Der Spinetester ist ein Messgerät aus der Welt des Bogenschießens und gehört zur Ausrüstung des Pfeilmachers (engl. Fletcher). Er ist eine technische Vorrichtung zur Messung der Biegesteifigkeit eines Pfeilschaftes. Die ermittelte Größe als dessen Kennzahl ist der Spine. Seine Maßzahl ist der Spinewert und die Maßeinheit ist das Längenmaß der Größenordnung 1/1000 internationale Zoll, in einer umgerechnet zugeschnittenen Größe das englische Pfund (lateinisch: libra, Zeichen: lb oder #). „Spinewert“ und „Spine“ werden synonym verwendet.

Der Spine ist dargestellt anhand der Durchbiegung des waagerecht auf zwei Stützpunkten definierten Abstandes liegenden Schaftes bei mittiger Belastung mit einem definierten Gewicht. Die Messanordnung entspricht dem 3-Punkt-Biegeversuch in der Werkstoffprüfung.

Weil der Schaft in Ruhe ist und die einwirkende Kraft unveränderlich, misst der Spinetester den sogenannten statischen Spine. Dem gegenüber steht der dynamische Spine des Pfeiles während Abschuss und Flug, der aufgrund der hohen Individualisierung des Systems Schütze-Bogen-Pfeil nur näherungsweise und indirekt berechenbar und deshalb nicht standardisiert ist. Spricht ein Bogenschütze ohne Zusatzangabe vom Spine eines Pfeils oder Schaftes, so ist fast ausnahmslos der mit dem Spinetester ermittelte statische Spine gemeint.

Messwert Spine

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Definition
Der Spine ist die maximale Durchbiegung des Schaftes angegeben in Zoll oder 1/1000 Zoll von der Horizontalen des unbelasteten Schaftes senkrecht bis zum tiefsten Punkt des durch mittige Belastung gebogenen Schaftes bei jeweils standardisierter Stützweite und Belastungsgewicht.

Es sind zwei Standards für die Definition der Stützweite und des Belastungsgewichtes in Anwendung. Bei Angabe des Spinewertes ist deshalb der zugehörige Standard anzugeben.

AMO Standard[1]
 
ASTM Standard
 

Häufig wird auch der AMO Spine in eintausendstel Zoll, also um den Faktor 1000 größer angeben.

Umrechnung ASTM-Spine → AMO-Spine
 
Die Umrechnung ohne die Division mit 1000 ergibt einen AMO Spine in eintausendstel Zoll.

Der Spinewert des Holzschaftes wird traditionell in Pfund angegeben - einer zugeschnittenen Größe, die direkt das zum Schaft passende Zuggewicht des Bogens angeben soll. Der Spine in Pfund [lbs, #] ist nach AMO Standard definiert und errechnet sich als Kehrwert des AMO-Spine mal 26″ Stützabstand:

Spine in Pfund Zuggewicht
 

„Zugeschnittene Größe“ bedeutet hier, dass die Einheit Pfund [lbs bzw. #] dieses Spine nicht die physikalische Einheit der Gleichung ist, diese wäre als [Zoll/Zoll] = [1] einheitenlos.

Messanordnung

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  • Messgenauigkeit/Fehler, Einflußgrößen

Modellausführungen, Grundtypen

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  • direkte Messung, Messuhr.
  • Zeigermeßgerät, Übersetzung
    • Direkte Nadelübersetzung
    • Lichtzeiger-Übersetzung
    • manuell, elektronisch, pneumatisch
    • hängendes Gewicht, aufgelegtes Gewicht
  • low/high Spine Spots (Punkte abweichenden Spines entlang des Schaftes oder im Umfang)


Meßvorgang

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Im Ausgangszustand des Spinetesters ist die Horizontale in Höhe der Stützpunkte frei von Belastungsgewicht und Messfühler.

