Pfisterer (Unternehmen)

Hersteller von Hochspannungskabelgarnituren und Systemanbieter im Bereich der Energieinfrastruktur

Die Pfisterer Unternehmensgruppe ist ein weltweit tätiger Hersteller von Hochspannungskabelgarnituren und Systemanbieter im Bereich der Energieinfrastruktur. Rund 2.700 Mitarbeiter entwickeln, produzieren und vertreiben Bauteile und Komplettlösungen für alle Schnittstellen in den Bereichen Niederspannung, Mittelspannung, Hochspannung und Höchstspannung. Die Produkte für alle Spannungsebenen von 110 V bis 1.100 kV werden u. a. in Stromnetzen, Offshore-Windkraftanlagen, Fahrleitungen elektrischer Eisenbahnen, Freileitungen sowie als Anschluss- und Verbindungskomponenten in industriellen Antrieben eingesetzt. Das deutsch-schweizerische Familienunternehmen, zu dem auch Lapp Insulators[2] gehört, ist in 18 Ländern vertreten.[3]

Pfisterer Holding AG

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Rechtsform Aktiengesellschaft
Gründung 1921
Sitz Winterbach, Deutschland
Leitung Johannes Linden, Konstantin Kurfiss (Stand 4. Juli 2024)
Mitarbeiterzahl 2.316[1]
Umsatz 334,83 Mio. EUR[1]
Branche Elektroindustrie
Website www.pfisterer.com
Stand: 31. Dezember 2018

Geschichte

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Von der Unternehmensgründung bis 1945

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1921 gründete Karl Pfisterer in Stuttgart die „Karl Pfisterer, Fabrik elektrotechnischer Spezialartikel“.[4] Der erste Firmensitz befand sich im Stadtteil Untertürkheim in der damaligen Kelterstraße. In dieser Zeit der Elektrifizierung traten immer wieder Schwierigkeiten mit metallenen Verbindungselementen von Leitern auf. Auf dieses Problem konzentrierte sich der gelernte Elektroinstallateur Karl Pfisterer und entwickelte eine verbesserte Stromarmatur. Die Nachfrage nach den Pfisterer-Armaturen stieg stetig. Der Betrieb wuchs bis 1927 auf 54 Mitarbeiter an und zog um in die Augsburger Straße 375, dem Firmensitz für die nächsten 60 Jahre.[5]

1937 erweiterte Karl Pfisterer sein Geschäftsfeld auf Hochspannungs-Freileitungsarmaturen und Schaltanlagenklemmtechnik. Eine Abspannklemme für Stahl-Alu-Seile ließ er sich patentrechtlich schützen. Außerdem entwickelte Karl Pfisterer die Buntmetall-Schmiedetechnik und erwarb erste Prüfmaschinen für eigene Entwicklungsversuche.

1940 nahm das Unternehmen die Rechtsform einer KG an. 1942 starb der Firmengründer Karl Pfisterer. Sein Sohn, Walter Pfisterer, führte als persönlich haftender Gesellschafter und alleiniger Geschäftsführer die Arbeit seines Vaters fort. Bei einem der Luftangriffe auf Stuttgart wurde am 9. Dezember 1944 die Produktionsstätte in Stuttgart-Untertürkheim völlig zerstört.

Von der Nachkriegszeit bis heute

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Firmenzentrale in Winterbach

Der Wiederaufbau des Unternehmens erfolgte in den 1950er-Jahren. 1954 wurde eine neue Fabrik in der Inselstraße in Stuttgart-Untertürkheim fertiggestellt. Mit der Firma SEFAG im schweizerischen Malters entstand 1957 die erste Auslandsniederlassung.[6] Der Einstieg in die großtechnische Verwendung von Kunststoffen begann 1962 mit dem neuen Werk in Winterbach. 1968 erfand Pfisterer die Schraubkompaktklemme, die ab Ende der 1960er-Jahre für alle Neubauten in Deutschland zum technischen Standard wurde beim Anschluss an unterirdisch verlegte Stromnetze.[7] Ein Jahr später erhielt Pfisterer das Patent auf kompakte Schaltleisten für die Niederspannungsverteilung und setzte diese in die für die damalige Zeit neuartigen Kunststoffverteilerschränke ein.[8]

