Reformierte Kirche Küblis

Kirchengebäude in Küblis im Kanton Graubünden, Schweiz

Die reformierte Kirche in Küblis im Prättigau ist ein evangelisch-reformiertes Gotteshaus unter dem Denkmalschutz des Kantons Graubünden. Eine letztmalige Renovierung erfolgte 1972 aussen und 1999 innen.

Reformierte Kirche Küblis

Geschichte und Baugeschichte

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Die ursprüngliche Kirche, deren Gründungsdatum unbekannt ist, stand unter dem Patrozinium des hl. Nikolaus und der hl. Margareta.[1] Ab 1464 wurde die Kirche Küblis wiederaufgebaut, nachdem die romanische St. Nikolaus-Kapelle durch einen Murgang zerstört worden war. Der erste Neubau war wohl bereits 1472 abgeschlossen, was 1864 noch an einer heute nicht mehr sichtbaren Inschrift festgehalten war. 1487 vollendete Steffan Klain den neuen Chorbau mit einem Haspelsterngewölbe und wölbte in einer zweiten Bauphase im Jahr 1491 auch das bestehende Langhaus – welches bis dahin mit einer Holzdecke überdeckt war – nachträglich mit einem Rautengewölbe ein.[2] Nach Ulrich Campell brannte 1542 nach einem Blitzschlag das Dach des auffällig spitzen, pyramidenförmigen Kirchturms aus und wurde danach wieder instand gestellt.[3] Campell hat sich im Datum wohl geirrt. Eine Rötelininschrift auf der verputzten Wand über dem Triumphbogen hält die Jahreszahl 1531 für den Neubau des Dachwerkes fest.[4] Nach Nüscheler war noch anfangs 17. Jahrhundert am Turm ein grosses Christophorus Bild. Die Österreicher hätten 1622 deshalb die Kirche vor Zerstörung verschont.[5] Von 1921 bis 1923 erfolgt einer grosse Renovation unter der Leitung der Architekten Schäfer & Risch aus Chur. Dabei wurde der Turm bi sauf die Wimpergen abgetragen und der Spitzhelm um 10 Meter höher auf die heutige Höhe von 53,6 Meter gebaut. Im Westen der Kirche entstand eine Vorhalle.[6]

Äusseres

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Kirche Küblis_Eingang Westportal

An der Aussenseite des Chors Dreiecklisenen, ein typisches Merkmal spätgotischer Kirchenarchitektur im bündnerischen Raum[7]. Alle Leibungen der Chorfenster doppelt gekehlt. Das Portal in der Westwand spitzbogig mit tiefer Kehle. Einheitliches, über dem Chor abgewalmtes Satteldach mit Bruch. Der Turm an der Nordseite des Chores. Die Masswerke der spitzbogigen Schallfenster wurden 1921 nach den alten kopiert, der achteckige Spitzhelm über den Wimpergen neu errichtet. Grabsteine zu Seiten des Haupteingangs mit Wappen der Familien Buol, Sprecher von Bernegg/Berneck, Guler. An der Südwand Tafeln mit Wappen Enderli von Montzwick, Guler und Sprecher[8].

In der Glockenstube hängen in einem Gestell aus Winkeleisen vier elektrisch angetriebene Glocken[9][10]. Die vier Glocken sind gestimmt auf die Töne des' - f' - as' - des``[11]

