Protoporphyrin IX

chemische Verbindung

Protoporphyrin IX (PPIX) gehört zur Verbindungsklasse der Porphyrine und ist als Vorläufer von Verbindungen wie Häm (Hämoglobin) und Chlorophyll ein zentrales Stoffwechselintermediat in lebenden Organismen. Die Verbindung liegt bei Raumtemperatur als nicht wasserlöslicher, kräftig farbiger Feststoff vor und ist auch für die charakteristische braune Farbe von Eierschalen verantwortlich.[1]

Stoffwechselintermediat
Strukturformel von Protoporphyrin IX
Allgemeines
Andere Namen

PPIX

Eigenschaften
Summenformel C34H34N4O4
Molare Masse 562,658 g·mol−1
Identifikatoren
CAS-Nummer

553-12-8

EG-Nummer

209-033-7

PubChem

4971

Wikidata

Q619815

Zentrales Strukturelement von Protoporphyrin IX ist ein Porphin-Kern, ein aromatischer Tetrapyrrol-Makrozyklus. Das Molekül ist im Wesentlichen planar, mit Ausnahme der N-H-Bindungen, welche aus der Ring-Ebene in entgegengesetzte (trans-)Richtung gebogen sind.[2]

PPIX wurde erstmalig im Jahr 1904 von Patrick Laidlaw isoliert.[3]

Nomenklatur

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Protoporphyrine sind Porphinderivate, an denen die Wasserstoffatome der vier Pyrrolringe durch andere funktionelle Gruppen ersetzt sind. Das Präfix „proto“ wurde in der wissenschaftlichen Nomenklatur häufig für das „erste“ verwendet (z. B. Kohlenprotoxid als veraltete Bezeichnung für Kohlenmonoxid). Es wird angenommen, dass Hans Fischer den Namen Protoporphyrin als „erste Klasse der Porphyrine“ eingeführt hat.[4] Fischer beschrieb, wie das um Eisen beraubte Häm zum „Proto-“Porphyrin wird, insbesondere in Bezug auf Hugo Kammerers Porphyrin.[5][3] Nach aktueller Nomenklatur bezeichnet die Vorsilbe „Proto-“ eine Porphyrinart mit Methyl-, Vinyl- oder Carboxyethyl-/Propionat-Seitengruppen.[6] Fischer entwickelte auch das 15 Protoporphyrin-Spezies umfassende Nomenklatursystem auf Basis römischer Zahlen. Dieses Nomenklatursystem ist jedoch nicht systematisch.[7] Ein alternativer Name für Häm ist Eisenprotoporphyrin IX (Eisen-PPIX). PPIX enthält vier Methylgruppen (M), zwei Vinylgruppen (V) und zwei Propionsäuregruppen (P). Das Suffix „IX“ zeigt an, dass diese Ketten in der Reihenfolge MV-MV-MP-PM an den folgenden Positionen auftreten: c2,c3-c7,c8-c12,c13-c17,c18.[7] Die Methinbrücken von PPIX werden als Alpha (c5), Beta (c10), Gamma (c15) und Delta (c20) bezeichnet. Bei Häm führt die Metabolisierung durch Hämoxygenase zur selektiven Öffnung der Alpha-Methinbrücke, wodurch Biliverdin/Bilirubin entsteht. In diesem Fall trägt das resultierende Bilin (=Gallenfarbstoff) das Suffix IXα, was darauf hinweist, dass das Stammmolekül Protoporphyrin IX an der Alpha-Position gespalten wurde. Eine nicht-enzymatische Oxidation kann zur Ringöffnung an anderen Brückenpositionen führen.[8] Die Verwendung griechischer Buchstaben in diesem Zusammenhang geht auf die Pionierarbeit von Georg Barkan im Jahr 1932 zurück.[9]

Natürliches Vorkommen

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Protoporphyrin IX ist eine Vorstufe zu zahlreichen natürlich vorkommenden Komplexverbindungen. In diesen sind die beiden inneren Wasserstoffatome durch ein zweiwertiges Metall-Kation ersetzt. In Komplexierung mit einem Eisen(II)-Kation wird das Molekül als Häm bezeichnet. Häme sind Cofaktoren in einigen wichtigen Proteinen. Zu diesen Häm-haltigen Proteinen gehören Hämoglobin, Myoglobin und Cytochrom c. Auch mit anderen Metallionen, wie etwa Zink, können Komplexe gebildet werden.[10]

Biosynthese

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Die Verbindung wird aus azyklischen Vorstufen über ein Monopyrrol (Porphobilinogen) und dann ein Tetrapyrrol (ein Porphyrinogen, namentlich Uroporphyrinogen III) synthetisiert. Diese Vorstufe wird in Protoporphyrinogen IX umgewandelt, das zu Protoporphyrin IX oxidiert wird.[10] Der letzte Schritt wird durch das Enzym Protoporphyrinogen-Oxidase (PPO) vermittelt.

