Erdwerk

in der Archäologie ein Bodendenkmal aus Gräben, Wällen und ggf. Palisaden

Als Erdwerk werden in der Archäologie signifikante Bauten aus Erde bezeichnet, also Grabungen und Aufschüttungen unterschiedlicher Größe, Form und Funktion, die in der Regel zu militärischen und/oder kultischen Zwecken angelegt wurden. Insbesondere sind dies Wall-Graben-Anlagen in Europa, aber auch hügel- oder pyramidenförmige Erdanhäufungen, wie beispielsweise die Mounds in Nordamerika. Zu den Grabungen und Aufschüttungen kommen häufiger Palisaden hinzu[1]. In der Archäologie finden die Termini Erdwerk und Grabenwerk sowie Einhegung meist synonym Verwendung.[2]

Der römische Limes bei Lich in Hessen
Die frühmittelalterliche Burg von Szabolcs in Ungarn
Rekonstruktion einer mittelalterlichen, slawischen Wallburg im Freilichtmuseum Groß Raden: Erdwall mit Palisade
Monks Mound bei Cahokia, Illinois (Mississippi, um 900 n. Chr.)
Rekonstruktion der Kincaid-Ausgrabungsstätte mit Mound-Plattformen und Palisade

In Mitteleuropa sind Erdwerke seit der ältesten Epoche der Bandkeramik bekannt und bilden ein Phänomen, das sich in beinahe allen Abschnitten des europäischen Neolithikums wiederfindet.[2]

Erdwerke können Einbauten aus Holz oder Stein enthalten. Die größten bekannten Erdwerke sind Grenzsicherungsanlagen, wie beispielsweise der Obergermanisch-Raetische Limes. Es lassen sich neben Befestigungsanlagen aber auch Erdwerke mit einem zivilen und kultischen Zweck nachweisen.

Erdwerke sind heute meistens nicht mehr an der Erdoberfläche sichtbar, so werden jungsteinzeitliche Erdwerke beispielsweise durch Luftbildarchäologie anhand von Bewuchsanomalien oder Bodenmerkmalen auf Ackerflächen entdeckt, Gräben können bei Schräglicht aus der Luft entdeckt und beobachtet werden.

Im neuzeitlichen Festungsbau bezeichnet der Termninus Erdwerk eine aus Erde aufgeschüttete Befestigungsanlage.

Mögliche Funktionen

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Erdwerke des Neolithikums

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Im europäischen Neolithikum waren kreisförmige Grabenanlagen verbreitet, die ihre Blütezeit in den monumentalen Anlagen des Jungneolithikums fanden.[3] Über ihre genaue Funktion kann nur spekuliert werden: Es gibt drei konkurrierende Ansätze, die zum einen von einer Fortifikation, also einer militärischen Befestigung, zum anderen von der Nutzung als Viehpferch sowie einer kultischen Funktion ausgehen. Die Frage nach dem Zweck der jeweiligen Anlage lässt sich jedoch nur im Einzelfall konkret beantworten.[4]

Anfänge im Alt- und Mittelneolithikum

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Erdwerke in Form von Einfach- oder Doppelgrabenanlagen erscheinen mit der Linearbandkeramischen Kultur (hier etwa 5500–4900 v. Chr.) in Mitteleuropa und sind (mit dem Fundort Eilsleben) für die älteste Phase dieser Kultur belegt. Erdwerke aus der Spätphase der Linearbandkeramischen Kultur sind dabei besonders häufig entdeckt worden.[3]

Archäologische Untersuchungen zeigen, dass die Grabensysteme der Erdwerke unterbrochen waren und aus einer Aneinanderreihung nacheinander gegrabener Gruben bestanden, die nach kurzer Zeit mit organischem oder anderem Material (auch mit menschlichen Knochen) und schließlich mit Erde gefüllt wurden. Dies weist auf eine kultische Nutzung hin. Diese Erdwerke waren entweder im Innenraum mit Häusern bebaut (wie in Herxheim bei Landau in der Pfalz oder in Vaihingen an der Enz) oder sind im Innenraum fast ohne Funde.

Menschen der Stichbandkeramischen Kultur (etwa 4900–4500 v. Chr.) bauten Erdwerke in Form von Kreisgrabenanlagen mit meistens vier Öffnungen und Palisaden.

Ab der Mitte des fünften Jahrtausends v. Chr. wurden Erdwerke seltener, es liegen hier flachere und schmalere, häufig von einer Palisade begleitete Gräben vor.[3] Bekannt sind aus dieser Zeit beispielsweise Erdwerke der Rössener Kultur (etwa 4790–4550 v. Chr.).[4]

Der Zweck der Anlagen lässt sich in einigen Fällen wie etwa der Kreisgrabenanlage von Goseck als eindeutig kultisch, in anderen Fällen als vermutlich fortifikatorisch bestimmen. In anderen Fällen bleibt der Zweck der Anlage oftmals umstritten.

