Saccharomyces eubayanus

Art der Gattung Zuckerhefen (Saccharomyces)

Saccharomyces eubayanus, eine kryotolerante (kältetolerante) Zuckerhefenart, ist höchstwahrscheinlich eine der beiden Elternspezies der untergärigen Hefe Saccharomyces pastorianus.[2][3][4] Sie ist in der Lage, Glukose und Maltose bei niedrigen Temperaturen zu vergären.

Saccharomyces eubayanus
Systematik
Unterabteilung: Saccharomycotina
Klasse: Saccharomycetes
Ordnung: Echte Hefen (Saccharomycetales)
Familie: Saccharomycetaceae
Gattung: Zuckerhefen (Saccharomyces)
Art: Saccharomyces eubayanus
Wissenschaftlicher Name
Saccharomyces eubayanus
Samp., Libkind, Hittinger, P. Gonç., Valério, C. Gonç., Dover & Johnst., 2011[1]

Saccharomyces eubayanus wurde erstmals in Nordpatagonien (Argentinien) entdeckt (Referenzstamm PYCC 6148T).[5] Ihre Rolle als eine der Elternspezies von Saccharomyces pastorianus ist möglicherweise ein Beispiel für den „kolumbianischen Austausch“ (englisch Columbian exchange, Austausch von Spezies zwischen der Neuen und Alten Welt seit der Entdeckung Amerikas 1492 durch Christoph Kolumbus).[6][7] Allerdings gibt Hinweise darauf, dass untergäriges Rotbier in Süddeutschland bereits im frühen 14. Jahrhundert gebraut wurde,[8][9] und auch die Brauordnung der Stadt Nabburg von 1474 erwähnt untergäriges Bier.[10]

Merkmale

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Die Zellen sind rund bis eiförmig und messen 2,5–5 × 5–7 Mikrometer. Ein Pseudomycelium liegt nicht vor. Die Schläuche sind oval und ausdauernd und enthalten zwei bis vier Sporen. Die Hauptdiagnose ist die Genomsequenz, die in der Gendatenbank des NCBI mit der Nummer SRP006155 in SRA030851 hinterlegt ist. Der Typusstamm ist CBS 12357 T (CRUB 1568T, PYCC 6148T).[7]

Geschichte

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Seit 1985 wird vermutet, dass Saccharomyces pastorianus ein Hybrid der herkömmlichen obergärigen Hefe Saccharomyces cerevisiae, die für die Brotherstellung und das Brauen nach überkommener Weise (Altbier, Kölsch, Ale etc.) Verwendung findet, und einer weiteren, zunächst noch unbekannten Saccharomyces-Spezies ist; als letztere wurden vor allem Saccharomyces bayanus und seit der Entdeckung 2011 in Argentinien auch Saccharomyces eubayanus kontrovers diskutiert. Seit 2018 wird Saccharomyces eubayanus zusammen mit Saccharomyces cerevisiae als Vorfahre von Saccharomyces pastorianus angesehen und Saccharomyces bayanus ist als Vorfahre ausgeschlossen. Durch Genomanalyse wurde festgestellt, dass der Nicht-cerevisiae-Anteil im Genom von Saccharomyces pastorianus zu 99 % mit Saccharomyces eubayanus identisch ist.

 
Cyttaria hariotii

Wie in der Erstbeschreibung 2011 berichtet, wurde Saccharomyces eubayanus in Nordpatagonien (Argentinien) entdeckt, ökologisch assoziiert mit Scheinbuchen-Wäldern (Nothofagus spp., auch Südbuchen genannt) und parasitären biotrophen Pilzen der Gattung Cyttaria.[5][2][3] Mit Entdeckungen in anderen Teilen der Welt, wie im US-Bundesstaat Wisconsin[11] (Sheboygan Indian Mound Park[12][13]) und in Ostasien (Tibet/Sichuan)[5] wurde der südamerikanische Ursprung von Saccharomyces eubayanus durch genomische und phylogenetische Hinweise, die auf einen tibetischen Ursprung hindeuten, in Frage gestellt. Als Argument für diese Theorie wurden die bessere Übereinstimmung mit Geografie und der Geschichte des Welthandels angesichts der eurasischen Landverbindung (vgl. Seidenstraße) angeführt.[5] Seitdem haben weitere Genomanalysen eine geringere genetische Vielfalt der südamerikanischen Stämme ergeben, was auf einen biogeografischen Ausgangspunkt der Verbreitung in Patagonien hindeutet.[2] Als Überträger (gewissermaßen Vektoren), die für die Ausbreitung der Hefen von Kontinent zu Kontinent sorgen könnten, wurden von Chris Hittinger Vögel vorgeschlagen.[13]

2022 konnte eine Forschergruppe des University College Dublin Saccharomyces eubayanus schließlich auch in Bodenproben aus Irland nachweisen.[14] Weitere Nachweise aus Europa sind zu erwarten.

