• Lemma: "Kölner Rathauspropheten" oder "Rathauspropheten"?
Die acht Propheten im Museum Schnütgen (2015)

Die Kölner Rathauspropheten sind eine Gruppe von acht gotischen Holzplastiken aus dem 15. Jahrhundert. Sie befanden sich über Jahrhunderte an verschiedenen Aufstellungsorten im Kölner Rathaus, zuletzt im Hansasaal, wo sie historisch als symbolische „Ratgeber“ für die Ratsmitglieder dienten. Die Originale sind seit 2011 aus restauratorischen Gründen im Museum Schnütgen ausgestellt, während für den Hansasaal 3D-gedruckte Repliken in Originalgröße angefertigt wurden, die 2019 wieder im Hansasaal aufgestellt wurden.[1]

1448 wurde ihr Aufstellungsort, die „Prophetenkammer“, erstmals schriftlich erwähnt, woraus auf eine Entstehung der Skulpturen vor dieser Erwähnung und nach der Fertigstellung des Ratsturmes 1416 geschlossen wurde. Während sie bislang meist auf das Ende des 14. oder Anfang des 15. Jahrhunderts datiert wurden, ergaben erstmalige dendrochronologische Untersuchungen durch die Restaurierungswissenschaftlerin Sarah Grimberg im Jahr 2016, dass die Plastiken frühestens im Jahre 1440 entstanden sein können.

Geschichte und politische Funktion

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Umfeld: Historisches Rathaus

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Der Verbundbrief

Die Geschichte des Historischen Rathauses ist eng verbunden mit der Vertreibung der seit der Spätantike hier lebenden jüdischen Gemeinschaft. Die antijüdischen Pogrome im Pestjahr 1349 und die endgültige Verbannung up ewige tzyden im Jahr 1424 ermöglichten der Stadt unter anderem die bauliche Erweiterung des Rathauses, das sich im Judenviertel befand.

1396 hatte sich die Bürgerschaft, organisiert in 22 so genannten Gaffeln, mit demVerbundbrief eine neue Stadtverfassung gegeben, die bis zur französischen Besatzung 1796 in Kraft sein sollte. Als Zeichen der neuen städtischen Hoheit erbaute man 1407[2]/1408[3] bis 1414 den neuen, gotischen Rathausturm. In dessen ersten Stock wurde die Ratskammer als neuer Sitzungssaal eingerichtet. Turm und der Saalbau des alten Rathauses wurden nach 1424 durch einen neuen, zweigeschossigen Bau verbunden, wozu ein „freigewordenes“ jüdisches Grundstück überbaut wurde. Im ersten Stock dieses Verbindungsbaus richtete man die 1448 erstmals schriftlich nachgewiesene Prophetenkammer (camera prophetarum) ein, die nun als Übergang zur Ratskammer (heute: Senatssaal) diente.[4]

Propheten als politisches Idealbild bürgerlicher Herrschaft

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Städtische Rathäuser als „Wahrzeichen der kommunalen Selbständigkeit“ gewannen in dieser Zeit zunehmend an Bedeutung. Bereits im 14. Jahrhundert führte man in mehreren Hansestädten religiöse Bildprogramme ein, bei denen biblische Motiven zur Rechtfertigung politischer Macht herangezogen wurden.

Während die im ersten Drittel des 14. Jahrhunderts enstandene Figurengruppe der Neun gute Helden im Langen Saal in ihrer Ikonografie einen Rückgriff auf Ritter und Könige zur Legitimierung der städtischen Patrizierherrschaft bildeten, deuteten die alttestamentarischen Propheten mit ihren Spruchbändern auf die neuen ethischen Grundsätze der bürgerlichen Stadt.[5] Ihre Autorität zog man nun auch in weltlicher Hinsicht als Vorbilder für ein „verpflichtendes politisches Idealbild der Zeit“ heran, etwa Gerechtigkeit, Gleichheit im Recht und Eintracht.[2] Die wohl früheste Darstellung der Propheten in dieser Funktion fand sich seit den 1360er Jahren als Wandmalerei im Kölner Hansasaal.[3] Fünf davon erhaltene Fragmente werden im Wallraf-Richarz-Museum aufbewahrt.[6] Beim Umzug des Rats vom Langen Saal (seit dem 18. Jh.: Hansasaal) in die neue Ratskammer im Turm konnten diese Wandmalereien naturgemäß nicht mit „umgezogen“ werden. Sie dürften durch einen Wanddurchbruch an der Nordseite des Saals auch stark beschädigt worden sein[7], so dass lange Zeit angenommen wurde, dass die Beauftragung der Figurengruppe in diese Zeit fiel.