  • Glocke 1: Durchmesser 150 cm. Gewicht 2063 kg. Inschrift: *MEIN MUND SOLL DES HERRN LOB SAGEN UND ALLES FLEISCH LOBE SEINEN HEILIGEN NAMEN IMMER UND EWIGLICH. PSALM 145,21* IM DRITTEN JAHRE NACH DEM WELTKRIEGE GOSS MICH EIN WERK FREUNDLICHER NÄCHSTENLEIBE RÜETSCHI AARAU (1921).
  • Glocke 2: Durchmesser 118 cm. Gewicht 1039 kg. Inschrift: *EHRE SEI GOTT IN DER HÖHE UND FREIDE AUF ERDEN UND AN DEN MENSCHEN EIN WOHLGEFALLEN. LUC. 2,14* GIESSEREI H. RÜETSCHI AARAU 1921
  • Glocke 3: Durchmesser 102 cm. Gewicht ca. 600 kg. Inschrift: *GOTT VERLIEHE DASS ICH LANGE ZEIT WERDE GEBRUCHT. AYN GMEIND KÜBLIS HAT MICH US FRYEM WILLEN ERKAUFT, DARUM SY GOTT IN FRIED UND WAREM GLAUBEN LANGE ZEIT ERHALT DANN DIE GMEIND MICH, MIT BAREM GELD BEZAHLT. DÜRIG ENDERLI VON MUNDZWIK, LANDAMMANN IN DEM GERICHT ZU CHLOSTER UND OBERLITENAMPT ANDREAS MICHEL GUJAN DIENER AM WORT GOTTES ALLHIE. LEONHART ENRST GOSS MICH ANNO 1638*
  • Glocke 4: Durchmesser 70 cm. Gewicht ca. 220 kg. Inschrift: *GOT ZU LOB UND DEN MENSCHEN ZU GUTGOS MICH HANS GEORG ERNST ZU LINDAW 1630.

Einschiffiges Langhaus und geosteter, eingezogener dreiseitig geschlossener Chor. Die Wände des Langhauses stammen noch vom Wiederaufbau der Kirche 1472, wobei damals sehr wahrscheinlich noch kein Gewölbe eingeplant war. Die spätgotische Einwölbung von 1491 durch Steffan Klain war eine komplexe Aufgabe, musste doch ein Raum, der gar nicht dafür vorgesehen war, eingewölbt werden. Zusätzlich kam erschwerend dazu, dass das Langhaus nach Westen hin breiter wird, da die Nordwand leicht schräg zum Triumphbogen steht. Gelöst hat Klain die Aufgabe, indem die Pfeiler nach innen verlegt und die Breite nach Westen hin zu einem Rechteck angepasst wurden. Es entstand so eine einfache Wandpfeilerkirche mit einem Haspelsterngewölbe. Der Chorraum ist um drei Stufen erhöht und wird von einem Haspelsterngewölbe über zweieinhalb Joche abgeschlossen. Die einfach gekehlten, weiss getünchten Rippen entspringen aus acht schlanken halbrunden Diensten. Die beiden Schlusssteine zeigen eine farbige Rosette und den österreichischen Bindenschild, was einzigartig für die Region Prättigau ist[12].

Ausstattung

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Inschriften: An der Nordwand baugeschichtliche Inschrift von 1921. Neben dem Wandtabernakel Hinweis zur Wiedererrichtung des Kreuzes auf dem Turm (24. Juli 1606). An der Südwand ein Hinweis auf Redolf Mahtiss (gefallen 1542 bei Siena). Im Schild der Ostwand "1487 meister steffan' mit Meisterzeichen, darunter das Toggenburger Wappen.

Wandmalereien: Nördlich des Chorbogens knieender Verkündigungsengel in weisem Gewand und blauem, rot gefütterten Mantel. Als Hintergrund ein Teppich. Auf dem Schirftsband: 'ave maria gracia plena domi(nu)s' .Von der dazugehörigen Darstellung der Maria auf der anderen Seite des Bogens ist nur noch das Datum 1491 vorhanden.

Wandtabernakel an der Nordwand: Mit Kehlen und gekreuzten Stäben profiliertes Tuffgewände. Die Gittertüre dazu aus durchgesteckten Stäben mit durchbrochenem Rahmen.

Spätgotischer Taufstein. Tuff. Becherform, achteckig mit viereckiger Plinthe.

Kanzel: Polygonalkorpus aus Holz ohne Schalldeckel. Portalförmige Füllungen, datiert 1641.

