Diskussion:Notre-Dame (La Souterraine)

Letzter Kommentar: vor 14 Jahren von Otfried Lieberknecht in Abschnitt Inschriften

Falsche Einordnung der Errichtung der Bauwerksteile in das 12. und 13. Jahrhundert

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Entgegen den in der Kirche aushängenden grafischen Darstellungen der Grundrisse, nach denen das Langhaus im 12. und der gesamte Ostteil der Oberkirche im 13. Jahrhundert entstanden sein sollen, präsentieren sich die örtlichen Befunde anders.

Die Angabe 12. Jahrhundert (schwarze Färbung) für das Langhaus dürfte gänzlich zutreffen. Wände und Gewölbe der Joche eins und zwei sind der Romanik zuzuordnen. Die Wände der Joche drei bis fünf und die Seitenschiffgewölbe gehören zur Stilrichtung der Romanik, ihre Mittelschiffgewölbe zur Frühgotik des 12. Jahrhunderts.

Die Angabe 13. Jahrhundert (graue Färbung) für den Ostteil der Oberkirche ist wahrscheinlich nicht zutreffend. Von außen betrachtet, lässt sich kein Bauelement der sehr geschlossenen Wände der gotischen Stilepoche zuordnen, abgesehen vielleicht vom spitzbogigen Fenster in der östlichen Giebelwand des Chorhauptes. Das gilt auch für die schlanken Fenster zwischen den wuchtigen Strebepfeilern mit angespitzen Rundbögen. Es gilt letztendlich auch für die Innenseiten dieser Wände und für die Fensteröffnungen und der schwachen Belichtung der Räume.

In diesem Zusammenhang gibt auch das Steinmaterial dieser Außenwände und dessen Färbung Auskunft. Die Außenwände mit ihren Strebepfeilern umschließen das Querhaus, seine Kapellen und das Chorhaupt der Oberkirche. Diese Wände und Pfeiler stehen außenseitig oberflächenbündig auf den Außenwänden und Pfeilern der zwischen 1017 und 1022 erbauten Erweiterung der Krypta. Die äußeren Wand- und Pfeileroberflächen bestehen aus exakt dem gleichen Mauerwerk, ohne jegliche Zäsur in Höhe ihren Decken, sowohl in ihrer Färbung oder ihrer Patinierung. Es wäre auch nicht zu erklären, warum die damalige Kryptaerweiterung den zunächst seltsam anmutenden dreigliedrigen Grundriss erhielt, wenn man bei ihrer Planung nicht schon an den passgenauen Umriss der künftigen Aufstockung mit Querhaus und Chorhaupt gedacht hätte.

Dementsprechend kann der Ostabschnitt der Kirche nicht gänzlich dem 13. Jahrhundert zugeordnet werden. Geht man davon aus, dass die Kryptaerweiterung zwischen 1017 und 1022 entstanden ist gehören die auf deren Außenwänden stehenden Wände zur darüber zwischen 1022 und 1060 errichteten ersten Kirche Notre-Dame.

Die inneren Bündelpfeiler, halben Bündelpfeiler an den Wänden und ihre steil aufstrebenden Kreuzgratgewölbe sind dagegen der Hochgotik des 13. Jahrhunderts zuzuordnen. Die Kreuzgratgewölbe der Mittelschiffjoche drei bis fünf und die der Kryptaerweiterung sind wahrscheinlich der Frühgotik in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts zuzuordnen, die der Krypta sind vielleicht auch mit Kreuzrippen nachträglich ausgerüsteten ehemalige Kreuzgratgewölbe. Jochen Jahnke 12:13, 8. Jan. 2010 (CET)Beantworten

 
N.-D. De La Souterraine.Marienskulptur, 12. Jh.
 
N.-D. De La Souterraine.Marienskulptur, um Mitte 11. Jh.

Rätselhafte Überdeckungen thronender Marienstatuen

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Beim Verfassen des Artikels zur Kirche von Notre-Dame de La Souterraine in Frankreich bin ich auf zwei interessante Madonnenfiguren gestoßen, in unterteinander sehr ähnlicher Gestaltung. Die erste, in hell-orangefarbenem Stein, befindet sich über dem Südportal in gleicher Färbung, das zu dem Langhaus aus dem 12. Jahrhundert gehört, die zweite in eher grauem Gestein, findet sich auf einem der Strebepfeiler des südlichen Querhausarms in gleicher Steinfarbe, der um die Mitte des 11. Jahrhunderts erbaut, und Anfang des 13. Jahrhunderts im Innern mit gotischen Stilelementen umgebaut worden ist.