Die Propheten dienten jedoch nicht nur dem dem Schmuck und der repräsentative Ausgestaltung des Rathauses, sondern auch der „virtuellen Herstellung von Öffentlichkeit“[8] und als Mahnung an die Ratsherren, sich dem Gemeinwohl verpflichtet zu fühlen. Während die 23 Ausfertigungen des Verbundbriefes, der „als Garant für Ruhe, Frieden und Sicherheit“[9] dienen sollte und somit auch eine große Symbolkraft hatte, als schriftliches – und durchaus fragiles – Dokument kaum öffentlich wahrgenommen wurde,[9] mahnten die Propheten die Herrschenden im Rathaus plastisch an ihre Pflichten.[10]

Die Ratsherren mussten die „Prophetenkammer“ auf dem Weg zum Ratssaal durchqueren und passierten dabei die Propheten. In einer Arbeit von 2013 untersuchte der Historiker Max Plassmann weitere möglichen Funktionen der Prophetenkammer; dabei vermutete er, dass nur ein sehr eingeschränkter Personenkreis diesen Raum betreten durfte, denen auch durch die beeindruckende Größe der Figuren das beruhigende Gefühl vermittelt werden sollte, dass die Ratsherren dem Gemeinwohl verpflichtet seien.[11] Noch im 17. Jahrhundert war die Prophetenkammer etwa mit einer Doppeltür, die von einem Türsteher bewacht wurde, so dass zufällig Vorbeikommende keinen Blick in die Kammer und auf die Propheten werfen konnten.[8]

300 Jahre bis zum Bedeutungsverlust

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Die Prophetenkammer befand sich im ersten Stock des Verbindungsbaus zwischen dem eigentlichen Rathausgebäude und dem Turm.

Wie die Figuren in der Prophetenkammer aufgestellt waren, ist nicht bekannt, doch wird vermutet, dass sie zunächst in zwei Vierergruppen, architektonisch eingerahmt, den Eingang zur Ratskammer flankierten. Um 1600 standen sie – belegt durch ein zeitgenössisches Manuskript – frei auf Holzpfeilern an der Treppe zur Ratskammer.[2]

Eduard Trier vollzog 1952 in seiner Dissertation die Standorte der acht Holzfiguren nach: Bis in das 18. Jahrhundert hinein verblieben die Propheten an der Treppe zur Ratskammer, dann begannen ihre „Irrfahrten“[12]. In den 1720er Jahren wurde die Ratskammer völlig neu gestaltet und barock ausgestattet.[13] Die Propheten, anscheinend inzwischen als „altertümlich“ angesehen, wurden in den eher noch mittelalterlichen Hansasaal versetzt, der deshalb in der Folge oftmals fälschlicherweise Prophetenkammer genannt worden sei.[12] Dort könnten sie zwischen den Fenstern auf Konsolen gestanden haben.[12] Ihre Funktion als Ratgeber und Mahner der Ratsherren dürfte zu diesem Zeitpunkt verloren gegangen sein.[13]

Historisierende Umbauten und Bedeutungswandel der Propheten

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Im Rahmen des umfassenden Umbaus der Rathausgebäude durch Julius Carl Raschdorff in den 1860er Jahren, die unter historisierenden Vorzeichen stand, wurde das Verbindungsgebäude mit der Prophetenkammer „von der Grundmauer auf“[14] neu aufgebaut. Raumaufteilung und Geschosshöhen wurden verändert, und die Treppe zum Ratssaal sowie der Durchgang zum alten Hansasaal fielen weg. Die Propheten erhielten eine grundlegend veränderte Fassung und Vergoldung, die sie dem mittelalterlichen Original, wie man es sich vorstellte, näher bringen sollte.[13] Sie kehrten nun auch in die Prophetenkammer zurück, wo sie zunächst auf Gipskonsolen angebracht wurden.[14]

