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Der Brief des Judas ist das drittkürzeste Buch des Neuen Testaments mit 458 Wörtern.[1] Der Judasbrief besteht aus nur einem Kapitel, das seit der frühen Neuzeit in 25 Verse eingeteilt ist. Es handelt sich um eine Mahnrede, für den einzigen wahren Glauben zu kämpfen und nicht den Irrlehrern zu verfallen, die sich in die Gemeinde eingeschlichen haben. Ursprünglich wollte der Verfasser einen Lehrbrief zum Thema der Errettung schreiben, doch die Infiltration von Irrlehrern und unmoralischen Personen veranlasste ihn zur überlieferten Mahnrede.

Verfasser

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Der Verfasser nennt sich Judas, ein Knecht Jesu Christi und Bruder des Jakobus. Der Name kann sich auf den Herrenbruder Jakobus beziehen, den (ältesten) Bruder oder Vetter Jesu, späteren Leiter der Jerusalemer Urgemeinde, da einer der Brüder Jesu Judas (Mk 6,3 EU) hieß.[2] Dass sich der Verfasser des Judasbriefes nicht direkt als Bruder Jesu bezeichnet, könnte dann als ein Ausdruck besonderer Ehrfurcht gedeutet werden. Möglich wäre auch, dass besagter Jakobus in den Gemeinden, an die Judas schrieb, eine bedeutende Stellung eingenommen hat und dass sich Judas deshalb auf Jakobus bezog.[3]

Der Name Judas war damals häufig, und manchmal wurde auch der Apostel Thomas als Judas Thomas bezeichnet.[4]

Die Kirchenväter bezogen diese Angabe auf Judas Thaddäus, der in Lk 6,16 EU und Apg 1,13 EU als einer der Apostel mit dem Zusatz des Jakobus Sohn genannt wird. Er ist nicht mit dem anderen Apostel namens Judas Iskariot zu verwechseln. Welcher Jakobus sein Bruder, welcher sein Vater war, ist nicht klar. Jakobus, Sohn des Alphäus (Jakobus der Jüngere, Lk 6,15 EU) ist ebenso denkbar wie Jakobus, der Sohn des Zebedäus (Jakobus der Ältere), der neben dem Lieblingsjünger Johannes genannt wird (v. 14 EU). Eventuell galten Väter und Söhne im Kreis der Jünger als „Brüder“, sodass hier nicht die leibliche, sondern die geistige Verwandtschaft gemeint wäre.

Die heutige Forschung ist allerdings weitestgehend der Meinung, dass Judas ein Pseudonym darstellt, mit dem tatsächlich auf den Herrenbruder verwiesen werden soll. Für eine Pseudepigraphie spricht neben anderen Gründen der Text selbst, wenn in V. 17 EU auf die Apostel zurückgeschaut und somit die Autorenfiktion durchbrochen wird. Der Einwand, dass nicht die Apostel insgesamt, sondern nur deren Worte gemeint sind, scheint nicht überzeugend. Zudem scheint die Rede in V. 3 EU vom „Glauben, der den Heiligen ein für alle Mal (ἅπαξ hápax) übergeben ist“, ebenfalls als ein anfänglich übermitteltes unterdessen zur Norm gewordenes Glaubensgut. Ähnliche Verwendungen von ἅπαξ, respektive dem verwandten ἐφάπαξ ephápax beziehen sich sonst auf die heilsbringende Kreuzestat Jesu Christi (ἅπαξ in Hebr 9,26-28 EU; 1 Petr 3,18 EU und ἐφάπαξ in Röm 6,10 EU; Hebr 7,27 EU; 10,10 EU), so dass der hier verwendete Gebrauch sekundär zu sein scheint.