Maria wird in beiden Fällen als gekrönte thronende Himmelskönigin in Frontalansicht dargestellt, mit dem Jesusknaben auf dem Schoß. Dieser erhebt seine Rechte zum Segensgestus und hält auf seinem Körper ein geschlossenes Buch (des Lebens). Maria hält mit der Rechten ein Lilienzepter aufrecht. Am unteren Rand der Krone schaut eine lange glatte Haartracht hervor, oder/ und ein Schleier.

Die erste Skulptur befindet sich möglicherweise nicht auf ihrem ursprünglichen Standort (sh. Befestigung mit Klammern). Vielleicht stammt sie sogar von dem Vorgängerbauwerk, das um die Mitte des 11. Jahrhunderts errichtet und auch der Notre-Dame gewidmet worden sein soll. Die zweite, etwas besser erhaltene, ist in eine rundbogige Nische eingefügt, dessen Einfassung exakt mit dem Fugenbild des umgebenden Mauerwerks übereinstimmt. Die Nische ist jedenfalls für diese Skulptur hergestellt worden. Wenn die Skulptur zusammen mit der Nische entstanden ist, dann wäre das um die Mitte des 11. Jahrhunderts gewesen. Sie könnte aber mit der Nische auch später nachträglich installiert worden sein.

Bei beiden Skulpturen sind keine Nimben feststellbar. Bei der zweiten ist die Form der Krone schwer zu erkenne, Ich sehe über dem unteren Kronenrand zwei Ausbuchtungen (vielleicht zwischen den Zacken) und weiter oben ahne ich zwei Spitzen der Kronenzacken(?)

Rätselhaft erscheinen mir die Gebilde zu sein, die den Kopf Mariens mit etwas Abstand umringen. Bei der ersten Statue habe ich zunächst an eine Art Schutzdach gedacht, das möglicherweise eine hohe Rückenlehne des Throns abschließt. Das könnte auch bei der zweiten so sein (?). Kopf und Krone werden dort aber seitlich und oben mit etwas Abstand von einem halben Rundstab umfasst, der oben halbkreisförmig gebogen ist und an beiden Seiten abwärts und leicht nach außen strebt. Der Rundstab ist in Höhe seiner Bogenansätze gänzlich durchtrennt und seine Enden werden in Höhe des Kinns von je einem Köpfchen abgeschlossen. Auf dem Bogenscheitel ist eine etwas dickere Kugel installiert, über dem auf dem Nischenrand eine Art Tatzenkreuz angebracht ist. Der obere Hintergrund zwischen Krone und Rundstab tritt gegenüber demjenigen, unterhalb des Kronenrandes etwas vor. Man könnte auch auf die Ideekommen, dass das ganze Gebilde mit der Krone verbunden ist, vielleicht als eine Art Gloriole oder Mandorla (?).

Wer kann etwas zur Bedeutung der rätselhaften Gebilde sagen ? Jochen Jahnke 12:19, 8. Jan. 2010 (CET)Beantworten

Inschriften

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Hallo Jochen, ich habe zufällig Deine Anfrage bei Enzian44 bemerkt und habe mir daraufhin die Sache einmal angeschaut. Mit Epigraphik habe ich selbst nur selten -- und dann meist schmerzhafte -- Berührung: man braucht einfach zu viel Erfahrung und spezialisiertes Studium, als daß man antike und oft auch mittelalterliche Inschriften einfach mal so aus dem Stegreif entziffern, die Abkürzungen richtig erkennen und einordnen und den Text zuverlässig deuten könnte. Unter diesem Vorbehalt ein paar Anmerkungen:

*...EXIT......DIACORVS JESVS SO...

*….CAS...........NOVE...ANNO....

Ich nehme an, daß diese [1] Inschrift gemeint ist. Der Erhaltungszustand ist so schlecht, und die Inschrift erscheint mir -- zumindest nach der Photographie, ohne Prüfung des Steins -- so schlecht lesbar (und in Deiner Wiedergabe besonders von DIACORVS auch textlich wenig naheliegend), daß ich darauf verzichten würde, eine Wiedergabe im Artikel zu versuchen, sofern sich nicht eine brauchbare gedruckte Quelle wiedergeben läßt.

