Bald’s Leechbook

altenglische medizinische Handschrift

Bald’s Leechbook (übersetzt: Balds Arzneibuch; auch Balds laeceboc[1] und Medicinale Anglicum genannt) ist eine altenglische medizinische Handschrift aus dem 10. Jahrhundert, die vermutlich aufgrund der Reformen von Alfred dem Großen kompiliert wurde. Sie wird heute in der British Library als Royal 12, D xvii verwahrt und ist Gegenstand aktueller Forschung.

Eine Seite aus Bald’s Leechbook.

Die Handschrift enthält zwei Bücher, die nach der damals in Arzneibüchern üblichen Herangehensweise Krankheiten vom Kopf bis zum Fuß ordnen. Dabei behandelt das erste Buch äußerliche Leiden, das zweite die Innere Medizin. Bemerkenswert ist die erste Erwähnung plastischer Chirurgie in einer angelsächsischen Quelle, nämlich die Behandlung einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte in Kapitel 13 des ersten Buches. Als Hauptquellen für die Rezepte gelten Galenos, Philagrios, Antyllos und Soranos von Ephesos.[2]

Das angefügte Leechbook iii enthält im Gegensatz zu den beiden ersten Büchern kaum Einflüsse aus dem mediterranen Raum.

Anweisungen

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Zur Behandlung von Kopfschmerzen wird Gewimpertes Kreuzlabkraut, gegen Frostbeulen eine Mischung aus Eiern, Wein und Fenchelwurzel empfohlen. Gemeiner Odermennig wird, in Milch gekocht, gegen Erektile Dysfunktion genannt, in Bier gekocht soll die Wirkung gegenteilig sein.

Ein Rezept zur Behandlung von Herpes Zoster enthält Bestandteile von 15 verschiedenen Bäumen, darunter Apfel, Weide, Esche und Eiche.[3]

Auch Zaubereien sind enthalten: Gegen Schmerzen sollen die Worte Bless all the works of the lord of lords in den Griff eines Dolches eingeritzt werden. Es wird darauf verwiesen, dass ein Elf die Schmerzen verursachen könnte.[4]

Am 30. März 2015 gab die Universität Nottingham die Erforschung eines Augenheilmittels aus zwei Allium-Arten, Wein und Ochsengalle bekannt. Erste Ergebnisse in vitro und in vivo (durchgeführt in Texas) deuten auf eine Wirksamkeit gegen antibiotikaresistente Bakterien hin.[5][6] Bereits 2005 hatte ein Team das Rezept untersucht, allerdings ohne Erfolg.[7] Michael Drout, der an den Forschungen 2005 beteiligt war, begrüßte jedoch die neuen Ergebnisse in seinem Blog.[8]

Augensalbe des Bald:

Wyrc eagsealfe wiþ wænne, genim cropleac 7 garleac begea emfela, gecnuwa wel tosomne, genim win 7 fearres geallan begea emfela, gemeng wiþ þy leace, do þonne on arfæt, læt standan nigon niht on þam arfate, awring þurh claþ 7 gehlyttre wel, do on horn 7 ymb niht do mid feþere on þæt eage, se betsta læcedom.[9]

Übersetzung:

Fertige eine Augensalbe gegen ein Gewächs am Auge an: nimm Porree und Knoblauch, von beidem gleich viel, zerstoße gut zusammen, nimm Wein und Rindergalle, von beidem gleich viel, vermenge mit dem Lauch (i.e. Porree und Knoblauch); gib dann in ein ehernes Gefäß, lass neun Nächte lang in dem ehernen Gefäß stehen; wringe durch ein Tuch und reinige gut, gib in ein Horn und trage nachts mit einer Feder auf das Auge auf – das beste Heilmittel.[10]

Auch Ernährungs- und Verhaltensregeln sind im Leechbook enthalten:

Regeln für Schwangere:

Georne is to wyrnanne bearneacum wife þæt hio aht sealtes ete oððe swetes oððe beor drince; ne swines flæsc ete ne naht fætes; ne druncen gedrince, ne on weg ne fere; ne on horse to swiðe ride þy læs þæt bearn of hire die ær tide.