Phylogenetisch gesehen steht Saccharomyces eubayanus basal im Stammbaum der Gattung Saccharomyces (Zuckerhefen) und ist gut an die kühlere Umgebung der Nothofagus-Wälder angepasst; es wird angenommen, dass die wärmetoleranten Saccharomyces-Arten sich aus diesen entwickelt haben, die Thermotoleranz also ein abgeleitetes Merkmal ist.[2]

Die Genomanalyse von Saccharomyces eubayanus zeigte, dass das Genom diese Spezies nach Vorhersage (englisch de novo assembly) 5.515 Protein-kodierende Gene haben sollte, von denen 4.993 eindeutige 1:1-Orthologe zu Genen von Saccharomyces cerevisiae und Saccharomyces uvarum sind.[15]

Genomanalysen der Populationen in Patagonien haben dort zwei Hauptpopulationen von Saccharomyces eubayanus identifiziert, Patagonien A und Patagonien B/Holarctic. Dies sind die engsten bekannten wilden Verwandten der untergärigen Hefen, denn beim Vergleich zeigen diese wilden Stämme zu 99,82 % bzw. 99,72 % Übereinstimmung mit dem von Saccharomyces eubayanus stammenden Subgenom der untergärigen Hefe Saccharomyces pastorianus.[2]

Die heute bei der Produktion untergäriger Biere benutzen Hefestämme gehören zwei verschiedenen Linien an:[16]

  • Typ 1 (Saaz) genannt, umfasst die allotriploiden Stämme (Saccharomyces carlsbergensis: CBS 1513, CBS 1503, …) mit zwei Kopien des Genoms von Saccharomyces eubayanus und nur einer Kopie des Genoms von Saccharomyces cerevisiae[15]
  • Typ 2 (Frohberg), umfasst die allotetraploide Stämme (Saccharomyces pastorianus: WS 34/70, CBS 1538, CBS 1438, …) mit einer vollständigen diploiden Genomkopie von Saccharomyces eubayanus als auch von Saccharomyces cerevisiae[15]

Die Saaz-Stämme, die ihrer Elternspezies Saccharomyces eubayanus physiologisch ähnlicher sind, wachsen bei niedrigen Temperaturen viel effizienter, was mit der Kältetoleranz dieser Art und ihrem höheren Anteil (von 23) im Genom des Saaz-Typs im Vergleich zum Frohberg-Typ (mit 12) übereinstimmt.[17] Da sich Saccharomyces-Hefen bei höheren Temperaturen nach oben, bei niedrigen aber nach unten absetzen, werden die wärmetoleranten Vertreter als obergärig und die kältetoleranten als untergärig bezeichnet. Aus diesem Grund zählt Saccharomyces eubayanus zu den untergärigen Hefen (englisch wild lager yeast).

Die Frage, ob die beiden Linien aus zwei unabhängigen oder einem einzigen Hybridisierungsereignis hervorgegangen sind, war zunächst offen. Die monophyletische Hypothese wurde z. B. von Jürgen Wendland, B. Gibson und G. Liti vertreten.[18][19] In diesem Fall wäre der Saaz-Typ zu einem frühen Zeitpunkt aus dem Frohberg-Typ durch Genom-Reduktion hervorgegangen.[20] In diesem Fall wäre die S. pastorianus Max Rees, 1870 die gemeinsame Artbezeichnung für beide Typen. Inzwischen zeichnet sich ab, dass beide Linien wohl bereits vor etwa 500 bis 1000 Jahren durch unabhängige Hybridisierungs­ereignisse entstanden sind.[15][21][22][23]

Verwendung

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Im Jahr 2015 gelang es erstmals durch interspezifische Hybridisierung von Saccharomyces cerevisiae mit Saccharomyces eubayanus neuartige Typen untergäriger Hefe als Hybride Saccharomyces eubayanus x Saccharomyces cerevisiae zu schaffen.[24][25][19] Die Verwendung gentechnischer Methoden ist dafür nicht erforderlich,[19] so dass gesetzlichen Bestimmungen und Verbraucherwünschen entsprochen werden kann. Allerdings können hybride Genome in der industriellen Nutzung zu genetischer Instabilität führen.[26]