Es kann konstatiert werden, dass während der Bandkeramik Erdwerke vor allem an Standorten größerer Siedlungen als Kennzeichen zentralörtlichen Funktion anzutreffen sind.

Ein wiederkehrendes Merkmal, welches sich durch das gesamte Früh- und Mittelneolithikum zieht, ist eine Assynchronizität zwischen Erdwerk und der damit in Zusammenhang stehenden Siedlung. So wurde beispielsweise im Falle der Siedlung auf dem „Nachtwiesenberg“ bei Esbeck festgestellt, dass der die Siedlung umgebende Doppelgraben erst während der letzten Siedlungsphase angelegt wurde.[3]

Beispiele für Erdwerke der Linearbandkeramischen Kultur

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Beispiele für Mittelneolitische Anlagen

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Erdwerke des Jungneolithikum

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Zunächst wurden die unterbrochenen Erdwerke der Michelsberger Kultur als Verteidigungsanlagen oder Viehgehege gedeutet. Die Erdwerke der Michelsberger Kultur, des Chasséen bzw. des britischen Frühneolithikums weisen zahlreiche Unterbrechungen auf, was sie als Verteidigungsanlage ungeeignet erscheinen lässt. Forscher wie Dixon interpretieren die Unterbrechungen jedoch als Ausfalltore und verweisen auf zahlreiche Funde von Pfeilspitzen, beispielsweise in Crickley Hill, als Beleg einer fortifikatorischen Funktion.

Die Trichterbecherkultur (TBK) errichtete vor allem in der Zeit zwischen 4000 und 3500 v. Chr. Erdwerke in Norddeutschland. Von den im Jahr 1996 bekannten 31 Erdwerken der Trichterbecherkultur liegen 4 in Schleswig-Holstein, eines in Niedersachsen und eines in Schweden. Die 25 dänischen Anlagen verteilen sich auf Jütland (11), Seeland (7) und Fünen (4). Je eine liegt auf Alsen, Bornholm und Langeland.

In England werden die frühen Belege für umschlossene „Komplexe“ in vier Hauptkategorien unterteilt: Pound- und Tor-Einhegungen, Ringanlagen, Hillforts und kleine Einhegungen. Ihre Verteilung ist weiter, aber die Mehrheit liegt in einer breiten Schneise, die sich entlang der Ost- und Südküste von England erstreckt (Kent, Sussex und Wiltshire und die Moore von Dartmoor und Bodmin), wobei die Form von Region zu Region variiert.

Kupferzeit

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Erdwerke und Mauerwerke der Kupferzeit finden sich vor allem im Alentejo in Portugal (Outeiro Alto 2).

Eisenzeit

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Die Viereckschanzen der späten Eisenzeit (4.–2. Jh. v. Chr.) Wall-Graben-Anlage mit quadratischem oder rechteckigem Grundriss, werden als Hof- oder Kultplätze gedeutet.

Die zwischen 800 vor Chr. bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts in Afrika errichteten Mauern von Benin (englisch: Benin Moat) waren bis zu ihrer Zerstörung durch britischen Kolonialtruppen im Jahre 1897 mit einer Länge von 16.000 km das größte von Menschen errichtete Erdwerk weltweit. Sie umschlossen einen Bereich von 6.500 km² Gemeinschaftsland mit etwa 500 Siedlungen.[5]

In Nordamerika finden sich die hügel- oder pyramiden-förmigen, hauptsächlich kultisch genutzten Mounds verschiedener Kulturen vorwiegend im Mittlerer Westen der USA; in Mittelamerika die Erd-Plattformen der dortigen Indianer-Kulturen, beginnend mit den Olmeken.

Ein frühes Beispiel ist Poverty Point, ein aus kreisbogenförmigen Wällen bestehendes Erdwerk im Nordosten des US-Bundesstaates Louisiana. Auf dem nahe dem Mississippi liegenden Gelände befinden sich diese in Größe und Komplexität einzigartige Erdwerke einer präkolumbischen Kultur, die auf die Zeit zwischen dem 18. und dem 10. Jahrhundert v. Chr. datiert werden. Die Anlage besteht aus sechs konzentrischen Erdwällen in Form von Halbringen. Auch sechs Mounds, innerhalb und außerhalb der Halbringe, gehören dazu.

Great Serpent Mound in Ohio ist ein nordamerikanisches Beispiel für ein aller Wahrscheinlichkeit nach rein kultisches Erdwerk in Form einer riesigen Schlange, weitere Effigy Mounds (deutsch etwa "bildhafte Erdwerke") finden sich im Umfeld des Mississippi von Iowa bis Wisconsin.