Der bereits wenige Jahrzehnte später, zum Ende des 19. Jahrhunderts von Stadtbaumeister Friedrich Carl Heimann vorgenommene, neugotische Umbau des Rathauses leitete einen gewissen Bedeutungswandel der Propheten ein: Einige Raschdorff-Maßnahmen wurden zurückgenommen und die Geschosse wieder so angepasst, dass der Durchgang zum Hansasaal und die Treppe zum Ratssaal wieder hergestellt werden konnten. Der Raum erhielt eine hölzerne Ausstattung mit Wandvertäfelungen, die Propheten – die während der Baumaßnahmen vorübergehend ins Treppenhaus ausgelagert wurden waren – wurden abermals bunter und erhielten neue, von Richard Moest eigens geschnitzte Konsolen aus Holz.[3] Die neue Wertschätzung des mittelalterlichen Hansasaals und der Propheten zeugt von einem Bedeutungswandel: Anstelle der alten Gemeinwohl-Symbolik belegten die Jahrhunderte alten Ausstattungsstücke nun die spätmittelalterliche Blütezeit der freien Reichsstadt Köln.[13]

20. Jahrhundert: Purifizierung, Zerstörung, Wiederaufbau

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(S. 62) "Beim Kölner Rathaus führte dies 1937/38 durch den Architekten Heinrich Bartmann in enger Zusammenarbeit mit dem Konservator Hans Vogts zur purifizierenden Umgestaltung der Innenräume, in denen die Gestaltungskräfte unserer Zeit Ausdruck finden und sich gegenüber denen der Vergangenheit behaupten sollten (Zentralblatt der Bauverwaltung, 1939, S. 477-78)." "Vor allem die Prophetenkammer erhielt eine völlige Veränderung, deren Ergebnis Hans Vogts allerdings zu einer wehmütigen Feststellung brachte: Daß die sauber gezeichnete und handwerklich gut gearbeitete Schreinerarbeit der Heimann'schen Ausstattung so radikal entfernt wurde, wird wohl einmal bedauert werden. [...] Erhalten blieben im Depot des Konservators nur die 1890-93 neugeschaffenen Konsolen der mittelalterlichen Prophetenfiguren."[15]

Bis zur Evakuierung der Kunstwerke (zusammen mit den Objekten aus dem Schnütgen-Museum nach Schloss Alfter[16]) wegen des Kriegsausbruchs im Jahre 1939 standen die Propheten „zu vieren nebeneinander auf Konsolen an den Schmalseiten der Kammer, d.h. an der Südseite über der Tür zum Hansasaal und zu zweit neben der Tür zur Ratskammer“[14].

  • Quelle aus der Mitte des 15. Jahrhunderts: „de da staynt up den hoeltzeren pylren up der trappen“ (Plassmann, S. 65, ich präzisiere das noch)
  • Quelle aus dem 16. Jahrhundert: "So wanne Bürgermeister unnd Ratzherren Inn den Ratt sollen ghain die acht versen, die die Propheten sprechen die da saint uff hutzen peileren uff der Treppen Inn der Propheten Chammer alß man Inn die Ratz Chammer will ghain." (Ulrike Surmann: Vom städtischen Umgang mit Bildern. Die Bildprogramm des Kölner Rathauses. In: Stadtspuren, S. 182) - Surmann schließt aus der Tatsache, dass die Figuren nicht ‚rundgesichtig‘ angelegt seien, dass die Propheten nicht von Beginn an auf den Pfeilern gestanden haben."
  • Seit 1972 an der Nordwand des Hansasaales.[3]

Bis 2011 standen die Figuren im Hansasaal des Kölner Rathauses, dann wurde die Originale aus konservatorischen Gründen ins Museum Schnütgen gebracht werden. An ihrer Stelle sollen Repliken im Hansasaal aufgestellt werden.