Zur zweiten Inschrift:

DIIS MANIBUS NI FILI ITEM PATRIS ITEM ACUS
ET MEMORIAE PAULI MAMORIAE PAULI NERTACI AVI NERT VIVUS POS

"Di(i)s manibus (sacrum)", abgekürzt D.M.(S.), ist eine ursprünglich heidnische, seit der Kaiserzeit verbreitete Weiheformel ("den Göttern der Unterwelt", oder "den Seelen der Verstorbenen" geweiht), zu der es auch einen (überarbeitungsbedürftigen) Artikel gibt. Sie ist üblicherweise vom Namen des Verstorbenen im Genitiv (manchmal auch im Dativ oder Nominativ) gefolgt, weshalb ich vermute, daß das nachfolgende NI die Genitiv-Endung des im Text ausgefallenen Namens ist. So ist wohl auch das "nus" (im Sinne von "[...]nus") in der frz. Übersetzung gemeint. Diese Lesung hängt aber davon ab, ob zwischen MANIBUS und NI wirklich Lettern ausgefallen sind.

Mit ACUS kann ich zunächst überhaupt nichts anfangen. Deine Deutung als acus "Nadel" halte ich für sehr unwahrscheinlich. Normalerweise, wenn vorher Zeichen ausgefallen sind, würde man ACUS als Endung eines gallischen Namens oder Cognomens deuten, wie sie in der zweiten Zeile bei NERT- ja auch zu ergänzen ist. Bist Du sicher, daß ACUS wirklich in die erste und nicht in die zweite Zeile gehört? Der frz. Übersetzer scheint letzteres anzunehmen, da er in der ersten Zeile nichts derartiges übersetzt.

ET MEMORIAE PAULI MAMORIAE PAULI NERTACI AVI wäre zwar übersetztbar, sieht in der Wiederholung aber verdächtig aus.

VIVUS POS ist jedenfalls VIVUS POSuit (mit posuit als der 3. Pers. Singl. Perf. des Verbs ponere, "setzen, stellen, legen") zu lesen: es handelt sich um eine sehr verbreitete, auch abgekürzt als V.P. vorkommende Formel zur Kennzeichnung des Stifters, "setzte/errichtete [es] zu seinen Lebzeiten", in der frz. Übesrsetzung korrekt mit "a de son vivant élévé ce tombeau" wiedergegeben, während Deine versuchsweise Übersetzung aus dem Französischen ("hat sein Leben in diesem Grabmal erhoben") nicht in Betracht kommt.

Die Inschrift bietet im Vergleich zu der ersten mehr Anhaltspunkte für eine Deutung, aber ohne eine Vorstellung von der Anordnung der Lettern auf dem Stein (oder den Steinen? Du sprichts im Artikel von "zwei aneinander stoßenden Steinen") möchte ich mich doch auch hier lieber zurückhalten. Hast Du auch davon eine Photographie?

Grüße, --Otfried Lieberknecht 14:06, 11. Jan. 2010 (CET)Beantworten

P.S.: Ich merke gerade, daß es zu diesen Inschriften bereits einiges nachzulesen gibt und wir uns hier unnötig den Kopf zerbrechen:
  • Émile Esperandieu, Inscriptions de la cité de Lemovices, in: Mémoires de la Société des antiquaires de l'Ovest, 2me série, t. XIII, 1890, p.1-344, hier p.93-97 (no. 29: La Souterraine, zur D.M.-Inschrift)
  • Camille Jouhanneaud, Excursion archéologique à la Souterraine et dans ses environs, in: Bulletin de la Société archéologique et historique du Limousin, 2me série, t. XVIII, 1893, p. 389-475, hier bes. p.393 zur Inschrift der Marienstatue, mit einer gezeichneten Abbildung zwischen p.396/397; p.396-397 zur D.M.-Inschrift, und zu eben dieser auch Annexe A, p.470.
Beide (und einige weitere älere Publikationen speziell zur D.M.-Inschrift) kannst Du bei Google Books mit US-Proxy im Volltext erreichen. --Otfried Lieberknecht 15:20, 11. Jan. 2010 (CET). Außerdem hier [2] ein Link auf www.culture.gouv.fr mit kurzer Beschreibung und Photographien beider Teile der D.M.-Inschrift. --Otfried Lieberknecht 16:06, 11. Jan. 2010 (CET). Und hier [3] noch ein Link auf www.patrimoine-de-france.org zur Marienstatue, mit Lesung der Inschrift wie bei Jouhanneaud (bei dem Klammerzusatz "commanditaire", den diese Seite dem Namen des Stifters Jacques d'Aubusson hinzufügt, wäre ich allerdings vorsichtig, da möglicherweise Verwechslung mit einem Kommendatarabt dieses Namens im 15. Jh. vorliegt: Jacobus d'Aubusson, abbas commendatarius sancti Severini de Castro Nantone = Châteaulandon, Château-Landon, Diöz. Sens). --Otfried Lieberknecht 17:17, 11. Jan. 2010 (CET)Beantworten