Die erste Orgel in der Kirche Küblis stand auf einem 'Orgelstuhl' im Schiff, links vor dem Chorbogen. Einzelheiten sind nur aus Quellen des 20. Jahrhunderts bekannt. Einem Spendenaufruf für eine neue Orgel aus dem Jahr 1912 ist zu entnehmen, dass das alte Werk 1787 erbaut wurde und über dem Manual die Namen eines Stifterehepaars trug: Johann Suter und Anna Suterin, geb. Maruggin. Als Orgelbauer jener Zeit käme wohl am ehesten Pakratius Kayser aus St. Margarethen in Frage. Die alte Orgel hatte eine 'kurze Oktav' und im Pedal lediglich ein Subbassregister.[13] Diese Orgel wurde 1923 durch ein Instrument von Jakob Metzler, Felsberg ersetzt. 1973 Bau der aktuellen Orgel durch Orgel Felsberg. Diese Orgel hat zwei Manuale, Pedal, dreizehn Register und eine mechanische Traktur.[14]

Die Giacometti Fenster

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Anlässlich der Kirchenrenovation in den Jahren 1921-1923 wurde entschieden, das grell durch die Chorfenster einfallende Licht durch Glasgemälde zu reduzieren. Die ausführenden Architekten Schäfer & Risch aus Chur dürften wesentlich die Wahl des ausführenden Künstlers bestimmt haben: Augusto Giacometti. Die Finanzierung der Glasgemälde erfolgte weitgehend über Spenden einzelner Familien. Die Namen der wichtigsten Geldgeber und Geldgeberinnen sind in Inschriften am Fuss der Fenster festgehalten. Am 27. August 1921 berichtet Giacometti in einem Brief an seine Mutter, er arbeite an Skizzen für die Fenster in Küblis[15]. Im Januar 1922 ist der Glasmaler Oskar Berbig mit der Umsetzung befasst. Vor dem Einbau werden die drei Glasgemälde bis zum 23. April 1922 im Treppenhaus des Kunsthaus Zürich präsentiert. Im Sommer 1922 werden die Fenster in Küblis eingesetzt.

 
Augusto Giacometti_Die vier Apostel

Die drei Fenster des Chorpolygons sind in jeweils zwei schmale Lanzetten gegliedert, die unter einem bekrönenden Fischblasenmasswerk vereint werden. Jede der schmalen Fensterbahnen ist mit zwei übereinander angeordneten Apostelfiguren besetzt. Die Farben sind in jedem Fenster in diagonaler Entsprechung angeordnet. Die Figuren sind frontal in hierarchischer Strenge in die Fläche der Fensterbahnen eingebunden. Lediglich die leicht geneigten Köpfe durchbrechen subtil die Prinzipien von Symmetrie und Parallelismus. Von einer ornamentalen Gestaltung der Gewänder sieht Giacometti in Küblis ab und er verzichtete auf eine ausdifferenzierte Charakterisierung der einzelnen Apostelfiguren. Das linke Fenster leuchtet in hellem Blau, verbunden mit einem Violett, das Mittelfenster strahlt in kräftigen Rottönen, und das rechte Fenster verbindet das Blau und Rot der beiden anderen Glasgemälde in einem Zweiklang mit reduzierter Leuchtkraft[16].

Kirchliche Organisation

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Küblis, ursprünglich eine Tochterkirche von St. Johannes in Schiers, löste sich 1464 von der Mutterkirche los.[17] Um das Jahr 1530 trat Küblis unter Jakob Spreiter zum evangelischen Glauben über.[18] Die Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden führt Küblis als eigenständige Kirchgemeinde, welche mit Conters im Prättigau eine Pastorationsgemeinschaft bildet.