 

Protoporphyrin IX ist ein wichtiger Vorläufer biologisch essentieller Cofaktoren wie Häm, Cytochrom C und Chlorophyllen. Daher sind zahlreiche Organismen in der Lage, das zyklische Tetrapyrrol aus Basisvorläufern wie Glycin und Succinyl-CoA oder Glutaminsäure zu synthetisieren. Trotz der großen Bandbreite an Organismen, die Protoporphyrin IX synthetisieren, blieb der Synthese-Prozess von Bakterien bis zu Säugetieren weitgehend erhalten, mit einigen deutlichen Ausnahmen bei höheren Pflanzen.[11][12][13]

Bei der Biosynthese dieser Moleküle wird das Metallkation durch Enzyme, sogenannte Chelatasen, in Protoporphyrin IX eingefügt. Beispielsweise wandelt Ferrochelatase die Verbindung in Häm B um (d. h. in Fe-Protoporphyrin IX oder Protohäm IX). Bei der Chlorophyllbiosynthese wandelt es das Enzym Magnesiumchelatase in Mg-Protoporphyrin IX um.

Metalloprotoporphyrin IX-Derivate

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Protoporphyrin IX reagiert mit Eisensalzen in der Luft zu dem Komplex FeCl(PPIX).[14] Häm in Koordination mit Chlor wird als Hämin bezeichnet. Viele Metalle bilden Häm-ähnliche Komplexe, wenn sie mit PPIX koordiniert werden. Von besonderem Interesse sind Kobalt-Derivate, da sie ebenfalls als Sauerstoffträger fungieren können.[15] Andere Metalle wie Nickel, Zinn oder Chrom wurden auf ihren therapeutischen Wert untersucht.[16] Palepron ist das Dinatriumsalz von Protoporphyrin IX.[17]

Therapeutische Anwendung

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Die Verbindung zeigt bei Anregung im blauen sichtbaren Bereich und im nahen UV eine deutliche Fluoreszenz im sichtbaren roten Spektrum. Diese Fluoreszenz wird in der Fluoreszenzdiagnostik (Photodynamischen Diagnostik) zur Lokalisierung von Tumoren verwendet. Dabei wird die PPIX-Konzentration durch Gabe von 5-Aminolävulinsäure (5-ALA) als Prodrug in Gewebe mit hoher Stoffwechselaktivität erhöht, sodass dieses durch die Fluoreszenz lokalisiert werden kann.[18][19] Eine Anwendung der PPIX-basierten Fluoreszenzdiagnostik zur gezielten Behandlung von Endometriose wurde in mehreren Studien untersucht.

Eine typische Nebenwirkung der Behandlung ist Lichtempfindlichkeit die über einige Stunden anhält. Durch die Gabe von 5-ALA wird eine große Menge an PPIX im Körper produziert. Da die Verbindung im sichtbaren Bereich absorbiert, wird entsprechend mehr Lichtenergie in den Körper eingetragen.