Vorläufige Chronologie

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  • ca. 1440 bis ?? an den Wänden der Prophetenkammer (wahrscheinlich nur wenige Jahre?) ("Zweitverwendung" S. 186)
  • 1600 (wahrscheinlich früher) auf Podesten neben oder auf der Treppe ??
  • 1893 zurück in die Prophetenkammer an den Wänden (Stadtspuren Abb. 45, S. 62)
  • 1937/38?
  • Im Krieg wo? Ab wann in Schloss Alfter?
  • Seit 1972 an der Nordwand des Hansasaales.[3]
  • 2011 Schnütgen-Museum

Forschungsgeschichte

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Diskussion zu Standorten

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Trier 160ff

Datierungsversuche

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[… von oben kopiert …] Deshalb hatten Historiker und Kunsthistoriker die Entstehung der Propheten ursprünglich auch auf diese Zeit datiert. Aber auch die korrigierte Datierung der Entstehung nach dem Gutachten aus dem Jahre 2016 passt in den historischen Kontext, da 1437 der Verbundbrief erweitert und somit die bürgerlichen Strukturen in der Stadt verfestigt wurden.[17] Mit dieser Neuordnung in der Stadt war auch ein repräsentativer Ausbau des Rathauses verbunden; in diesem Zusammenhang scheinen die Propheten – auch zur Ausschmückung – in Auftrag gegeben worden zu sein.[9] Mit dem Bau des Ratsturms tagte der Rat nicht mehr im Hansasaal wie im 14. Jahrhundert, sondern im Senatssaal. Die erste Erwähnung der offenbar nach den Skulpturen benannte „Prophetenkammer“ 1448 ließ darauf schließen, dass diese vor dieser Zeit entstanden sind. (--> Eduard Trier vermutete direkte Zusammenhang mit dem Bau des Turmes, 1408-1414, Geis mutmaßt: 1426 war die Ratskapelle schon die nächste große Baustelle, deshalb neuen Turm vorher ausgestattet)

Künstlerische und kunsthistorische Einordnung

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Madonna in Neuss, von der Trier vermutet, dass sie vom selben Künstler stammen könnte

Der Name des Künstlers oder der Werkstatt, wo die Propheten hergestellt wurden, ist nicht bekannt. Jede einzelne Figur wurde aus einem massivien Eichenstamm hergestellt, der rund 80 Zentimeter Durchmesser hat.[17]

Ein Gabelkreuz in der Kirche St. Mauritius aus Nußbaum und Eiche, datiert zwischen 1414 und 1429, wird laut der Kunsthistorikerin Petra Krutisch dem „Meister der Kölner Rathauspropheten“ zugeschrieben.[18] (s. Bild rechts. Krutisch gibt dafür vier verschiedene Quellen an, s. Umseite) Auch der ehemalige Kölner Stadtkonservator Fried Mühlberg schrieb in einem Aufsatz vom Ende der 1960er Jahre über das Kruzifix: „Dieses darf als eigenhändiges Werk des Meisters der Kölner Rathauspropheten gelten.“[19]

  • Jede der acht Figuren hält ein geschnitztes wie Pergament wirkendes Spruchband, auf dem der jeweils zugeordnete Mahnspruch geschrieben steht.
  • Klarer Bezug zu den Vorgängermotiven im Hansasaal erkennbar, aber auch deutliche Unterschiede: Gewandelte Vorstellung von „weisen Männern“, andere Kopfbedeckungen

Einordnung der Texte

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  • Übereinstimmungen mit älteren Texten der Hansasaal-Propheten, aber auch neue Texte dazu, die sich auf den Verbundbrief von 1396 beziehen.

Restaurierungen und Untersuchungen

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  • 1720er bei Umzug in den Hansasaal Fassung aufgefrischt, farblich etwas vereinheitlicht[13]
  • Freilegung einer älteren Fassung von 1865 in den Jahren 1929/1930. Darunter sei eine Renaissancefassung mit gotischer Musterung der Gewänder gewesen[20] / „Fassung des 16. Jh. mit großen Teilen der gotischen Polychromie[14].