Stilistisch lässt sich festhalten, dass der Judasbrief sehr elaboriert und unter kunstvoller Verwendung von rhetorischen Stilmitteln abgefasst wurde. Dies zeigt sich beispielsweise anhand des Wortschatzes: Insgesamt weist der Brief einen Wortschatz von 227 Vokabeln aus.[5] So lobte bereits Origenes, dass das Schreiben „zwar kurz, aber voll von fließenden Worten himmlischer Gnade“ sei.[6] Und Frey hält fest: „Der Autor des Judasbriefs gehört damit neben Lukas, dem Autor des Jakobusbriefs, dem Autor des Hebräerbriefs und dem des Zweiten Petrusbrief zu den versiertesten Autoren im NT.“[7] Ob dem Verfasser das Alte Testament in Griechisch oder Hebräisch vorlag, kann nicht eindeutig geklärt werden, da in dem Brief kein explizites Zitat aus dem Alten Testament vorliegt. Es ist aber wahrscheinlich, dass der Verfasser eher die griechische Septuaginta als den hebräischen Masoretischen Text verwendete. Dafür spricht das sonst nirgendwo im Neuen Testament verwendete ἐκπορνεύω ekpornéuō, deutsch ‚Unzucht treiben‘, das hier in V. 7 EU – wie oft in der Septuaginta – mit ὀπίσω opίsō, deutsch ‚hinter‘ verbunden ist.[8]

Vom Inhalt seines Briefs her ist der Autor wohl in judenchristlichen Kreisen anzusiedeln. Seine Sprache ist eigenständig (z. B. das Motiv des „allerheiligsten Glaubens“ in V. 20 EU), enthält aber verwandte Motive mit einem Paulusbrief (2. Korintherbrief), dem Jakobusbrief sowie den Johannesbriefen (Betonung der Liebe und Barmherzigkeit Gottes, in V. 21 EU).

Berührungen mit dem Zweiten Petrusbrief

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Vergleicht man den Judasbrief und den 2. Brief des Petrus, so ist offensichtlich, dass eine literarische Abhängigkeit besteht, die vor allem in 2. Petrus 2,1-3,3 deutlich ersichtlich ist. Eine vollständige Übersicht über die Berührungen findet sich unter 2. Brief des Petrus#Berührungen mit dem Judasbrief. Als Beispiele können hier genannt werden: V. 4 EU im Vergleich mit 2 Petr 2,1–3 EU oder V. 6 EU im Vergleich mit 2 Petr 2,4 EU (beachte hier das seltene Wort für Finsternis, ζόφος zóphos – anstelle des gebräuchlichen σκότος skótos, respektive des femininen σκοτία skotía – das außerhalb des Jud und 2 Petr nur in Hebr 12,18 EU vorkommt). In Jud 13 EU und 2 Petr 2,17 EU finden sich sogar ζόφος und σκότος in der exakt selben Wendung: οἷς ὁ ζόφος τοῦ σκότους τετήρηται hoís hó zóphos toú skótous tetḗrētai, deutsch ‚denen die dunkelste Finsternis bestimmt ist‘.

Während bis ins frühe 20. Jahrhundert die Priorität des 2. Petrus betont wurde, geht heute die Mehrheit der Forscher davon aus, dass Petrus den Judasbrief benutzt hat. Ein starkes Argument dafür ist die geschlossene Struktur des Judasbriefes, die nahelegt, dass dieser Brief frei komponiert wurde und nicht einem anderen Brief folgt. Auf der anderen Seite spricht für das Vorausgehen des 2. Petrusbriefes, dass in V. 18 EU quasi 2 Petr 3,3 EU zitiert wird mit der Einleitung in V. 17 EU, dass die Gemeinde den Worten, „die von den Aposteln Jesu Christi, unseres Herrn, im Voraus verkündet worden sind“ gedenken soll.[3]

Entstehungszeit

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Weder die Entstehungszeit noch die Empfänger des Judasbriefes sind sicher feststellbar.

Die Datierungsversuche für den Judasbrief reichen von 50 bis 120 n. Chr.: Wenn er einem ursprünglichen Judenchristentum zugeordnet wird, dann werden beispielsweise die Jahre 50–55 n. Chr.[9] oder auch 65–69 n. Chr.[3] gehandelt. Vertreten wird auch die Zeit um 70 n. Chr.,[2] das letzte Drittel des 1. Jahrhunderts,[10] oder die Jahrzehnte 80–100 n. Chr. als Zeit apokalyptischer Hochblüte.[11]

Der Judasbrief richtet sich gegen Irrlehrer, die in die Gemeinde eingedrungen sind. Obgleich sie an den Liebesmahlen der Gemeinde teilnehmen, leugnen sie Jesus Christus und missbrauchen die Gnade Gottes (V. 12 EU).