1971 trat mit Karl-Heinz Pfisterer dem Sohn von Walter Pfisterer, die dritte Generation der Familie in das Unternehmen ein.[9] Pfisterer verstärkte in den 1970er-Jahren sein Engagement im Ausland. Das internationale Renommee im Freileitungsbau führte zu einem außergewöhnlichen Auftrag: Um die Elemente des Glasdaches im Münchner Olympiastadion zusammenzufügen, entwickelte und fertigte Pfisterer spezielle Verbindungselemente. 1975, im Jahr des 50. Firmenjubiläums, erhielt Pfisterer das Patent auf das Kabelanschluss-System Connex für Mittelspannungsanwendungen.[10] Damit wurde es möglich, Mittelspannungs-Verbindungen mit werkseitig geprüften Komponenten modular aufzubauen.

In Winterbach entstand 1986 die Pfisterer Holding AG. Nach einer Umstrukturierung wurde der Sitz der Hauptverwaltung in Stuttgart-Untertürkheim angesiedelt, die Teilefertigung in Gussenstadt und die Montage in Winterbach. Neue Anwendungsfelder kamen im Jahr 2000 hinzu. Pfisterer erweiterte seine Aktivitäten auf Verkehrstechnik, neue Energien und industrielle Anwendungen. In der Bahntechnik wurde erstmals das Niederspannungssystem Plug[11] eingesetzt, das hohe Ströme bei widrigen Umgebungsbedingungen überträgt.

2001 gab Pfisterer den Standort in Stuttgart-Untertürkheim auf und verlegte die Firmenzentrale nach Winterbach. Die Pfisterer-Gruppe konzentrierte 2004 ihre Geschäftsgebiete in den vier länderüber,[12] Freileitungssysteme (Malters/Schweiz) und Fahrleitungssysteme (Barcelona/Spanien).

2015 stieß Pfisterer das umfassende Investitions- und Wachstumsprogramm „Next Level“ an.[13] In diesem Zuge entsteht ein neuer Produktionsstandort im tschechischen Kádan. Durch den Erwerb von Lapp Insulators, einem der größten Anbieter von Hochspannungsisolatoren aus Porzellan und Verbundstoffen, erlangte die Firmengruppe eine führende Position auf dem Weltmarkt für Hochspannungsisolatoren.[14] Auch das von Pfisterer neu entwickelte hybride Energiesystem Crosspower wurde 2015 zum ersten Mal in der Praxis eingesetzt. Das intelligente Managementsystem balanciert die unterschiedliche Stromerzeugung aus Windturbinen, Solarzellen und Dieselgeneratoren aus und macht damit eine zuverlässige, dezentrale Stromversorgung aus regenerativen Quellen möglich.[15]

Unternehmensstruktur

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Neben dem Hauptsitz der Firmenzentrale in Winterbach betreibt die Pfisterer-Gruppe Produktionsstätten in Europa, Nord- und Südamerika und Südafrika sowie Vertriebsniederlassungen in 18 Ländern Europas, Asiens, Afrikas, Südamerikas und den USA.[16] Das Unternehmen ist bis heute zu 100 Prozent im Besitz der Familie Pfisterer. 2023 wurde die Pfisterer Group in eine Europäische Aktiengesellschaft (SE) umgewandelt und Familie und Unternehmensleitung getrennt. Karl-Heinz Pfisterer, langjähriger Geschäftsführer und später Vorsitzender des Aufsichtsrates, wurde am 29. Juni 2023 zum Ehrenvorsitzenden des Aufsichtsrates ernannt. Langfristig möchte er seine Aktienanteile an die gemeinnützige KAP Stiftung übertragen.[17]

Produkte

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Straßenbahnoberleitung mit TENSOREX-Spannsystem und Nachspannfeder von Siemens

Das Sortiment der Pfisterer-Gruppe umfasst Produkte, Systeme und Dienstleistungen zum Aufbau von Energienetzen. Damit deckt Pfisterer als einer von wenigen Herstellern weltweit den gesamten Weg von der Energieerzeugung bis zur Energieverteilung ab.