  1. Schaft richten: Vor dem Auflegen wird der Schaft auf Geradheit überprüft und bei sichtbarer Abweichung gerade gerichtet.
  2. Schaft auflegen: Der Schaft wird waagerecht und frei auf die beiden Stützpunkte gelegt, so dass er an beiden Enden etwa gleich weit übersteht.
  3. Schaftmaserung ausrichten: Die Holzmaßerungslinien auf der Querschnittsfläche am Schaftende sind durch Drehen des Schaftes um seine Längsachse senkrecht auszurichten. Die Steifheit des Schaftes ist senkrecht zur Quermaserung eine andere als parallel dazu. Deren senkrechte Orientierung auf dem Spinetester führt zu einer Durchbiegung des Schaftes durch das Belastungsgewicht in die gleiche Richtung, wie sich der Pfeil beim Abschuss des Bogens durchbiegt.
  4. Nullung: Manuell oder automatisch ausgelöst erfolgt in der horizontalen Mitte zwischen den beiden Stützpunkten die Absenkung des Messtasters ohne Kraftausübung auf den unbelasteten Pfeil bis zum Kontakt mit der Schaftoberfläche. Die Messskale wird auf Null gestellt, der Kontaktpunkt mit der Schaftoberfläche ist jetzt der Nullpunkt ohne Durchbiegung.
  5. Belastung: Manuell oder automatisiert ausgelöst erfolgt ebenfalls mittig das Aufhängen oder Absenken des Belastungsgewichtes, das den Schaft so weit durchbiegt, bis die Gegenkraft des Schaftes genauso groß wie die Gewichtskraft des Belastunggewichtes ist - der Schaft verharrt statisch in der entsprechenden Durchbiegung. Ein mechanischer Messfühler senkt sich zusammen mit dem Schaft ab, bei Lichtmessung erfolgt die Abtastung des Durchbbiegepunktes mit einem Licht- oder Laserstrahl.
  6. Meßwert: Der Spinewert als Durchbiegung in diesem statischen Gleichgewicht wird an der Meßskala abgelesen.
  7. Kontrolle: Soll die Meßgenauigkeit erhöht oder mögliche qualitative Mängel des Schaftes aufgedeckt werden, so erfolgen mehrere Messungen sowie Messungen bei 180° gedrehtem Schaft in die entgegengesetzte Biegerichtung.
  8. Kennzeichnung: Der Spinewert wird auf einem Ende des Schaftes vermerkt.
  9. Entlastung des Schaftes durch Abnehmen des Gewichtes, sowie falls notwendig Rückstellung des Messfühlers.

Notwendigkeit und Hintergrund

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Der Spinewert ist eine grundlegende Kennzahl von Schaft und Pfeil. Er bestimmt maßgeblich das Abschuss- und Flugverhalten des Pfeiles unter Einfluß von Eigenschaften des Bogens im Verbund mit den individuellen Eigenschaften des Bogenschützen. Die Wirkung des Bogens auf die Durchbiegung des Pfeiles ist vorwiegend bestimmt durch dessen Zuggewicht und Wirkungsgrad, der Einfluß des Schützen maßgeblich durch dessen persönliche Auszugslänge und Lösetechnik.

Nach dem Lösen biegt sich der Pfeil in horizontaler Ebene und windet sich „wie ein Fisch“ um den Bogen herum (Archer’s Paradox). Damit dem Pfeil dies gelingt, ist die korrekte Synchronisation zwischen Biegeschwingung des Pfeiles und seiner Vorwärtsgeschwindigkeit notwendig. Stimmt diese nicht, so erfährt der Pfeil Seitenkräfte durch dessen seitlichen Anlage- oder Stützpunkt am Bogenfesnter oder der Pfeilauflage. Der Pfeil kann dann seitlich wegdriften oder das Pfeilende am Bogen anschlagen, in allen Fällen hat ein unpassender Spine einen unruhigen Pfeilflug und Richtungsabweichungen zur Folge. Ein zu weicher Pfeil mit hohem Spinewert (niedriger Pfund-Spine) driftet beim Linkshandbogen eher nach rechts ab, ein zu harter Pfeil (hoher Pfund-Spine) nach links. Ist die Abweichung des Spines zu groß, wird der Flug unkontrollierbar, der Pfeil kann schon vor Verlassen des Bogens brechen und es besteht höchste Verletzungsgefahr.

Der dynamische Spine bezeichnet das Biegeverhalten des Pfeiles in Bewegung kurz nach dem Lösen und während des Fluges. Das dynamische Biegeverhalten unterliegt weiteren Krafteinflüssen verschiedener Eigenschaften von Pfeil, Bogen und Schütze und ist Ergebnis des Zusammenwirkens von statischem Spine mit diesem Gesamtsystem. Der dynamische Spine ist deshalb nicht standardisiert. Beispielsweise verhält sich der Pfeil dynamisch umso weicher, je schwerer seine Spitze ist.

  • Bedeutung für den Schützen, Spinekonsistenz der Pfeile

Messtandards

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Eine Standardisierung von Messgrößen und -verfahren im Bogensport sowie von Kennzahlen von Bögen und Bogensportausrüstung wurde in den 1950er Jahren erstmals international von der damaligen Archery Manufacturer Organization eingeführt, die so bekannten AMO Standards. Seit Namensänderung der Organisation im Jahr 2002 zu Archery Trade Association sind sie heute auch als ATA-Standards zu finden. Die ursprünglichen Standards wurden inzwischen erweitert, es kamen u. a. Sicherheitsstandards hinzu, beispielsweise über den Aufbau von Bogensportparcours. Die heutigen ATA-Standards umfassen 22 grundlegende Standardisierungen.