Die Entstehung der Skulpturen wurde über viele Jahre auf das Ende des 14./Anfang des 15. Jahrhunderts datiert. Neueste Untersuchungen seit 2012 durch die Wissenschaftlerin Sarah Grimberg von der TH Köln ergaben aber, dass die Plastiken frühestens im Jahre 1440 entstanden sein können. Grundlage für diese Festlegung sind dendrochronologischen Untersuchungen, bei denen das Fällungsjahr des Holzes durch die Analyse der Jahresringe bestimmt wurde.[21]

Beschreibung

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  • Nicola: Anm. zur Galerie: „das gemeine Beste“ ist im Schnütgen ohne Kommentar doppelt. Die Inschriften sind auch lt. Literatur verändert worden gegenüber der Liste von 1600. Tbd.

Es handelt sich um acht rundplastische/vollrunde, farbig gefasste Figuren aus Eichenholz[22] mit einer Höhe von 120 bis 125 Zentimetern (neuere Literatur: 113-117 cm[2]). Sieben Figuren sind bärtig, eine bartlos; alle tragen bodenlange, fließende Gewänder und weiche Mützen als Kopfbedeckung und halten je ein Spruchband mit lateinischen Inschriften in einer gotischen Minuskelschrift in den Händen. Die Inschriften lauten nach Vogts (1930) bzw. Trier (1952), dessen vorgeschlagene Reihenfolge hier wie auch von späterer Literatur gefolgt wird, wie folgt[20] (leicht abweichende Schreibweisen in [2]):

 
„UTITILITAS PUBLICA PRIVATE SEMPER EST“ - Steht das wirklich auf dem Spruchband?
  1. PRIMUM QUAERITE REGNUM DEI ET IUSTITIAM EIUS (Matth. 6, 33)[23]
    • In dem ersten solt ir suchen das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit.
    • „Zuerst suchet das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit“
    • Schrift: Gotische Minuskel[16]
  2. UTITILITAS PUBLICA PRIVATE SEMPER EST (nach anderer Quelle: „EST SEMPER”[22]) PRAEFERENDA
    • Die Nutzichkeit des gemeinen Besten is man alwege vurzukeren in allen Sachen
    • Das gemeine Beste ist dem persönlichen immer vorzuzuziehen (Gemeinwohl vor Eigenwohl)
    • Schrift: Unziale, 16. bis 18. Jahrhundert[16]
  3. OPORTET OPERARI CONSILIATA VELOCITER, CONSILIARE AUTEM TARDE
    • Die geraden Sachen soll man gering tun, wann idt woll bedacht ist, ever Man soll langsam raden
    • „Nimm langsam Rath, dann eil zur Tat.“
    • Schrift: Gotische Minuskel[16]
  4. (unklar dokumentiert: bei Trier wie 2) INITIUM SAPIENTIAE AMOR DE (Jes. Sir. 1,16 / Psalm 111,10)[23]
    • Ein Beginn der Weisheit ist die Furchte Gotz.
    • „Der Beginn der Weisheit ist die Gottesfurcht“
  5. DEROGARIONEM CUPIENTES VINCIT INTEGRITAS ACTIONIS
    • Der Vollherdich is in seinen Werken of in seinen Sachen, der verwinnet alles, das im entgegen is of hinderlich in den Rechten
    • „Die Unversehrtheit der Vernunft überwindet diejenigen, die (das Gesetz) abzuschaffen wünschen.“
    • Schrift: Gotische Minuskel[16]
  6. EQUUM EST NECIS ARTIFICEM ARTE PERIRE SUA. (Math. 26,52)[23]
    • Idt is Recht, das ein Todtschleger der Kunst of ein Meister der Schalkheit
    • „Es ist billig, daß ein Meister des Todschlags durch sein eigenes Handwerk umkommet.“
    • Schrift: Minuskel, Ende 15. Jahrhundert (oder 13? Lesbarkeit Manuskript)[16]
  7. FIDUM SIT REIPUBLICE CONSISTORIUM SILENTIQUE SALUBRITATE IMMUNITUM
    • Die Heimlichkeit der Ratskammer die soll man halden mit gezierder stiller Heilsamkeit
    • „Es soll keiner aus dem Rat schwatzen“
    • Schrift: Gotische Minuskel[16]
  8. QUE PRO REPUBLICA PERIERINT PERPETUO VIVERE INTELLIGTUNTUR
    • Diegene die hie vergenklich seint umb des gemeinen besten Willen, die sollen allwege leben bei Gott in Weisheit und in Freuden.
    • „Wer für die Gemeinschaft stirbt, soll ewig leben.“
    • Schrift: Gotische Minuskel[16]