Literatur

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  • Manuel Maissen: Gewölbebau der Spätgotik in Graubünden. Dissertation ETH Zürich, 2020.
  • Manuel Maissen: Gewölbebau der Spätgotik in Graubünden 1450–1525. Quellen und Forschungen zur Bündner Geschichte, Band 40 (2023), Herausgeber: Staatsarchiv Graubünden. ISBN 978-3-7965-4749-2
  • Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Band 2 (1937), Verlag Birkhäuser Basel
  • Erwin Poeschel: Augusto Giacometti. Monographien zur Schweizer Kunst. Dritter Band, Orell Füssli Verlag, Zürich und Leipzig
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Commons: Reformierte Kirche Küblis – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Band 2. Verlag Birkhäuser, Basel 1937, S. 122.
  2. Manuel Maissen: Gewölbebau der Spätgotik in Gaubünden 1450-1525. In: Staatsarchiv Graubünden (Hrsg.): Quellen und Forschungen zur Bündner Geschichte. Band 40. Verlag Schwabe, Basel 2023, ISBN 978-3-7965-4749-2, S. 89.
  3. Ulrich Campell: Das alpine Rätien - Topographische Beschreibung von 1573. Hrsg.: Institut für Kulturforschung Graubünden. Band 2. Chronos Verlag, Zürich 2021, ISBN 978-3-0340-1469-4, S. 585.
  4. Manuel Maissen: Gewölbebau der Spätgotik in Gaubünden 1450-1525. In: Staatsarchiv Graubünden (Hrsg.): Quellen und Forschungen zur Bündner Geschichte. Band 40. Verlag Schwabe, Basel 2023, ISBN 978-3-7965-4749-2, S. 89–90.
  5. Arnold Nüscheler: Die Gotteshäuser der Schweiz. Hrsg.: Zürcherische antiquarische und schweizerische geschichtsforschende Gesellschaft. Erstes Heft - Bisthum Chur. Orell, Füssli und Comp., Zürich 1864, S. 30.
  6. Hans Batz: Die Kirchen und Kapellen des Kantons Graubünden. Hrsg.: Hans Batz. Band 5. Casanova Druck und Verlag AG, Chur 2003, ISBN 3-85637-291-1, S. 59.
  7. Manuel Maissen: Gewölbebau der Spätgotik in Gaubünden 1450-1525. In: Staatsarchiv Graubünden (Hrsg.): Quellen und Forschungen zur Bündner Geschichte. Band 40. Verlag Schwabe, Basel 2023, ISBN 978-3-7965-4749-2, S. 90.
  8. Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Band 2. Verlag Birkhäuser, Basel 1937, S. 126.
  9. Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Band 2. Verlag Birkhäuser, Basel 1937, S. 127.
  10. Hans Batz: Die Kirchen und Kapellen des Kantons Graubünden. Band 5. Casanova Druck und Verlag AG, Chur 2003, ISBN 3-85637-291-1, S. 61.
  11. Küblis, reformierte Kirche. In: Glocken der Heimat. SRF DRS, 20. Januar 2014, abgerufen am 2. Juli 2024.
  12. Manuel Maissen: Gewölbebau der Spätgotik in Gaubünden 1450-1525. In: Staatsarchiv Graubünden (Hrsg.): Quellen und Forschungen zur Bündner Geschichte. Band 40. Verlag Schwabe, Basel 2023, ISBN 978-3-7965-4749-2, S. 89–101.
  13. Friedrich Jakob und Willi Lippuner: Orgellandschaft Graubünden. Hrsg.: Kantonale Denkmalpflege Graubünden - Hans Rutishauser. Verlag Bündner Monatsblatt, Chur 1994, ISBN 3-905241-45-5, S. 191.
  14. Peter Fasler: Reformierte Kirche Küblis. In: Orgelverzeichnis Schweiz und Lichtenstein. Abgerufen am 2. Juli 2024.
  15. Marco Giacometti: Augusto Giacometti - In einem förmlichen Farbentaumel. Die Biografie. Band 2. Scheidegger & Spiess, Zürich 2022, ISBN 978-3-03942-077-3, S. 328.
  16. Michael Egli, Denise Frey, Beat Stutzer: Augusto Giacometti - Catalogue raisonné. Hrsg.: Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft. Band 2. Scheidegger & Spiess, Zürich 2023, ISBN 978-3-03942-175-6, S. 726–729.
  17. Emil Camenisch: Bündner Reformationsgeschichte. Hrsg.: Evangelisch-Rätische Synode. Bischofberger & Hotzenköcherle, Chur 1920, S. 235.
  18. Hans Berger: Bündner Kirchengeschichte. Hrsg.: Evangelischer Kirchenrat Graubünden. 2. Teil - Reformation. Verlag Bischofberger AG, Chur 1983, ISBN 3-905174-02-2, S. 101.

Koordinaten: 46° 54′ 51,1″ N, 9° 46′ 37,6″ O; CH1903: 778114 / 198552