Diese Situation des Zweifels und der Zwietracht in der angeredeten Gemeinde will der Verfasser durch seine Mahnrede überwinden, indem er eine klare Alternative aufzeigt: Vertrauen auf den alleinigen Herrscher Jesus Christus bringt die Rettung im Endgericht und ewige Freude (V. 24 EU). Für die anderen, die Gottlosen, „ist schon längst geschrieben das Urteil“ (V. 4 EU), an das der Autor seine Leser erinnert. Von Israels Erwählung im Exodus an, ja sogar seit der Schöpfung hat Gott das Endgericht vorherbestimmt (V. 6 EU): Dieses bringt „des ewigen Feuers Pein“ und gilt wie den Engeln, die mit sterblichen Menschen verkehrten (Gen 6,1-4 EU) und den Bewohnern Sodom und Gomorrahs, die Unzucht trieben, so auch den „Träumern, die ihr Fleisch beflecken“, indem sie Christi Herrschaft verachten und „die Majestäten lästern“.

Gemeint waren offenbar die bisherigen Autoritäten in der Gemeinde des Judasbriefs, die sich Konkurrenten gegenübersahen. Deren Handeln bestand darin, dass sie „sich von ihren Begierden leiten [lassen]; sie nehmen große Worte in den Mund und schmeicheln aus Eigennutz“ (V. 16 EU), genauso wie sie „Spaltungen verursachen“ (V. 19 EU). Um sie in die Schranken zu weisen, verweist der Autor sowohl auf biblische Motive als auch auf Motive, die die Bibel sonst nicht kennt: einen Kampf zwischen dem Erzengel Michael und dem Teufel um den Leichnam des Mose (V. 9 EU, aus der Himmelfahrt des Mose gem. Origenes, De principiis, III,2,1) und eine Prophezeiung des Henoch, „der Siebente von Adam“ (1 Hen 60,8[12]) vom Gericht Gottes an den Gottlosen (Vv. 14-15 EU, Zitat aus 1 Hen 1,9[13]). Er betont damit in deutlich spätjüdischer, apokalyptischer Sprache (vgl. 1 Hen 1,3-9, Dtn 33,2 EU[14]) die heilsgeschichtliche Kontinuität mit dem Volk der „Heiligen“ (den erwählten Juden) und den Christen, weist aber zugleich auf die auch ihnen geltende Drohung der endgültigen Verwerfung hin.

Während die gottlosen Irrlehrer den „Geist nicht haben“, zielt die Mahnrede auf die Einsicht: Ihr aber, meine Lieben, erbaut euch auf euren allerheiligsten Glauben, betet im Heiligen Geist und erhaltet euch in der Liebe Gottes … (V. 20 EU), die nun darin besteht, die Zweifler (die von den Irrlehrern Verwirrten) „aus dem Feuer“ zu reißen und vor dem Verderben im Endgericht zu retten (V. 22 EU). Darum adressierte der Autor seinen Brief anfangs an die „Berufenen“ (V. 1 EU). Um sie dazu zu ermutigen, stellt er abschließend in einer Doxologie (lobpreisenden Ehrung) nochmals die einzige Autorität heraus, die „euch behüten kann vor dem Straucheln“ und „stellen vor das Angesicht seiner (Gottes) Herrlichkeit unsträflich mit Freuden“ (V. 24 EU): nämlich Jesus Christus.

Die Begründung dahinter bleibt unausgesprochen und ist nur implizit in der Betonung der Alleinherrschaft Christi erkennbar: Er ist es ja, der das Endgericht am Kreuz schon vorweggenommen, die Strafe der Gottlosen übernommen und sie so schon daraus befreit hat.

