Hadamardsche Lückenreihe

mathematischer Satz

Hadamardsche Lückenreihe ist ein Terminus aus dem mathematischen Teilgebiet der Funktionentheorie. Man versteht darunter eine komplexwertige Potenzreihe mit Entwicklungspunkt Null, deren Koeffizienten einer Lückenbedingung genügen[1][2]

Der Terminus verweist auf den französischen Mathematiker Jacques Hadamard (1865–1963), der in einer wichtigen Arbeit aus dem Jahre 1892 die Beziehungen zwischen den Singularitäten einer holomorphen Funktion und den Koeffizienten ihrer Taylorentwicklung untersuchte. Die hier zugrundeliegende allgemeine Problemstellung ist die Frage nach dem Randverhalten von Potenzreihen. Es geht um die Frage nach den Holomorphiegebieten der zu gegebenen Potenzreihen gehörigen holomorphen Funktionen und darum, inwieweit der Rand des Konvergenzkreises einer Potenzreihe deren natürliche Grenze darstellt.[3][4][5]

Lückenbedingung

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Eine (Hadamardsche) Lückenreihe ist eine komplexe Potenzreihe  , die die folgende Eigenschaft erfüllt:

(HL) Es existiert eine streng monoton wachsende Zahlenfolge   natürlicher Zahlen und eine reelle Zahl   derart, dass gilt:

(HL1) Für       ist stets      .
(HL2) Für       sind stets       und zugleich      , falls    .

Es gilt also:

(HL*)   mit  . Setzt man  , so hat man eine Darstellung  .

Lückensatz von Hadamard

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Der Lückensatz von Hadamard (im englischsprachigen Raum auch Ostrowski-Hadamard Gap Theorem genannt[6]) macht nun die Aussage, dass mittels Hadamardscher Lückenreihen gegebene holomorphe Funktionen nirgends analytisch fortsetzbar sind.

Genauer gesagt gilt:[7][8][9]

Ist eine komplexwertige Potenzreihe       mit dem Konvergenzradius       eine Hadamardsche Lückenreihe, so ist die zugehörige holomorphe Funktion       nirgends über die offene Konvergenzkreisscheibe       hinaus fortsetzbar und der Rand       bildet die natürliche Grenze.

Verwandter Satz: Der Lückensatz von Fabry

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Einer der schärfsten Nichtfortsetzbarkeitssätze ist der Lückensatz von Fabry – so genannt nach dem französischen Mathematiker Eugène Fabry –, der den Hadamardschen Lückensatz sogar umfasst und wie folgt lautet:[10][11][12]

Erfüllt eine komplexwertige Potenzreihe   mit dem Konvergenzradius   die Bedingung  , so ist die zugehörige holomorphe Funktion   nirgends über die offene Konvergenzkreisscheibe   hinaus fortsetzbar und der Rand   bildet die natürliche Grenze.

Zusammenfassung

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Die Aussage beider Sätze lässt sich zusammenfassen wie folgt:

Unter den jeweiligen Bedingungen ist der Konvergenzkreis       das Holomorphiegebiet der zugehörigen holomorphen Funktion     [13]

Zwei Beispiele

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(1)  
(2)  

In beiden Fällen ist das Holomorphiegebiet die Einheitskreisscheibe.[14][15]

Literatur

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  • Heinrich Behnke, Friedrich Sommer: Theorie der analytischen Funktionen einer komplexen Veränderlichen (= Die Grundlehren der mathematischen Wissenschaften in Einzeldarstellungen. Band 77). Springer-Verlag, Berlin / Göttingen / Heidelberg 1965.
  • Alexander Dinghas: Vorlesungen über Funktionentheorie (= Die Grundlehren der mathematischen Wissenschaften in Einzeldarstellungen. Band 110). Springer-Verlag, Berlin / Göttingen / Heidelberg 1961. MR0179329
  • J. Hadamard: Essai sur l’étude des fonctions données par leur développement de Taylor. In: Journ. Math. pur. appl. Band 8, 1892, S. 101–186.
  • J.-P. Kahane: Lacunary Taylor and Fourier series. In: Bull. Amer. Math. Soc. Band 70, 1964, S. 199–213. MR0162919
  • Reinhold Remmert, Georg Schumacher: Funktionentheorie 2 (= Springer-Lehrbuch – Grundwissen Mathematik). 3., neu bearbeitete Auflage. Springer-Verlag, Berlin [u. a.] 2007, ISBN 978-3-540-40432-3.
  • Walter Rudin: Reelle und komplexe Analysis. 2. verbesserte Auflage. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2009, ISBN 978-3-486-59186-6.