Die niederdeutschen Übersetzungen der Texte stammen aus der Zeit um 1600.[20] (Manuskript HAStK)

Nach Plassmann sind die Zitate eine „Mischung aus Zitaten bzw. Entlehnungen aus der Bibel, von Klassikern und aus den philosophischen Diskursen seit dem 13. Jahrhundert“. Daran sei erkennbar, dass es sich bei dem Verfasser um einen gebildeten Menschen handeln müsse, den er in das Umfeld der Universität zu Köln verortet, dessen Name allerdings unbekannt ist.[23]

  • Mehr Gemeinsamkeiten als Typen einer Gruppe als individuelle Züge, auch wenn diese angedeutet sind: Gesichter in unterschiedliche Richtungen gewendet, Kinn vor oder zurück, unterschiedliche Frisuren, Bärte, Handhaltung, Faltenwurf. Traditionell mit „Altersweisheit, trotzige[r] Selbstbehauptung und ekstatische[r] Erregung“ ausgestattet, tragen die Kölner Propheten zusätzlich „ein[en] Anflug von Melancholie“.[2]
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Commons: Kölner Rathauspropheten – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Frank Neweling: Die Kölner Rathauspropheten. Skulptur um 1400 für Bürgerschaft und Kirche. In: Freunde des Historischen Archivs. 20. September 2012, abgerufen am 22. April 2016.

Literatur/Quellen

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[20] [24] [3]

[5] [2] [25]