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Commons: Protoporphyrin IX – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. M. Sachar, K. E. Anderson, X. Ma: Protoporphyrin IX: The Good, the Bad, and the Ugly. In: Journal of Pharmacology and Experimental Therapeutics. 356. Jahrgang, Nr. 2, 2016, S. 267–275, doi:10.1124/jpet.115.228130, PMID 26588930, PMC 4727154 (freier Volltext).
  2. Winslow S. Caughey, James A. Ibers: Crystal and Molecular Structure of the Free Base Porphyrin, Protoporphyrin IX Dimethyl Ester. In: J. Am. Chem. Soc. 99. Jahrgang, Nr. 20, 1977, S. 6639–6645, doi:10.1021/ja00462a027, PMID 19518.
  3. a b Torben K. With: A short history of porphyrins and the porphyrias. In: International Journal of Biochemistry. 11. Jahrgang, Nr. 3–4, 1. Januar 1980, ISSN 0020-711X, S. 189–200, doi:10.1016/0020-711X(80)90219-0, PMID 6993245 (englisch, sciencedirect.com).
  4. Maria da G.H. Vicente, Kevin M. Smith: Syntheses and Functionalizations of Porphyrin Macrocycles. In: Current Organic Synthesis. 11. Jahrgang, Nr. 1, 2014, ISSN 1570-1794, S. 3–28, doi:10.2174/15701794113106660083, PMID 25484638, PMC 4251786 (freier Volltext).
  5. Hans Fischer: On haemin and the relationships between haemin and chlorophyll. In: Nobel Prize. 1930;.
  6. Ana Carolina de Oliveira Neves, Ismael Galván: Models for human porphyrias: Have animals in the wild been overlooked? In: BioEssays. 42. Jahrgang, Nr. 12, 2020, ISSN 1521-1878, S. 2000155, doi:10.1002/bies.202000155, PMID 33155299 (englisch, wiley.com).
  7. a b G. P. Moss: Nomenclature of tetrapyrroles. Recommendations 1986 IUPAC-IUB Joint Commission on Biochemical Nomenclature (JCBN). In: European Journal of Biochemistry. 178. Jahrgang, Nr. 2, 15. Dezember 1988, ISSN 0014-2956, S. 277–328, doi:10.1111/j.1432-1033.1988.tb14453.x, PMID 3208761.
  8. Paul D. Berk, Nathaniel I. Berlin: International Symposium on Chemistry and Physiology of Bile Pigments. U.S. Department of Health, Education, and Welfare, Public Health Service, National Institutes of Health, 1977 (englisch, google.com).
  9. Georg Barkan, Otto Schales: A Hæmoglobin from Bile Pigment. In: Nature. 142. Jahrgang, Nr. 3601, 1938, ISSN 1476-4687, S. 836–837, doi:10.1038/142836b0, bibcode:1938Natur.142..836B (englisch, nature.com).
  10. a b Paul R. Ortiz de Montellano: Hemes in Biology (= Wiley Encyclopedia of Chemical Biology). John Wiley & Sons, 2008, ISBN 978-0-470-04867-2, S. 1–10, doi:10.1002/9780470048672.wecb221.
  11. A. R. Battersby, C. J. R. Fookes, G. W. J. Matcham, E. McDonald: Biosynthesis of the pigments of life: formation of the macrocycle. In: Nature. 285. Jahrgang, Nr. 5759, 1980, S. 17–21, doi:10.1038/285017a0, PMID 6769048, bibcode:1980Natur.285...17B.
  12. F. J. Leeper: The biosynthesis of porphyrins, chlorophylls, and vitamin B12. In: Natural Product Reports. 2. Jahrgang, Nr. 1, 1983, S. 19–47, doi:10.1039/NP9850200019, PMID 3895052.
  13. G. Layer, J. Reichelt, D. Jahn, D. W. Heinz: Structure and function of enzymes in heme biosynthesis. In: Protein Science. 19. Jahrgang, Nr. 6, 2010, S. 1137–1161, doi:10.1002/pro.405, PMID 20506125, PMC 2895239 (freier Volltext).
  14. Chang, C. K., DiNello, R. K., Dolphin, D.: [[Inorganic Syntheses]]. Band 20, 2007, ISBN 978-0-470-13251-7, Iron Porphines, S. 147–155, doi:10.1002/9780470132517.ch35.
  15. Sı́Lvio L.P Dias, Yoshitaka Gushikem, Emerson S. Ribeiro, Edilson V. Benvenutti: Cobalt(II) hematoporphyrin IX and protoporphyrin IX complexes immobilized on highly dispersed titanium(IV) oxide on a cellulose microfiber surface: Electrochemical properties and dissolved oxygen reduction study. In: Journal of Electroanalytical Chemistry. 523. Jahrgang, Nr. 1–2, 2002, S. 64–69, doi:10.1016/S0022-0728(02)00722-2.
  16. Hendrik J. Verman, Bradley C. Ekstrand, David K. Stevenson: Selection of Metalloporphyrin Heme Oxygenase Inhibitors Based on Potency and Photoreactivity. In: Pediatric Research. 33. Jahrgang, Nr. 2, 1993, S. 195–200, doi:10.1203/00006450-199302000-00021, PMID 8433895.
  17. PubChem: Protoporphyrin disodium. In: pubchem.ncbi.nlm.nih.gov. Abgerufen am 15. April 2021 (englisch).
  18. Pietro Zeppa, Raffaele De Marco, Matteo Monticelli, Armando Massara, Andrea Bianconi, Giuseppe Di Perna, Stefania Greco Crasto, Fabio Cofano, Antonio Melcarne, Michele Maria Lanotte, Diego Garbossa: Fluorescence-Guided Surgery in Glioblastoma: 5-ALA, SF or Both? Differences between Fluorescent Dyes in 99 Consecutive Cases. In: Brain Sciences. 12. Jahrgang, Nr. 5, 26. April 2022, ISSN 2076-3425, S. 555, doi:10.3390/brainsci12050555, PMID 35624942, PMC 9138621 (freier Volltext) – (englisch).
  19. Giuseppe Palmieri, Fabio Cofano, Luca Francesco Salvati, Matteo Monticelli, Pietro Zeppa, Giuseppe Di Perna, Antonio Melcarne, Roberto Altieri, Giuseppe La Rocca, Giovanni Sabatino, Giuseppe Maria Barbagallo, Fulvio Tartara, Francesco Zenga, Diego Garbossa: Fluorescence-Guided Surgery for High-Grade Gliomas: State of the Art and New Perspectives. In: Technology in Cancer Research & Treatment. 20. Jahrgang, 1. Januar 2021, ISSN 1533-0346, S. 153303382110216, doi:10.1177/15330338211021605, PMID 34212784, PMC 8255554 (freier Volltext) – (englisch).