Übersetzung:

Eine schwangere Frau sollte ernsthaft davor gewarnt werden, etwas zu Salziges zu essen oder etwas zu Süßes oder Bier zu trinken; Schweinefleisch zu essen oder Fettes; bis zur Trunkenheit zu trinken oder eine Reise zu unternehmen; zu viel auf einem Pferd zu reiten, damit ihr Kind nicht schon vor der Geburt stirbt.
  • ff. 1–6v Inhaltsangabe Leechbook i.
  • ff. 6v-58v Leechbook i.
  • ff. 58v-65 Inhaltsangabe Leechbook ii.
  • ff. 65–109 Leechbook ii. 68 Rezepte.
  • f. 109 Lateinisches Kolophon, das Bald als Besitzer und Cilad als Kompilator nennt.
  • ff. 109–127v Leechbook iii. 73 Rezepte, die nicht direkt mit Bald in Verbindung gebracht werden.
  • ff. 127v De urinis.

Editionen

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Literatur

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  • M. L. Cameron: Bald‘s Leechbook: its sources and their use in its compilation. In: Anglo-Saxon England, 1983; 12: 153–182.
  • M. L. Cameron: Anglo-Saxon Medicine. University Press, Cambridge 1993.
  • Freya Harrison et al.: A 1,000-Year-Old Antimicrobial Remedy with Antistaphylococcal Activity. August 2015. doi:10.1128/mBio.01129-15
  • Gundolf Keil: Arzneibuch. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 104 f.; hier: S. 104.
  • A. L. Meaney: ':Variant Versions of Old English Medical Remedies and the Compilation of Bald's Leechbook, Anglo-Saxon England 13 (1984) pp. 235–68.
  • Tobias Niedenthal, Johannes Gottfried Mayer, Christina Lee, Alvaro Acosta-Serrano: Eine 1000 Jahre alte Rezeptur gegen multiresistente Keime. In: Zeitschrift für Phytotherapie, 2016; 37: 194–196.
  • J. F. Payne: English Medicine in Anglo-Saxon Times, Oxford: Clarendon Press, 1904.
  • E. Pettit: Anglo-Saxon Remedies, Charms, and Prayers from British Library MS Harley 585: The ‘Lacnunga’, 2 vols., Lewiston and Lampeter: Edwin Mellen Press, 2001. [Edition, with translation and commentary, of an Anglo-Saxon medical compendium that includes many variant versions of remedies also found in Bald's Leechbook.]
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Einzelnachweise

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  1. Mittelalter.wikia.
  2. Ein Augenheilmittel aus dem Mittelalter gegen Multiresistenz. Forschergruppe Klostermedizin, 31. März 2015.
  3. Robert Lacey, Danny Danziger August: The Year 1000: What Life Was Like at the Turn of the First Millennium Little. Brown, 2000. ISBN 0-316-51157-9.
  4. John McKinnell, Daniel Anlezark: Myths, Legends, and Heroes: Essays on Old Norse and Old English Literature in Honour of John McKinnell. University of Toronto Press, 2011, ISBN 978-0-8020-9947-1, S. 40.
  5. AncientBiotics - a medieval remedy for modern day superbugs?, Universität Nottingham, 30. März 2015.
  6. 1,000-year-old onion and garlic eye remedy kills MRSA. BBC News, 30. März 2015.
  7. Barbara Brennessel, Michael D.C. Drout and Robyn Gravel: A Re-Assessment of the Efficacy of Anglo-Saxon Medicine. In: Anglo-Saxon England, 34 (2005): 183-95.
  8. Michael Drout: Anglo-Saxon Medicine. 31. März 2015.
  9. Felix Hausleitner: Das altenglische Læceboc I und II: Textausgabe, Übersetzung, Kommentar. Utz Verlag, München 2020, ISBN 978-3-8316-4835-1, S. 68–69.
  10. Felix Hausleitner: Das altenglische Læceboc I und II: Textausgabe, Übersetzung, Kommentar. Utz Verlag, München 2020, ISBN 978-3-8316-4835-1, S. 68–69.