Dignitatis humanae

katholische Erklärung über die Religionsfreiheit

Dignitatis humanae (lat. für „Würde des Menschen“) heißt, nach ihren Anfangsworten, die Erklärung über die Religionsfreiheit, die vom Zweiten Vatikanischen Konzil formuliert und am 7. Dezember 1965 von Papst Paul VI. promulgiert wurde.

Zweites Vatikanisches Konzil

Wesentlicher Inhalt der Erklärung ist die Anerkennung der Gewissens- und Religionsfreiheit als Menschenrecht durch die römisch-katholische Kirche:

„Das Vatikanische Konzil erklärt, daß die menschliche Person das Recht auf religiöse Freiheit hat. Diese Freiheit besteht darin, daß alle Menschen frei sein müssen von jedem Zwang sowohl von seiten einzelner und gesellschaftlicher Gruppen, wie jeglicher menschlicher Gewalt, so daß in religiösen Dingen niemand gezwungen wird, gegen sein Gewissen zu handeln, noch daran gehindert wird, privat und öffentlich, als einzelner oder in Verbindung mit anderen […] nach seinem Gewissen zu handeln“

DH 2

Bedeutung

Bearbeiten

Dignitatis humanae ist „kein Anhängsel des Konzils, sondern konkretisiert die Grundoptionen der Offenbarungs- und Kirchenlehre“.[1] Mit dieser Erklärung vollzog die katholische Kirche – so die Einschätzung der Mehrzahl der Theologen – „eine grundlegende Neupositionierung und auch eine Korrektur ihrer Lehre“.[2] Die Ablehnung der Religionsfreiheit kulminierte 1864 in der Enzyklika Quanta cura Papst Pius’ IX. und dem ihr angefügten Verzeichnis der Irrtümer, dem sogenannten Syllabus errorum.[3] Wegen dieser rigorosen Ablehnung der Religionsfreiheit als Menschenrecht[4] wurde diese Neupositionierung als „kopernikanische Wende“ der katholischen Kirche, nämlich vom „‚Recht der Wahrheit‘ zum ‚Recht der Person‘“, bezeichnet, deren Bedeutung „kaum hoch genug eingeschätzt werden“ könne.[5] In ihr wird für die Lehre von der Freiheit und dem Recht der menschlichen Person, von den Aufgaben und Befugnissen des Staates in religiösen Dingen „[…] ein neuer Boden gewonnen, der es erlaubt, überholte und unhaltbare Positionen der kirchlichen Lehre aufzugeben, ohne doch den Wahrheitsanspruch des katholischen Glaubens in Frage zu stellen“.[6]

Zu einer etwas vorsichtigeren Einschätzung kam der US-amerikanische Jesuit John Courtney Murray (1904–1967), der beim Konzil der maßgebliche theologische Berater der Bischöfe aus den USA gewesen war, da er beim Begriff „kirchliche Lehre“ nicht allein das päpstliche Lehramt in den Blick nahm, sondern die Breite der theologischen Schulen und Entwürfe im Laufe der Jahrhunderte. In einer Studie zu Inhalt und Vorgeschichte von Dignitatis humanae legte er dar, dass die Konzilserklärung kein „Bruch“ mit der bisherigen Lehre gewesen sei, sondern dass sie aus einer langen (wenn auch nicht vorherrschenden) freiheitlichen theologischen Tradition hervorging.[7]

Textausgaben

Bearbeiten
  • LThK², Das Zweite Vatikanische Konzil II, Freiburg 1967, S. 703–748 (lateinisch-deutscher Paralleltext, ausführlich eingeleitet und kommentiert von Pietro Pavan).

Literatur

Bearbeiten

in der Reihenfolge des Erscheinens

  • John Courtney Murray: Zum Verständnis der Entwicklung der Lehre der Kirche über die Religionsfreiheit. In: Jérôme Hamer, Yves Congar (Hrsg.): Die Konzilserklärung über die Religionsfreiheit. Verlag der Bonifacius-Druckerei, Paderborn 1967.
  • Roman A. Siebenrock: Theologischer Kommentar zur Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae. In: Herders Theologischer Kommentar zum Zweiten Vatikanischen Konzil. Freiburg 2005, Band 4, S. 125–218 (dort S. 208–218 auch eine relativ ausführliche Bibliographie).
  • Karl Gabriel, Christian Spieß, Katja Winkler (Hrsg.): Religionsfreiheit und Pluralismus. Entwicklungslinien eines katholischen Lernprozesses. Paderborn 2010.
  • Roman A. Siebenrock: Das Evangelium der Würde des Menschen. Dignitatis humanae – eine anhaltende Provokation. In: Concilium, Jg. 52 (2016), S. 418–425.
Bearbeiten

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Roman A. Siebenrock: Das Evangelium der Würde des Menschen. Dignitatis humanae – eine anhaltende Provokation. In: Concilium, Jg. 52 (2016), S. 418–425, hier S. 421.
  2. Karl Gabriel, Christian Spieß, Katja Winkler: Die Anerkennung der Religionsfreiheit auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil, Paderborn 2013, S. 7.
  3. Vgl. Konrad Hilpert: Die Anerkennung der Religionsfreiheit. In: Stimmen der Zeit, 12/2005, S. 809–819, hier S. 813.
  4. Vgl. auch Reinhold Sebott: ‚Dignitatis humanae‘ und ‚Quanta cura‘ – Die Verurteilung der Religionsfreiheit vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil. In: Karl Gabriel, Christian Spieß, Katja Winkler: Die Anerkennung der Religionsfreiheit auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Paderborn 2013, S. 83–91.
  5. Ernst-Wolfgang Böckenförde: Einleitung zur Textausgabe der ‚Erklärung über die Religionsfreiheit‘. In: Deutsche Bischofskonferenz (Hrsg.): Erklärung über die Religionsfreiheit. Münster 1968, S. 5–21, hier S. 9.
  6. Ernst-Wolfgang Böckenförde: Einleitung zur Textausgabe der ‚Erklärung über die Religionsfreiheit‘. In: Deutsche Bischofskonferenz (Hrsg.): Erklärung über die Religionsfreiheit. Münster 1968, S. 5–21, hier S. 5.
  7. John Courtney Murray: Zum Verständnis der Entwicklung der Lehre der Kirche über die Religionsfreiheit. In: Jérôme Hamer, Yves Congar (Hrsg.): Die Konzilserklärung über die Religionsfreiheit. Verlag der Bonifacius-Druckerei, Paderborn 1967, S. 125–165.