Kryokonservierung

Aufbewahren von Zellen oder Gewebe durch Einfrieren in flüssigem Stickstoff

Unter Kryokonservierung (von altgriechisch κρύος krýos „Kälte, Frost, Eis“ und lateinisch conservare „erhalten, bewahren“) versteht man das Aufbewahren von Zellen oder Gewebe durch Einfrieren in flüssigem Stickstoff. Mit Hilfe dieses Verfahrens ist es möglich, die Vitalität der Zellen nahezu unbegrenzt aufrechtzuerhalten, obgleich das biologische System in den Aggregatzustand eines Festkörpers übergeht. Kryokonservierung kann sowohl bei Pflanzenzellen als auch bei tierischen Zellen angewandt werden, beim Menschen zum Beispiel auch bei Blut, Spermien, Eizellen und Embryonen. Die Lagerung findet in sogenannten Kryobanken statt.

Konservierung von Pflanzenproben
Flüssigstickstofftank

Die konservierten Zellen können so über einen sehr langen Zeitraum in einer Art Kältestarre erhalten werden, in der alle Stoffwechselvorgänge nahezu zum Stillstand kommen. Nach dem Auftauen können die Zellen ihre normalen physiologischen Prozesse wieder aufnehmen. Embryonen können dann zum Beispiel in die Gebärmutterhöhle transferiert werden.

Einzelne Zellen können so schnell eingefroren werden, dass das Wasser nur kleine Eiskristalle bildet. Bei größeren, mehrzelligen Organismen bilden sich beim Einfrieren jedoch aufgrund der zu geringen Temperaturabsenkung im Kern Eiskristalle, die so groß werden, dass sie die Zellwände durchbrechen und damit irreparabel zerstören. Das Einfrieren von Erdbeeren im Gefrierschrank verdeutlicht die Zellschädigungen beim Einfrieren anschaulich: Nach dem Auftauen wirken die Erdbeeren matschig – sie haben Wasser verloren, das aus den beschädigten Zellen ausgetreten ist.

Einsatzgebiete und Möglichkeiten

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Kryokonservierung funktioniert heutzutage bei Zellproben bis hin zu kleinen Organen, wenn man bei vorheriger Präparation der Proben mit richtig abgestimmten Gefrierschutzmitteln zur Behinderung des Wachstums von Eiskristallen diese dann sehr schnell einfriert, also zum Beispiel mit flüssigem Stickstoff auf 77 K (−196 °C) abkühlt (verglasen).

In der Reproduktionsmedizin kommt die Kryokonservierung sowohl als Bestandteil einer Kinderwunschbehandlung mittels Präimplantationsdiagnostik zum Einsatz, als auch im Rahmen von Maßnahmen der Fertilitätsprotektion aus medizinischer Indikation und beim sogenannten Social Freezing (bei dem der Schwangerschaftsbeginn noch nicht sofort angestrebt wird).[1] Es konnte bereits der Nachweis erbracht werden, dass es für den Geburtserfolg nicht von Bedeutung ist, ob bereits befruchtete Eizellen kryokonserviert oder direkt nach der Befruchtung frisch verpflanzt wurden. Dabei scheint auch eine längere Frostperiode kein Problem zu sein, wie die Geburt einer Amerikanerin, die aus einer befruchteten Eizelle hervorging, die über 24 Jahre kryokonserviert war, beweist.[2]

In der Zellbiologie werden Zellen zur Kryokonservierung meist in einem Einfriermedium aus dem Kulturmedium mit Dimethylsulfoxid eingefroren,[3] z. B. in Kulturmedium mit 20 % (V/V) FCS und 10 % (V/V) DMSO. Teilweise wird an Stelle des DMSO auch Ethylenglykol verwendet.[4][5] Bei einer Vitrifikation wird dagegen versucht, die Ausbildung von Eiskristallen beim Kühlen ganz zu vermeiden, z. B. mit konzentrierten Glycerollösungen (17 Mol pro Kilogramm Wasser).[6]

Noch erleiden größere Organe und Organismen beim Kryokonservieren jedoch Schäden, die mit heutigen Mitteln nicht behoben werden können. Ein Erfolg oder Misserfolg von Kryonik wird sich daher erst rückblickend beurteilen lassen.

