerkraft seinen Weg durch den Himmel bahnt, sobald der ABL abhebt.“

John D. Jogerst, Colonel (retired) USAF: Airpower Trends 2010: The Future Is Closer Than You Think, Sommer 2009[10]

Siehe auch

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Commons: Boeing AL-1 – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b c Lights Out for ALTB. In: Air International. Key Publishing, Februar 2012, ISSN 0306-5634, S. 14 (englisch).
  2. Eric M. Grill: Airborne Laser fires tracking laser, hits target. USAF-News, 21. März 2007.
  3. Luis David Sanchez: 55-3132 (cn 17248). Bild der NKC-135A auf Airliners.net. Juli 2007, abgerufen am 21. Februar 2012 (englisch).
  4. Jonathan E. Skillings: Airborne Laser zaps in-flight missile. In: CNet News. 12. Februar 2010, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 3. März 2012; abgerufen am 21. Februar 2012 (englisch): „In a milestone for the ambitious directed-energy project, now dramatically downsized, the Pentagon’s Airborne Laser prototype weapons system destroyed a ballistic missile that was in flight. The shootdown took place February 11 off the central coast of California.“  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/news.cnet.com
  5. Robert Gates: Speech. Rede des damaligen amerikanischen Verteidigungsministers vor dem Economic Club of Chicago. U.S. Department of Defense, 16. Juli 2009, abgerufen am 12. Februar 2012 (englisch): „Consider the example of one of those programs – the Airborne Laser. This was supposed to put high-powered lasers on a fleet of 747s. After more than a decade of research and development, we have yet to achieve a laser with enough power to knock down a missile in boost phase more than 50 miles from the launch pad – thus requiring these huge planes to loiter deep in enemy air space to have a feasible chance at a direct hit. Moreover, the 10 to 20 aircraft needed would cost about $1.5 billion each plus tens of millions of dollars each year for maintenance and operating costs. The program and operating concept were fatally flawed and it was time to face reality. So we curtailed the existing program while keeping the prototype aircraft for research and development.“
  6. Gates will Militärausgaben umschichten. In: Frankfurter Rundschau. 6. April 2009, abgerufen am 21. Februar 2012: „Zudem wurde mit einem Verzicht auf eine futuristische Komponente der ballistischen Raketenabwehr gerechnet, darunter ein luftgestützter Laser und ein weltraumgestütztes Abfangsystem.“
  7. Christopher Drew: Soaring Costs Jeopardize Missile Defense Systems. In: New York Times. 17. März 2009, abgerufen am 21. Februar 2012 (englisch): „Mr. McAleese said it seemed clear that programs still being tested, like the laser, which would be mounted on a Boeing 747 plane, and the mobile system, known as the Kinetic Energy Interceptors, would be among the most vulnerable.“
  8. Dante D’Orazio: Laser-equipped 747 missile-buster flies last flight, claims its spot in the Boneyard. The Verge.com, 21. Februar 2012, abgerufen am 21. Februar 2012 (englisch, Artikel zum letzten Flug der AL-1 mit Video): „Funding for the laser-equipped 747 known as the Airborne Laser Testbed was cut late last year, and the aircraft has been reassigned to the 309th Aerospace Maintenance and Regeneration Group – fondly called the Boneyard — where decommissioned aircraft go to die.“
  9. US Outlines Plans for $487 Billion Defence Budget Cuts. In: Air Forces Monthly. Key Publishing, März 2012, ISSN 0955-7091, S. 20 (englisch).
  10. John D. Jogerst, Colonel (retired), USAF: Airpower Trends 2010 – The Future Is Closer Than You Think. Airpower.au.af.mil, 1. Juni 2009, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 17. Februar 2013; abgerufen am 21. Februar 2012 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.airpower.au.af.mil