Der AMO-Stützabstand von 26 Zoll entstand historisch in der Zeit der überwiegenden Verwendung von Hölzern als Schaftmaterial und aufgrund der mittleren Pfeil- und Auszugslänge der Bogenschützen von etwa 28 Zoll; sowohl ein Schaft als auch ein fertiger Pfeil mit Spitze und Befiederung sollten gut vermessbar sein. Zudem ist im Unterschied zu den in Endloslängen herstellbaren Aluminium- oder Carbonschäften die maximal verfügbare Länge des Rohschaftes mit über dessen ganze Länge gleichmäßiger Maserung und Materialeigenschaft bei Hölzern begrenzt. Die Größe des Belastungsgewichtes wurde so gewählt, dass der Pfund-Spine des Schaftes als zugeschnittene Größe gerade das zu diesem Schaft passende Zuggewicht, ebenfalls in Pfund, der damals gebräuchlichen Bögen mit den damals gängigen Sehnenmaterialen und Geometrie des Bogenfensters und entsprechenden Wirkungsgraden angab. Heutige glasbelegte Bögen und Recurvebögen mit tief ausgeschnittenen Bogenfenstern (center shot) besitzen höhere Wirkungsgrade und Kraftrichtung auf das Pfeilende beim Lösen, so dass für diese Bögen ein höherer Pfund-SPine anzusetzen ist.

Mit dem Aufkommen von Aluminium und Carbonfaserstoffen als Schaftmaterial entstanden für Pfeilschäfte zusätzliche veränderte Normen. Als Standardisierung des Spines und Meßaufbaus für Carbon- und Aluminumschäfte hat sich die ursprünglich proprietäre Norm des Schaft- und Gestängeproduzenten Easton etabliert und wurde in das Normenverzeichnis der ASTM International (ursprünglich American Society for Testing and Materials) aufgenommen als ASTM F2031 - 05(2014) Standard Test Method for Measurement of Arrow Shaft Static Spine (Stiffness) (dt. Standard Testmethode zum Messen des statischen Spine (Steifheit) eines Pfeilschaftes).[2] Der ASTM Standard unterscheidet sich im Maß des definierten Stützabstandes und des definierten Gewichtes. Der Abstand der beiden Auflager ist von 26 Zoll auf 28 Zoll erweitert und dafür das Belastungsgewicht leicht erniedrigt von 2 lbs auf 1,94 lbs.

Der Umrechnungsfaktor zwischen ASTM-Spine und AMO-Spine resultiert aus der Wirkung von Belastungskraft   durch das Belastungsgewicht und Stützabstand   auf die maximale Durchbiegung   in der Formel der Biegelinie   eines Balkens beim 3-Punkt-Biegeversuch – unter den in beiden Messaufbauten gleichen Bedingungen der gleichen Geometrie der Querschnittsfläche und damit gleichem Flächenträgheitsmoment   sowie gleichem Elastizitätsmodul   des Probekörpers, hier des zylindrischen Schaftes. Letzendlich misst die Anordnung den Elastizitätsmodul als Materialeigenschaft des spezifischen Holzes oder Materials des ausgewählten Schaftes; das ist die Materialkennzahl, die bei gleicher Geometrie verschiedene Schäfte aufgrund ihrer jeweils individuellen Materialeigenschaften und -streuungen in ihrer Steifigkeit unterscheidet. Das Produkt   mit der Einheit   als Kombination aus dem Materialwiderstand gegen Dehnung und der Körpergeometrie definiert in der Werkstoffphysik die Biegesteifigkeit eines Körpers.

Formel der Biegeline   für mittige Punktlast an der Stelle maximaler Durchbiegung:

 

Wenn in Zoll gemessen, ist die Durchbiegung   unmittelbar der Spinewert selbst. Für einen identischen Schaft ist in beiden Anordnungen dessen Biegesteifigkeit und damit der Kennzahlausdruck   der selbe, so dass nach Umformen und Gleichsetzen zwischen den beiden verschiedenen Aufbauten 1 und 2 für den Schaft die Gleichheitsbeziehung gilt:

 

Weiteres Umformen ergibt den Umrechnungsfaktor

 

Einsetzen von AMO-Stützweite und -Gewicht sowie ASTM-Stützweite und -Gewicht und ausrechnen:

 

Anmerkung: Es kann hier das Gewicht anstelle der Kraft in Newton eingesetzt werden, da sich bei Umrechnung von Gewicht (Masse) in Gewichtskraft ( ) die Erdbeschleunigung g im Bruch wegkürzt.

Alternative Messmethode, Heuristik

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  • Rohschafttest / Experimentelle Spinemessung - Rohschafttest

Siehe auch

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  • Spinetestermessungen
  • Ultrazeitlupenaufnahme Archers Paradox
  • Verletzungsgefahr bei nicht abgestimmtem Spine
  • evtl. Rohschafttest, falls auffindbar

Einzelnachweise

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  1. AMO Standards Comittee: AMO Standards. Field Publication FP-3 2000. In: texasarchery.org, abgerufen am 12. September 2016. (PDF)
  2. ASTM Subcommittee F08.16: ASTM Normenbezeichnung Spinewertmessung. In: astm.org, abgerufen am 11. September 2016.

Kategorie:Bogenschießen Kategorie:Messgerät Kategorie:Waffentechnik