Natürliche Vorbilder

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Es gibt Frösche wie den Waldfrosch oder Insekten wie die Gallmücke, die ein Einfrieren im Winter bis zu einer bestimmten kritischen Temperatur aufgrund eines körpereigenen Frostschutzmittels (aus Harnstoff und Glucose) Temperaturen im zweistelligen Minusbereich überleben.[7]

In Sibirien wurden Nematoden gefunden, die seit dem Pleistozän vor etwa 42.000 Jahren im Permafrostboden konserviert waren. Trotz der Tatsache, dass sie seit Zehntausenden von Jahren eingefroren waren, wurden zwei Arten dieser Würmer erfolgreich wiederbelebt.[8]

Versuche konnten nachweisen, dass verschiedene Moose, wie das kleine Blasenmützenmoos, bei −135 °C über mehrere Jahre kryokonserviert werden, ohne ihre Regenerationsfähigkeit zu verlieren.[9]

Literatur

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  • H. M. Schumacher: Vollständig erstarrt, aber nicht tot: Kryolagerung von Pflanzen bei ultratiefen Temperaturen. In Nicole C. Karafyllis: Theorien der Lebendsammlung. Pflanzen, Mikroben und Tiere als Biofakte in Genbanken. Karl Alber, Freiburg 2018, S. 137–168, ISBN 978-3-495-48975-8.
  • R. Frankham, J. D. Ballou, D. A. Briscoe: Introduction to Conservation Genetics. Cambridge University Press, 2002, ISBN 0-521-63985-9.
  • S. Schmitz: Der Experimentator: Zellkultur. Spektrum Akademischer Verlag, 2007, ISBN 978-3-8274-1564-6.

Einzelnachweise

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  1. Wenn eine Verschiebung der Reproduktiven Phase (des Kinderwunsches) notwendig wird Universitätsklinikum Düsseldorf, aufgerufen am 3. Dezember 2021
  2. Aus kryokonservierten Embryonen gehen ebenso viele Kinder hervor wie aus "frisch" verpflanzten Scinexx, aufgerufen am 3. Dezember 2021
  3. Z. Shu, S. Heimfeld, D. Gao: Hematopoietic SCT with cryopreserved grafts: adverse reactions after transplantation and cryoprotectant removal before infusion. In: Bone Marrow Transplantation. Band 49, Nummer 4, April 2014, S. 469–476, doi:10.1038/bmt.2013.152. PMID 24076548, PMC 4420483 (freier Volltext).
  4. Y. Agca, J. Liu, A. T. Peter, E. S. Critser, J. K. Critser: Effect of developmental stage on bovine oocyte plasma membrane water and cryoprotectant permeability characteristics. In: Molecular reproduction and development. Band 49, Nummer 4, April 1998, S. 408–415, doi:10.1002/(SICI)1098-2795(199804)49:4<408::AID-MRD8>3.0.CO;2-R. PMID 9508092.
  5. J. A. Bautista, H. Kanagawa: Current status of vitrification of embryos and oocytes in domestic animals: ethylene glycol as an emerging cryoprotectant of choice. In: The Japanese journal of veterinary research. Band 45, Nummer 4, Februar 1998, S. 183–191. PMID 9553322.
  6. A. F. Davidson, C. Glasscock, D. R. McClanahan, J. D. Benson, A. Z. Higgins: Toxicity Minimized Cryoprotectant Addition and Removal Procedures for Adherent Endothelial Cells. In: PloS one. Band 10, Nummer 11, 2015, S. e0142828, doi:10.1371/journal.pone.0142828. PMID 26605546, PMC 4659675 (freier Volltext).
  7. Costanzo, J.P. (2019): Overwintering adaptations and extreme freeze tolerance in a subarctic population of the wood frog, Rana sylvatica. Journal of Comparative Physiology: B 189, 1–15, 2. November 2018. doi:10.1007/s00360-018-1189-7
  8. Anastasia Shatilovich, Vamshidhar R. Gade, Martin Pippel, Tarja T. Hoffmeyer, Alexei V. Tchesunov, Lewis Stevens, Sylke Winkler, Graham M. Hughes, Sofia Traikov, Michael Hiller, Elizaveta Rivkina, Philipp H. Schiffer, Eugene W. Myers, Teymuras V. Kurzchalia: A novel nematode species from the Siberian permafrost shares adaptive mechanisms for cryptobiotic survival with C. elegans dauer larva. In: PLOS Genetics. Band 19, Nr. 7, 27. Juli 2023, ISSN 1553-7404, S. e1010798, doi:10.1371/journal.pgen.1010798, PMID 37498820, PMC 10374039 (freier Volltext) – (plos.org [abgerufen am 28. Juli 2023]).
  9. J. Schulte, R. Reski: High-throughput cryopreservation of 140000 Physcomitrella patens mutants. In: Plant Biol. 6, 2004, S. 119–127. PMID 15045662.