Einzelnachweise und Anmerkungen

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  1. Reinhold Remmert, Georg Schumacher: Funktionentheorie 2 (= Springer-Lehrbuch - Grundwissen Mathematik). 3., neu bearbeitete Auflage. Springer-Verlag, Berlin [u. a.] 2007, ISBN 978-3-540-40432-3, S. 249.
  2. In englischsprachigen Quellen spricht man auch von lacunary series; vgl. etwa die Arbeit von Kahane, in: Bull. Amer. Math. Soc., Band 70, S. 199 ff. oder Lacunary series in der englischsprachigen Wikipedia.
  3. Reinhold Remmert, Georg Schumacher: Funktionentheorie 2 (= Springer-Lehrbuch - Grundwissen Mathematik). 3., neu bearbeitete Auflage. Springer-Verlag, Berlin [u. a.] 2007, ISBN 978-3-540-40432-3, S. 241 ff.
  4. Walter Rudin: Reelle und komplexe Analysis. 2. verbesserte Auflage. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2009, ISBN 978-3-486-59186-6, S. 384 ff.
  5. Die Entdeckung natürlicher Grenzen geht laut Remmert / Schumacher, Funktionentheorie 2, S. 121, 251, auf Karl Weierstraß und Leopold Kronecker zurück.
  6. Vgl. Ostrowski-Hadamard Gap Theorem bei MATHWORLD. Die englische Namensgebung hängt damit zusammen, dass der Hadamardsche Lückensatz auf einen Satz von Alexander Markowitsch Ostrowski zurückgeführt werden kann; s. Walter Rudin: Reelle und komplexe Analysis. 2. verbesserte Auflage. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2009, ISBN 978-3-486-59186-6, S. 384 ff.
  7. Heinrich Behnke, Friedrich Sommer: Theorie der analytischen Funktionen einer komplexen Veränderlichen (= Die Grundlehren der mathematischen Wissenschaften in Einzeldarstellungen. Band 77). Springer-Verlag, Berlin / Göttingen / Heidelberg 1965, S. 183.
  8. Reinhold Remmert, Georg Schumacher: Funktionentheorie 2 (= Springer-Lehrbuch - Grundwissen Mathematik). 3., neu bearbeitete Auflage. Springer-Verlag, Berlin [u. a.] 2007, ISBN 978-3-540-40432-3, S. 249.
  9. Walter Rudin: Reelle und komplexe Analysis. 2. verbesserte Auflage. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2009, ISBN 978-3-486-59186-6, S. 385–386.
  10. Der Lückensatz wird in englischsprachigen Quellen oft auch als Fabry’s gap theorem (oder ähnlich) bezeichnet.
  11. Dinghas: Vorlesungen über Funktionentheorie. S. 127 ff.
  12. Reinhold Remmert, Georg Schumacher: Funktionentheorie 2 (= Springer-Lehrbuch - Grundwissen Mathematik). 3., neu bearbeitete Auflage. Springer-Verlag, Berlin [u. a.] 2007, ISBN 978-3-540-40432-3, S. 253.
  13. Der Fall       ist jeweils nicht ausgeschlossen.
  14. Reinhold Remmert, Georg Schumacher: Funktionentheorie 2 (= Springer-Lehrbuch - Grundwissen Mathematik). 3., neu bearbeitete Auflage. Springer-Verlag, Berlin [u. a.] 2007, ISBN 978-3-540-40432-3, S. 250.
  15. Walter Rudin: Reelle und komplexe Analysis. 2. verbesserte Auflage. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2009, ISBN 978-3-486-59186-6, S. 384.