  1. Diana Hass: Die Rückkehr der Propheten;Repliken der „weisen Ratgeber“ stehen nun im Hansasaal des Rathauses. In: Kölnische Rundschau. Köln 13. Juli 2019, S. 24.
  2. a b c d e f g Reiner Dieckhoff: Acht Prophetenfiguren aus der ehemaligen Prophetenkammer des Rathauses. In: Werner Schäfke (Hrsg.): Der Name der Freiheit 1288–1988. Aspekte Kölner Geschichte von Worringen bis heute. Kölnisches Stadtmuseum, Köln 1988, S. 411–414.
  3. a b c d e f Walter Geis: Die Propheten als Rechtssymbole. In: Walter Geis, Ulrich Krings (Hrsg.): Köln: Das gotische Rathaus und seine historische Umgebung (= Stadtspuren. Denkmäler in Köln). Band 26. J.P. Bachem Verlag, Köln 2000, ISBN 3-7616-1391-1, S. 439–458.
  4. Hiltrud Kier: Das Rathaus zu Köln. In: Hiltrud Kier/Bernd Ernsting/Ulrich Krings (Hrsg.): Köln: Der Ratsturm. Seine Geschichte und sein Figurenprogramm. Stadtspuren - Denkmäler in Köln. J. P. Bachem Verlag, Köln 1996, S. 42–46.
  5. a b Ulrike Surmann: Vom städtischen Umgang mit Bildern. Die Bildprogramme des Kölner Rathauses. In: Hiltrud Kier, Bernd Ernsting, Ulrich Krings (Hrsg.): Köln: der Ratsturm. Seine Geschichte und sein Figurenprogramm (= Stadtspuren. Denkmäler in Köln). Band 21. J.P. Bachem Verlag, Köln 1996, ISBN 3-7616-1156-0, S. 182–187.
  6. Kulturelles Erbe Köln: Wandgemälde aus dem Hansasaal im Rathaus. Abgerufen am 13. November 2021.
  7. Eduard Trier: Die Propheten des Kölner Rathauses. Phil. Diss. Bonn 1952, S. 158 (Maschinenschriftliche Dissertation).
  8. a b Max Plassmann: Zur Funktion der Prophetenkammer im Kölner Rathaus. In: Rheinische Vierteljahrsblätter. Band 77. Bonn 2013, S. 71.
  9. a b c Max Plassmann: Zur Funktion der Prophetenkammer im Kölner Rathaus. In: Rheinische Vierteljahrsblätter. Band 77. Bonn 2013, S. 59.
  10. Max Plassmann: Zur Funktion der Prophetenkammer im Kölner Rathaus. In: Rheinische Vierteljahrsblätter. Band 77. Bonn 2013, S. 60.
  11. Max Plassmann: Zur Funktion der Prophetenkammer im Kölner Rathaus. In: Rheinische Vierteljahrsblätter. Band 77. Bonn 2013, S. 66 f.
  12. a b c Eduard Trier: Die Propheten des Kölner Rathauses. Phil. Diss. Bonn 1952, S. 218 (Maschinenschriftliche Dissertation).
  13. a b c d e Iris Metje: Acht Propheten aus dem Kölner Rathaus. In: Manuela Beer, Iris Metje (Hrsg.): Unter der Lupe. Katalog zur Ausstellung im Museum Schnütgen, Köln 13. November 2018–30. Juni 2019. Köln 2019, ISBN 978-3-932800-10-8, S. 40–49.
  14. a b c d Eduard Trier: Die Propheten des Kölner Rathauses. Phil. Diss. Bonn 1952, S. 219 (Maschinenschriftliche Dissertation).
  15. Hiltrud Kier: Das Rathaus zu Köln. In: Hiltrud Kier/Bernd Ernsting/Ulrich Krings (Hrsg.): Köln: Der Ratsturm. Seine Geschichte und sein Figurenprogramm. Stadtspuren - Denkmäler in Köln. J. P. Bachem Verlag, Köln 1996, S. 62 f.
  16. a b c d e f g h Eduard Trier: Die Propheten des Kölner Rathauses. Bonn 1952, S. 6–20 (Maschinenschriftliche Dissertation).
  17. a b Kölner Rathauspropheten: neue Erkenntnisse zu Entstehungszeit, Herstellung und Aufstellung. In: TH Köln. 4. April 2016, abgerufen am 24. April 2016.
  18. Petra Krutisch: Niederrheinische Kruzifixe der Spätgotik: Die plastischen Kruzifixe und Kreuzigungsgruppen des späten 15. und frühen 16. Jahrhunderts im Herzogtum Kleve. Paderborn 1987, S. 128.
  19. Fried Mühlberg: Das heilige Kreuz von Linn. In: Tilmann Buddensieg/Matthias Winner (Hrsg.): Munuscula Discipulorum. Kunsthistorische Studien. Hans Kauffmann zum 70. Geburtstag 1966. Bruno Hessling, Berlin 1968, S. 109.
  20. a b c d Hans Vogts, Fritz Witte: Die profanen Denkmäler. In: Paul Clemen (Hrsg.): Die Kunstdenkmäler der Stadt Köln. 7. Band, IV. Abteilung. Schwann, Düsseldorf 1980, ISBN 3-590-32102-4, S. 227–228 (Erstausgabe: 1930).
  21. Kölner Rathauspropheten: neue Erkenntnisse zu Entstehungszeit, Herstellung und Aufstellung - TH Köln. In: th-koeln.de. 4. April 2016, abgerufen am 27. Oktober 2018.
  22. a b Das Schnütgen-Museum. Eine Auswahl. 2. Auflage. Köln 1961, S. 59.
  23. a b c d Max Plassmann: Zur Funktion der Prophetenkammer im Kölner Rathaus. In: Rheinische Vierteljahrsblätter. Band 77. Bonn 2013, S. 61.
  24. Max Plassmann: Zur Funktion der Prophetenkammer im Kölner Rathaus. In: Rheinische Vierteljahrsblätter. Band 77. Bonn 2013, S. 59–72.
  25. Eduard Trier: Die Propheten des Kölner Rathauses. Bonn 1952 (Maschinenschriftliche Dissertation).