Zur Produktpalette von Pfisterer zählen im Wesentlichen:

  • Isolatoren für Freileitungen und Schaltanlagen
  • Isolatorenketten für Hochspannungs-Freileitungen
  • Anschlusssysteme für Kabel, Transformatoren und gasisolierte Schaltanlagen (CONNEX)
  • Öl- und gasfreie Endverschlüsse für Hochspannungskabel (IXOSIL)
  • Kabelmuffen für Hochspannungskabel (IXOSIL, CONNEX)
  • Projektierung und Errichtung von Hochspannungs-Kabelanlagen
  • Federnachspannsysteme für die Oberleitungen elektrischer Bahnen (TENSOREX)
  • Verbindungselemente, Isolatoren und Aufhängungen für Fahrleitungen
  • Verbinder mit stufenlosen Abreißschrauben für Mittel- und Hochspannungskabel (SICON)
  • Hybride Stromerzeugungssysteme für Microgrids auf Basis erneuerbarer und konventioneller Energiequellen (CROSSPOWER) (2)
  • Kabelanschlussklemmen für Verteiltransformatoren (2DIREKT)
  • Abzweigklemmen für die Ortsnetzverkabelung (ISICOMPACT)
  • Steckbare Hochstromanschlüsse für Züge, Windkraftanlagen und Industrieanwendungen (PLUG)
  • Spannungsprüfer (KP-Test), Erdungs- und Kurzschließgarnituren für Nieder-, Mittel- und Hochspannung

Literatur

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  • Walter Pfisterer: Ein schwäbischer Unternehmer erinnert sich. Eine Familien- und Firmengeschichte. Stuttgart 1987.

Einzelnachweise

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  1. a b Konzernabschluss zum 31. Dezember 2018 im elektronischen Bundesanzeiger
  2. Lapp Insulators
  3. Pfisterer stärkt Markt und Technologieposoition durch den Erwerb von Lapp Insulators in Windkraft Journal (6.10.2015)
  4. Walter Pfisterer: Ein schwäbischer Unternehmer erinnert sich. Eine Familien- und Firmengeschichte. Stuttgart 1987, S. 13.
  5. Quelle: Connect 02/2006, Seite 4.
  6. Geschichte. Sefag Components AG, abgerufen am 4. Juli 2024.
  7. Herter Eberhard, Elektrotechnik in Württemberg, B.G. Teubner Stuttgart, Leipzig, 1998.
  8. Entwicklung fördern, innovativ bleiben. PFISTERER, abgerufen am 4. Juli 2024.
  9. Pfisterer Holding AG. Die ErfolgsStrategie, 8. Mai 2016, abgerufen am 4. Juli 2024.
  10. Pfisterer, Kabelsysteme – Kabelgarnituren für Mittelspannungsnetze (Memento vom 1. August 2016 im Internet Archive) (PDF)
  11. Pfisterer PLUG Stecksysteme (Memento vom 1. August 2016 im Internet Archive) (PDF)
  12. Voller Energie in die Welt (Memento vom 1. August 2016 im Internet Archive) in www.swp.de (05.05.2015)
  13. Lanco und Pfisterer in Winterbach – Nachbarn auf unterschiedlichen Wegen in www.stuttgarter-nachrichten.de (20.01.2016)
  14. Pfisterer aquires lapp insulators holding power transformer in www.transformers-magazine.com (09.10.2015)
  15. Eurosatory 2016: NATO Energy Security Centre of Excellence Awarded (Memento vom 1. August 2016 im Internet Archive) in www.miltechmag.com (14.06.2016)
  16. Aus Europa um die Welt. PFISTERER, abgerufen am 4. Juli 2024.
  17. Unser Vorstand & Aufsichtsrat. PFISTERER, abgerufen am 4. Juli 2024.