Literatur

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Textkritische Ausgabe und Einführungen

Deutsche Kommentare

Englische Kommentare

Einzelstudien

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Commons: Brief des Judas – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. nach Nestle-Aland, 28. Auflage
  2. a b Fritz Rienecker, Gerhard Maier: Lexikon zur Bibel. Brockhaus, Wuppertal 1998, Lemma Judasbrief.
  3. a b c Donald A. Carson, Douglas J. Moo: Einleitung in das Neue Testament. Giessen 2010, S. 787–789 & 825–833.
  4. James Rendel Harris wies darauf hin, dass in der syrischen Tradition der Apostel Thomas als Judas Thomas und Bruder Jesu gilt, wobei der Zwilling dann auf die Milchbruderschaft bezogen wird. Dann wäre Judas doch ein Vorname eines der bekannten Apostel. Dagegen spricht, dass der Inhalt des Judasbriefs in keiner Beziehung zu den Inhalten der apokryphen Thomastradition steht.
  5. Zum Vergleich: Der Brief des Paulus an Philemon hat bei einer Länge von 225 Wörtern einen Wortschatz von 141 verschiedenen Vokabeln; die drei Briefe des Johannes haben bei einer Gesamtlänge von 2601 Wörtern nur gerade 302 verschiedene Wörter.
  6. Origenes: Matth X 17. Zitiert nach Jörg Frey: Der Brief des Judas und der zweite Brief des Petrus. Leipzig 2015, S. 8.
  7. Jörg Frey: Der Brief des Judas und der zweite Brief des Petrus. Leipzig 2015, S. 10.
  8. „ἐκπορνεύειν ist eines der vier ntl. Hapaxlegomena in Jud, die in der LXX begegnen. Es ist das einzige davon, das in der Literatur bis zum 2. Jh. n. Chr. nur in der LXX belegt ist, dort ist es in 26 von 44 Fällen mit ὀπίσω verbunden.“ Jörg Frey: Der Brief des Judas und der zweite Brief des Petrus. Leipzig 2015, FN 66, S. 10f.
  9. Klaus Berger: Kommentar zum Neuen Testament. Gütersloh 2011, S. 978.
  10. Werner de Boor in der Wuppertaler Studienbibel. R. Brockhaus, Wuppertal 1989 (Petrusbriefe und Judasbrief), S. 189.
  11. Udo Schnelle: Einleitung in das Neue Testament. Göttingen 1996, S. 477.
  12. 1 Hen 60,8: „[...], im Osten des Gartens, wo die Auserwählten und Gerechten wohnen, wohin mein Großvater [i. e. Henoch] aufgenommen worden ist [vgl. Gen 5,24 EU], der Siebente von Adam an, der erste Mensch, den der Herr der Geister geschaffen hat.“ (Übersetzung: Uhlig, Siegbert: Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit, Band 5: Apokalypsen - Lieferung 6. Gütersloh 1984.)
    Henoch ist nach inklusiver Zählweise der Siebente von Adam an. Vgl. Stammbaum von Adam bis Henoch nach Gen 5,1-24 EU: Adam, Set, Enosch, Kenan, Mahalalel, Jered, Henoch.
  13. 1 Hen 1,9: „Und siehe, er kommt mit Myriaden von Heiligen, damit er Gericht über sie halte. Und er wird vertilgen die Frevler, und er wird alles Fleisch überführen wegen aller (Dinge), mit denen sie gegen ihn gehandelt und gefrevelt haben, die Sünder und Frevler.“ (Übersetzung: Uhlig, Siegbert: Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit, Band 5: Apokalypsen - Lieferung 6. Gütersloh 1984.)
  14. Rau, Eckhard: Kosmologie, Eschatologie und die Lehrautorität Henochs. Traditions- und formgeschichtliche Untersuchungen zum äth. Henochbuch und zu verwandten Schriften. Hamburg 1974, OCLC 1126325 (zugleich Dissertation, Hamburg 1974), S. 40 „Zwar ist 1 Hen 1,3-9 im Anschluß an 1:1 durch die Verbindung von Dtn 33,2 mit Dtn 33,1.“