Saccharomyces eubayanus kann auch selbst zum Brauen von untergärigem Bier (englisch wild lager beer) verwendet werden.[19][27][28][29][12]

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Einzelnachweise

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  1. NCBI: Saccharomyces eubayanus J.P. Sampaio, Libkind, Hittinger, P. Gonçalves, E. Valério, C. Gonçalves, Dover & M. Johnston, 2011 (species) – Autoren korrigiert; graphisch: Saccharomyces eubayanus, auf: Lifemap, NCBI Version.
  2. a b c d e José Paulo Sampaio: Microbe Profile: Saccharomyces eubayanus, the missing link to lager beer yeasts. In: Microbiology. 164. Jahrgang, Nr. 9, 2018, S. 1069–1071, doi:10.1099/mic.0.000677, PMID 30175956, PMC 6230766 (freier Volltext).
  3. a b Jennifer Welsh: 'Missing' Lager Brewing Yeast Discovered in Patagonia. Livescience.com, abgerufen am 15. September 2021.
  4. Tiffany Kaiser: Lager's Mystery Yeast Discovered in Argentina. Dailytech.com, archiviert vom Original am 11. Dezember 2016; abgerufen am 15. September 2021.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.dailytech.com Memento im WebArchiv vom 11. Dezember 2016.
  5. a b c d Jian Bing, Pei-Jie Han, Wan-Qiu Liu, Qi-Ming Wang, Feng-Yan Bai: Evidence for a Far East Asian origin of lager beer yeast. In: Current Biology. 24. Jahrgang, Nr. 10, 19. Mai 2014, S. R380–R381, doi:10.1016/j.cub.2014.04.031, PMID 24845661 (cell.com).
  6. David Morrison: Lager beer and phylogenetic networks. 15. September 2021, abgerufen am 29. Oktober 2014.
  7. a b Diego Libkind, Chris Todd Hittinger, Elisabete Valério, Carla Gonçalves, Jim Dover, Mark Johnston, Paula Gonçalves, José Paulo Sampaio: Microbe domestication and the identification of the wild genetic stock of lager-brewing yeast. In: PNAS. 108. Jahrgang, Nr. 34, 23. August 2011, S. 14539–14544, doi:10.1073/pnas.1105430108, PMID 21873232, PMC 3167505 (freier Volltext) – (pnas.org).
  8. Jochen Sprotte: Von 1303/1305 bis zum Jahre 2005. 700 Jahre Nürnberger Bier. In Jahrbuch der Gesellschaft für Geschichte des Brauwesens 2005, Institut für Gärungsgewerbe Berlin, S. 87–131.
  9. Die Ursprünge des untergärigen Lagerbieres – Eine Theorie auf: schlenkerla.de, abgerufen am 16. August 2023
  10. Franz Meußdoerffer, Martin Zarnkow: Das Bier: Eine Geschichte von Hopfen und Malz. C. H. Beck Verlag, 2014, ISBN 3406666671, S. 86.
  11. David Peris, Kayla Sylvester, Diego Libkind, Paula Gonçalves, José Paulo Sampaio, William G. Alexander, Chris Todd Hittinger: Population structure and reticulate evolution of Saccharomyces eubayanus and its lager-brewing hybrids, in: Molecular Ecology Band 23, Nr. 8, 24. Februar 2014, S. 2031–2045, doi:10.1111/mec.12702
  12. a b Sheboygan site of rare wild yeast used in new Wisconsin Wild Lager beer, Sheboygan Press, 18. Oktober 2018
  13. a b Robin McKie: Whose fault is your lager hangover? Blame it on migrating birds, theguardian.com vom 13. April 2014
  14. Sean A Bergin, Stephen Allen, Conor Hession, Eoin Ó Cinnéide, Adam Ryan, Kevin P Byrne, Tadhg Ó Cróinín, Kenneth H Wolfe, Geraldine Butler: Identification of European isolates of the lager yeast parent Saccharomyces eubayanus. In: FEMS Yeast Research. Band 22, Nr. 1, 2022, ISSN 1567-1364, doi:10.1093/femsyr/foac053 (oup.com [abgerufen am 7. Dezember 2022]).
  15. a b c d EmilyClare Baker, Bing Wang, Nicolas Bellora, David Peris, Amanda Beth Hulfachor, Justin A. Koshalek, Marie Adams, Diego Libkind, Chris Todd Hittinger: The Genome Sequence of Saccharomyces eubayanus and the Domestication of Lager-Brewing Yeasts. In: Molecular Biology and Evolution. 32. Jahrgang, Nr. 11, November 2015, ISSN 0737-4038, S. 2818–2831, doi:10.1093/molbev/msv168, PMID 26269586, PMC 4651232 (freier Volltext).
