Das Earnshaw-Theorem ist ein Lehrsatz in der Elektrodynamik. Es besagt, dass es kein statisches Magnet- oder elektrisches Feld gibt, das Objekte in einem stabilen Gleichgewicht halten kann. Es ist benannt nach Samuel Earnshaw, der es 1842 bewies.

Erklärung

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Ein Punkt, an dem ein Probekörper eine stabile Gleichgewichtslage annehmen soll, muss ein Minimum des Potentials sein. Wird der Probekörper aus diesem Minimum wegbewegt, so kostet dies Arbeit. Anschaulich wirkt auf den Probekörper eine rücktreibende Kraft zum Minimum hin.

Die Aussage des Theorems lässt sich direkt aus den Maxwell-Gleichungen folgern. Im quellenfreien Raum ist für ein magnetisches und elektrisches Feld, sowie auch für das Gravitationsfeld und andere  -Felder, die Divergenz gleich 0. Bei überall verschwindender Divergenz gibt es aber bestenfalls Sattelpunkte. Daher gibt es mindestens eine Richtung, in welche der Probekörper keine rücktreibende Kraft erfährt. Auch bei einer beliebig kleinen Auslenkung in diese Richtung wird der Probekörper nicht mehr zum Sattelpunkt zurückkehren.

Als empirische Bestätigung des Theorems galt die Unmöglichkeit, nur mit Dauermagneten stabil schwebende Konstruktionen zu erstellen. Für die magnetische Levitation benötigt man aktiv geregelte, dynamische Felder. Allerdings zeigte 1939 Werner Braunbek – entgegen dem Earnshaw-Theorem –, dass es Magnetfelder gibt, in denen diamagnetische Körper in stabiler Lage schweben könne.

Beweis 1

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Das Theorem kann mit Hilfe mehrdimensionaler Funktionsanalysis gezeigt werden. Sei dazu   das elektrische Potential. Notwendige Bedingung für ein Extremum im Punkt   ist, dass   ist. Eine weitere notwendige Bedingung für ein Extremum ist, dass die Hesse-Matrix   im Punkt   nicht indefinit ist. Weiterhin wird gefordert, dass nicht alle Eigenwerte   sind, da sonst ein Sattelpunkt vorliegt. Zudem soll in einer Epsilonumgebung des Extremums keine Ladung vorhanden sein, denn es geht ja um ein allein durch elektrostatische Felder erreichtes stabiles Gleichgewicht.

 

Unter Verwendung von linearer Algebra und der Maxwell-Gleichungen, mit Ladungsfreiheit folgt aus   dass

 

Daraus folgt, dass, wenn nicht alle Eigenwerte gleich null sind, die Hesse-Matrix indefinit ist und somit kein Extremum vorliegen kann.

Beweis 2 (Beweis durch Widerspruch)

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Satz:

Erfüllt eine Potentialfunktion   in einem Raumgebiet   die Laplace-Bedingung  , so existiert in diesem Raumgebiet   keine stabile Ruhelage.

Beweis:

Wir nehmen an, dass der Punkt   eine stabile Ruhelage in einem Potentialfeld   ist und dass   im Raumgebiet   um die Ruhelage  die Laplace-Bedingung   erfüllt. Die erste notwendige Bedingung für eine stabile Ruhelage ist, dass im Punkt   die Kraft, welche dem negativen Gradienten des Potentialfeldes entspricht, verschwindet:

  [notwendige Bedingung 1]

(Im Gegensatz dazu würde das System vom Punkt   weg beschleunigt werden, falls eine von null verschiedene Kraft am Punkt   existieren würde. Dadurch wäre   keine stabile Ruhelage.) Eine zweite notwendige Bedingung folgt aus der Überlegung, dass falls das System in eine beliebige Richtung   um eine kleine Verschiebung   aus der Ruhelage   bewegt wird, so muss für jede beliebige Richtung   stets eine rücktreibende Kraft zur Ruhelage   hin existieren, welche das System wieder im Punkt   stabilisiert. Definieren wir also eine kleine Hüllenfläche  , welche die Ruhelage   umschließt, so muss das Flussintegral der Kraft   über die Hülle   kleiner null sein:

  [notwendige Bedingung 2]

(Mit anderen Worten: Falls   eine Ruhelage im Potentialfeld   ist, so ist   eine Senke für den Kraftfluss, bzw., der Kraftfluss in der nahen Umgebung von  , ist zu   hin gerichtet.)

Unter Verwendung der Beziehung   und des Gauß'schen Integralsatzes findet sich die äquivalente Formulierung:

  [notwendige Bedingung 2]

wobei   das von der Hüllenfläche   umrandete Volumen ist.

Dies steht im Widerspruch mit den Grundannahmen. Der Punkt   kann keine stabile Ruhelage sein, wenn   im Raumgebiet   um die Ruhelage  die Laplace-Bedingung   erfüllt, da dies der notwendigen Bedingung 2 nicht genügt.

Bemerkung:

Dieser Satz bezieht sich auf die Eigenschaften einer Potentialfunktion   in einem Raumgebiet! Es bezieht sich nicht auf eine lokal punktuelle Eigenschaft. So erfüllt z. B. die Potentialfunktion   im lokalen Punkt   die Eigenschaften   und  . Diese lokal punktuellen Eigenschaften genügen jedoch nicht um zu Schlussfolgern ob   instabil ist. Da in diesem Beispiel der Laplace-Operator angewendet auf die Potentialfunktion das positiv definite Ergebnis   für   liefert, ist die notwendige (Integral-)Bedingung 2 erfüllt und   ist, wie sich durch weitere Untersuchung zeigt, tatsächlich eine stabile Ruhelage. Der Punkt   ist in diesem Beispiel ein Sattelpunkt und ein Minimum.

Beispiel

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Dieses Beispiel verdeutlicht die Aussage des Earnshaw-Theorems. Die Laplacegleichung bzw. die erste Maxwell-Gleichung im quellenfreien Raum lautet:

 

Ein einfaches Beispiel für ein hypothetisches Potential  , das in allen drei Raumrichtungen ( ,   und  ) anziehend wäre, lautet:

 

mit den drei Konstanten a, b, c > 0 (alle drei Konstanten größer Null). Einsetzen in die Laplacegleichung ergibt

 

Damit diese Gleichung erfüllt sein kann, muss aber mindestens eine der drei Konstanten kleiner Null sein. Das bedeutet, dass das Potential in mindestens einer der drei Raumrichtungen abstoßend sein muss. Das widerspricht jedoch der Annahme, dass es ein Potential gibt, das in allen drei Raumrichtungen anziehend ist.

Praktische Bedeutung

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In der experimentellen Physik werden Aufbauten benötigt, die Teilchen fangen können. Aufgrund des Earnshaw-Theorems müssen aufwändigere Methoden als statische Felder verwendet werden.

Ionen können z. B. durch Verwendung von elektrischen Wechselfeldern in einer Ionenfalle gefangen werden. Ein Beispiel hierfür ist die Paul-Falle. In dieser wirkt auf Ionen (aber auch auf elektrisch neutrale Teilchen wie neutrale Atome oder Neutronen) durch ponderomotorische Kräfte bei kleinen Auslenkungen eine rücktreibende Kraft.

Literatur

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  • Samuel Earnshaw: On the nature of the molecular forces which regulate the constitution of the luminiferous ether. In: Transactions of the Cambridge Philosophical Society. Band 7, 1842, ZDB-ID 208399-1, S. 97–112.