Siehe auch

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Literatur

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  • Niels H. Andersen: Sarup. Band 1: The Sarup Enclosures. The Funnel Beaker Culture of the Sarup site including two causewaysed camps compared to the contemporary settlements in the area and other European enclosures (= Jysk Arkaeologisk Selskabs Skrifter. 33, 1). Aarhus University Press, Aarhus 1997, ISBN 87-7288-588-2 (Zugleich: Århus, Universität Århus, Dissertation, 1997; Sehr gute Übersicht über das Spektrum neolithischer Erdwerke im gesamten europäischen Raum. Autor ist Vertreter einer durchgehend religiös-kultischen Deutung).
  • Heinz-Dieter Freese: Ein neolithisches Erdwerk an der Weser nahe Stolzenau im Landkreis Nienburg (Weser). In: Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte. Band 79, 2010, S. 3–10, doi:10.11588/nnu.2010.0.68034.
  • Michael Geschwinde, Dirk Raetzel-Fabian: EWBSL. Eine Fallstudie zu den jungneolithischen Erdwerken am Nordrand der Mittelgebirge (= Beiträge zur Archäologie in Niedersachsen. 14). Mit Beiträgen von Ernst Gehrt, Silke Grefen-Peters und Walter Wimmer. VML, Rahden (Westfalen) 2009, ISBN 978-3-89646-934-2 (Erdwerkslandschaft mit der höchsten Konzentration monumentaler Objekte im mitteleuropäischen Raum. Interpretation im Kontext von Ritual und Tranzhumanz).
  • Klaus Grote: Das neolithische Erdwerk von Seulingen im Untereichsfeld, Ldkr. Göttingen. In: Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte. Band 65, Nummer 1, 1996, 21–35, doi:10.11588/nnu.1996.1.47714.
  • Tim Kerig: Von Gräben und Stämmen. Zur Interpretation bandkeramischer Erdwerke. In: Ulrich Veit, Tobias L. Kienlin, Christoph Kümmel, Sascha Schmidt (Hrsg.): Spuren und Botschaften. Interpretationen materieller Kultur (= Tübinger Archäologische Taschenbücher. 4). Waxmann, Münster u. a. 2003, ISBN 3-8309-1229-3, S. 225–244.
  • Benedikt Knoche: Die Erdwerke von Soest (Kr. Soest) und Nottuln-Uphoven (Kr. Coesfeld). Studien zum Jungneolithikum in Westfalen (= Münstersche Beiträge zur ur- und frühgeschichtlichen Archäologie. 3). Mit Beiträgen von Hubert Berke, Jutta Meurers-Balke und Silke Schaumann. VML, Rahden (Westfalen) 2008, ISBN 978-3-89646-281-7 (Diskussion der michelsbergzeitlichen Erdwerke in ihrem historischen und funktionalen Kontext).
  • Robert Koch: Das Erdwerk der Michelsbergerkultur auf dem Hetzenberg bei Heilbronn-Neckargartach. Band 1: Befunde und Funde (= Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg. 3, 1). Theiss, Stuttgart 2005, ISBN 3-8062-1640-1.
  • Robert J. Mercer: Causewayed Enclosures (= Shire Archaeology. 61). Shire, Aylesbury 1990, ISBN 0-7478-0064-2.
  • Dirk Raetzel-Fabian: Calden. Erdwerk und Bestattungsplätze des Jungneolithikums. Architektur – Ritual – Chronologie (= Universitätsforschungen zur prähistorischen Archäologie. 70). Mit Beiträgen von Gerd Nottbohm, Kerstin Pasda, Gesine Weber und Jaco Weinstock. Habelt, Bonn 2000, ISBN 3-7749-3022-8 (Untersuchung zum möglichen Funktionsspektrum monumentaler Erdwerke, Deutung als Ritualplätze).
  • Katja Schmidt, Christian Jeunesse: Bandkeramische Erdwerke – Verteidigungsanlagen? In: Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas. 43 = Varia neolithica 4, 2006, ZDB-ID 2011810-7, S. 83–101.

Einzelnachweise

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  1. die allerdings nicht immer sicher nachgewiesen werden können.
  2. a b Monumentale Erdwerke zwischen Weser und Leine – Denkmalatlas und Objektportal des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege. Abgerufen am 26. Februar 2024.
  3. a b c d Michael Geschwinde: Die Jungneolithischen Erdwerke zwischen Rhein und Elbe. In: Harald Meller, Detlef Gronenborn, Roberto Risch (Hrsg.): Überschuss ohne Staat. Politische Formen in der Vorgeschichte. 10. Mitteldeutscher Archäologentag vom 19. bis 21. Oktober 2017 in Halle (Saale). = Surplus without the State (= Tagungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle (Saale). 18). Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Halle (Saale) 2018, ISBN 978-3-944507-83-5, S. 263–286.
  4. a b Ralf Schwarzer: Befestigungen des Neolithikums in Sachsen-Anhalt. In: Harald Meller (Hrsg.): Früh- und Mittelneolithikum (= Kataloge zur Dauerausstellung im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle. 2, 2). Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Halle (Saale) 2021, ISBN 978-3-948618-28-5.
  5. Aout the Benin Moat. In: The Benin Moat Foundation. 2007, abgerufen am 26. Februar 2024 (englisch).