  16. M. van den Broek, I. Bolat, J. F. Nijkamp, E. Ramos, M. A. H. Luttik, F. Koopman, J. M. Geertman, D. de Ridder, J. T. Pronk, J.-M. Daran: Chromosomal Copy Number Variation in Saccharomyces pastorianus Is Evidence for Extensive Genome Dynamics in Industrial Lager Brewing Strains, in: ASM Applied and Environmental Microbiology, Band 81, Nr. 18, 19. August 2015, doi:10.1128/AEM.01263-15
  17. Brian R. Gibson, Erna Storgårds, Kristoffer Krogerus, Virve Vidgren: Comparative physiology and fermentation performance of Saaz and Frohberg lager yeast strains and the parental species Saccharomyces eubayanus. In: Yeast. 30. Jahrgang, Nr. 7, 29. Juni 2013, ISSN 0749-503X, S. 255–266, doi:10.1002/yea.2960, PMID 23695993.
  18. Joachim Müller-Jung: Lagerbier-Hefe entschlüsselt: Die Gene fürs Helle, auf FAZ.net vom 23. Mai 2014
  19. a b c d Brian Gibson, Gianni Liti: Saccharomyces pastorianus: genomic insights inspiring innovation for industry, in: Yeast, Band 32, Nr. 1, S. 17–27, 1. August 2014, doi:10.1002/yea.3033, PMID 25088523, Epub 23. September 2014
  20. A. Walther, A. Hesselbart, J. Wendland: Genome sequence of Saccharomyces carlsbergensis, the world's first pure culture lager yeast. In: G3. Band 4, Nr. 5, Februar 2014, S. 783–793, doi:10.1534/g3.113.010090, PMID 24578374, PMC 4025477 (freier Volltext).
  21. B. Dunn, G. Sherlock: Reconstruction of the genome origins and evolution of the hybrid lager yeast Saccharomyces pastorianus. In: Genome Research. 18. Jahrgang, Nr. 10, 7. August 2008, ISSN 1088-9051, S. 1610–1623, doi:10.1101/gr.076075.108, PMID 18787083, PMC 2556262 (freier Volltext).
  22. Andy Coghlan: How lager yeasts came in from the cold, twice. NewScientist vom 10. September 2008
  23. Jürgen Wendland: Lager yeast comes of age. In: Eukaryotic Cell. Band 13, Nummer 10, Oktober 2014, S. 1256–1265, doi:10.1128/EC.00134-14, PMID 25084862, PMC 4187645 (freier Volltext).
  24. Kristoffer Krogerus, Frederico Magalhães, Virve Vidgren, Brian Gibson: New lager yeast strains generated by interspecific hybridization. In: Journal of Industrial Microbiology & Biotechnology. 42. Jahrgang, Nr. 5, 15. Februar 2015, ISSN 1367-5435, S. 769–778, doi:10.1007/s10295-015-1597-6, PMID 25682107, PMC 4412690 (freier Volltext).
  25. Kristoffer Krogerus, Frederico Magalhães, Virve Vidgren, Brian Gibson: Novel brewing yeast hybrids: creation and application, in: Appl. Microbiol. Biotechnol. Band 101, S. 65–78, 24. November 2016, doi:10.1007/s00253-016-8007-5
  26. Arthur R. Gorter de Vries, Maaike A. Voskamp, Aafke C. A. van Aalst, Line H. Kristensen, Liset Jansen, Marcel van den Broek, Alex N. Salazar, Nick Brouwers, Thomas Abeel: Laboratory Evolution of a Saccharomyces cerevisiae × S. eubayanus Hybrid Under Simulated Lager-Brewing Conditions. In: Frontiers in Genetics. 10. Jahrgang, 29. März 2019, ISSN 1664-8021, S. 242, doi:10.3389/fgene.2019.00242, PMID 31001314, PMC 6455053 (freier Volltext).
  27. Heineken H41 Review, on: Shanty Brewery
  28. Heineken compró al CONICET la patente de una levadura patagónica ("The brewery Heineken bought the patent of a Patagonian yeast from CONICET."), auf: Info blanco sobre negro, Argentinia (spanisch)
  29. HEINEKEN introduces H41 ‘Wild Lager’, by Heineken, 6. April 2017. Memento im WebArchiv vom 26. Oktober 2020