Auslagerung

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Funktion der Prophetenkammer

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Eine bestimmte Funktion der Prophetenkammer kann aufgrund der disparaten Quellenlage nicht präzise zugewiesen, sondern muss aufgrund von Indizien interpretiert werden. Schon vor 1424, bevor der Rathausturm und der Hauptbau miteinander verbunden wurden, ist in Quellen die Rede von einem Raum „vor der Ratskammer“, in dem offensichtlich Rechtsgeschäfte vollzogen wurden.[1] Die Ersterwähnung der Prophetenkammer mit just dieser Bezeichnung im Jahre 1448 berichtet in der Form einer notariellen Urkunde vom Besuch eines Gesandten Kaisers Friedrich III., dessen Weg durch die Prophetenkammer führte. Dass die Kammer explizit erwähnt wurde, war nach Ansicht von Plassmann ein Zeichen dafür, dass dieser eine wichtige Funktion zukam. [2]

Spätestens ab Mitte des 15. Jahrhunderts wurde die Prophetenkammer für die Durchführung von Rechtsgeschäften und Besprechungen im kleinen Kreis genutzt, in der sich zudem ein separates Kämmerchen für noch diskretere Konsultationen befand.[3] Ein Hinweis darauf lieferte der Eid der Türsteher im Rathaus, in dem der Schutz dieses Raumes ausdrücklich eingeschlossen war. Nur Personen, die befugt waren, die Ratskammer zu betreten, durften auch die Tür zur Prophetenkammer passieren; dieser Kreis bestand aus den Ratsmitgliedern und -dienern, Greven, Schöffen sowie Personen, die vom Rat geladen worden waren. Plassmann vermutet, dass auf Außenstehende der Eindruck der acht großen Figuren „besonders groß“ gewesen sein muss und dass diesen auch das beruhigende Gefühl vermittelt werden sollte, dass die Ratsherren dem Gemeinwohl verpflichtet seien.[2] Da die Prophetenkammer und das Kämmerchen zudem für Beratungen und Rechtsgeschäft im kleinen Kreis genutzt wurden, blieb die Verpflichtung auf das Gemeinwohl zumindest in der Gegenwart der mahnenden Propheten präsent.

Dass die Prophetenkammer als rechtlich besonders geschützter Raum galt, wurde im Rahmen der Unruhen 1481/82 offenbar. Am Rosenmontag 1482 drangen einige Männer in die Prophetenkammer ein und setzten dort Ratsherren und -bedienstete fest. Die Anführer wurden später mit dem Tode bestraft, andere Prostierende mit lebenslanger Verbannung, die unter anderem explizit wegen des Eindringens in die Prophetenkammer begründet wurde. [3]

Bis zum 14. Jahrhundert war die Herstellung von Öffentlichkeit ein Rechtsgrundsatz, der aber mit zunehmender Schriftlichkeit in der städtischen Verwaltung aus den Augen verloren ging. So geriet die ursprüngliche Funktion der Prophetenkammer und ihre Bedeutung nach und nach in Vergessenheit.[4] Aber noch im 17. Jahrhundert war die Prophetenkammer mit einer Doppeltür verschlossen, zwischen denen sich eine Schleuse befand, in dem die Türsteher postiert waren, womit verhindert wurde, dass zufällig Vorbeikommende einen Blick auf die Figuren werfen konnten. [4]

  1. Max Plassmann: Zur Funktion der Prophetenkammer im Kölner Rathaus. In: Rheinische Vierteljahrsblätter. Band 77. Bonn 2013, S. 65 f.
  2. a b Max Plassmann: Zur Funktion der Prophetenkammer im Kölner Rathaus. In: Rheinische Vierteljahrsblätter. Band 77. Bonn 2013, S. 66 f.
  3. a b Max Plassmann: Zur Funktion der Prophetenkammer im Kölner Rathaus. In: Rheinische Vierteljahrsblätter. Band 77. Bonn 2013, S. 68.
  4. a b Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag; kein Text angegeben für Einzelnachweis mit dem Namen max71.