In der Problemgruppenideologie werden die gesellschaftliche Auswirkungen auf Gruppen nicht als Realität analysiert, sondern durch Vertauschen von Ursache und Wirkung werden diese Gruppen als Ursache für Problem angesehen.

Entsprechende Beispiele lassen sich für alle gesellschaftlichen Diskurse – Beispielsweise um AIDS, Einwanderung, Jugendkulturen etc. – finden, in denen Menschen als zugehörig zu einer „Problemgruppe“ (Schwule, Migranten, junge Diskobesucherinnen) codiert werden und dabei als Ursache einer Wirkungen (Ghettoisierung, rassistische Übergriffe, sexuelle Übergriffe) angesehen werden.

Ein konkretes Beispiel findet sich als Resultat in der sozio-linguistischen Analyse Hans Uskes über den Diskurs der „Massenarbeitslosigkeit“. Anhand von Zeitungsartikel, Politikerzitaten, Medienberichten und Expertenmeinungen untersucht Uske hier, wie u. a. durch den Begriff „Problemgruppe“ nicht der segmentierte Arbeitsmarkt („Teilarbeitsmärkte“) und die „Massenarbeitslosigkeit“ als Ursache eines Problems erklärt wird, sondern der Einzelne und seine Eigenschaften, die von der Wirkung dieser Ursache betroffen sind. Aufgrund persönlicher Eigenschaften wie Geschlecht, Alter und Herkunft etc. wird der Einzelne wegen dieser Eigenschaften als „unechter“ Arbeitsloser bzw. „unechte“ Arbeitslose diskreditiert. Die Problemgruppenideologie besagt also, der Arbeitslose oder die Arbeitslose finde deshalb keine Arbeit, weil sie zu einer „Problemgruppe“ des Arbeitsmarktes gehöre. Abgesehen wird dabei von der Tatsache:

  • Einem unqualifizierter Arbeiter bleiben hochqualifizierte Teilbereiche verschlossen.
  • Ein großer Teil der Frauen hat nur Chancen auf einen bestimmten Beruf vermittelt zu werden.
  • Gesundheitlich eingeschränkte Menschen haben nur eine eingeschränkte Auswahl auf dem Arbeitsmarkt.
  • Ältere Menschen gelten auf dem Arbeitsmarkt als schwer oder gar nicht vermittelbar.

Diese Tatschen werden zur Ideologie, wenn die Zugehörigkeit zu einer „Problemgruppe“ nicht als Grund, sondern als „Ursache“ von Arbeitslosigkeit vorgestellt wird.

Uske: Der Ideologie-Charakter wird besonders augenfällig, wenn man sich in die Zeiten der Vollbeschäftigung zurückdenkt. Auch damals gab es Frauen, Jugendliche, … ältere Arbeitnehmer … Trotzdem hatten Arbeitskräfte, die wir heute den Problemgruppen zuordnen würden, offensichtlich in der Regel kein Problem damit, einen Arbeitsplatz zu bekommen. Erst durch die Massenarbeitslosigkeit sind dies Menschen zu „Problemgruppen“ geworden. … Die Problemgruppenideologie verwechselt Ursache und Wirkung. Gerade deshalb ist sie im Massenarbeitslosigkeitsdiskurs so beliebt. Denn auf ihrer Grundlage lassen sich viele spezielle Programme für einzelne Problemgruppen entwickeln. Ein wirksamer Beitrag zum Kampf gegen die Arbeitslosigkeit sind solche Programme aber nur, wenn zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden.

Literatur

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  • Hans Uske: Der segmentierte Arbeitsmarkt und die Problemgruppenideologie. In: Das Fest der Faulenzer. Die öffentliche Entsorgung der Arbeitslosigkeit. Duisburg 1995. ISBN 3-927388-47-5 - Rezension [1].