Antonio Spinelli

italienischer Theatinerpater

Antonio Spinelli (* 1630 in Padua; † 1706 in München) war ein venezianischer Jurist, Theatinerpater und als Beichtvater der Kurfürstenfamilie und Geheimrat ein einflussreicher Berater am Bayerischen Hof.

Antonio Spinelli studierte Jurisprudenz, promovierte im Zivilrecht und übte in Venedig eine Advokatur aus. Nach seinem Eintritt in den dortigen Theatinerorden bestand seine Tätigkeit für mehrere Jahre in der Unterweisung der Novizen.[1]

Auf Wunsch der bayerischen Kurfürstin Henriette Adelheid übersiedelte Spinelli im Juni 1662 nach München. Zusammen mit den Patres Stefano Pepe und Girolamo Meazza sollte er das Kloster St. Kajetan des Theatinerordens aufbauen.[1] Mit der Einlösung des Gelübdes des Kurfürstenpaares, anlässlich der Geburt des langersehnten Thronfolgers Max Emanuel den Orden in Bayern einzuführen,[2] verfolgte die Kurfürstin das erklärte Ziel, den Einfluss der Jesuiten zurückzudrängen.[3]

Nach dem Tod Stefano Pepes 1665 wurde Spinelli dessen Nachfolger als Beichtvater Henriette Adelheids und übte diese Funktion bis zum Tod der Kurfürstin 1676 aus.[4] Er war ferner der geistliche Erzieher der Kinder des Kurfürstenpaares und auch deren Beichtvater.

 
Charakteristischer Volutenkranz an einem der Türme der Münchner Theatinerkirche. Die Voluten dürften auf eine Idee Spinellis zurückgehen.[5]

Von 1665 bis 1676 hatte Spinelli, der sich auch für Architektur und Kunst interessierte, die Bauleitung der Theatinerkirche inne, nachdem er dem eigentlichen Baumeister Agostino Barelli einen fatalen Fehler in der Konstruktion nachweisen konnte.[6] Zudem beauftragte Kurfürstin Henriette Adelheid ihn 1670 mit dem Entwurf und der Ausführung des ersten Hochaltars der Theatinerkirche. Diese durch zwei überlebensgroße Engel und ein Kugeltabernakel bemerkenswerte Lösung war bis zur Einweihung des Gotteshauses 1675 fertig gestellt, erst in den 1720er Jahren wurde sie durch einen anderen Hochaltar ersetzt.[7]

1668 wurde Spinelli als Nachfolger Agostino Bozomos Probst des Münchner Theatinerklosters. Dieses Amt bekleidete er bis 1671 und dann erneut von 1674 bis 1680.[2] Er setzte sich besonders für die Heiligsprechung des Mitbegründers des Ordens, Kajetan von Thiene, ein, die er mit dem Wunder der Befreiung Neapels von der Pest 1556 und demjenigen der Geburt des Bayerischen Thronfolgers begründete. Die Heiligsprechung, die schließlich am 12. April 1671 erfolgte, wurde in München prachtvoll gefeiert und das monumentale Gemälde „Fürbitte des Hl. Kajetan während der Pest in Neapel“ von Joachim von Sandrart acht Tage lang in einer Triumphpforte vor der Residenz gezeigt, was letztlich zur Eskalation des Konfliktes mit den Jesuiten führte.[8] Anlässlich des Namenstages des jesuitischen Heiligen Franz Xaver im Dezember nannte der Jesuitenpater Wilhelm Gumppenberg in seinen Predigten diesen sowie die Heiligen Maria, Januarius und Rosalia als Befreier Neapels von der Pest. Die demonstrative Auslassung Kajetans in dieser Aufzählung verstand Spinelli nicht nur als Herabwürdigung Kajetans, sondern auch als Angriff auf die Ehre Gottes.[9] Mit Rückendeckung der Kurfürstin ließ er eine Protestnote an den Kirchen und Plätzen Münchens anschlagen, in der er Gumppenberg als einen „üblen Berichter“ bezeichnete.[10] Die Sache kam vor den zuständigen Bischof von Freising, den Wittelsbacher Albrecht Sigismund von Bayern, der als Parteigänger der Jesuiten galt und der Gründung des Theatinerordens größte Schwierigkeiten in den Weg gelegt hatte. Dass der Konflikt dennoch zu Gunsten Spinellis ausging und Gumppenberg letztendlich aus München nach Salzburg abberufen wurde, zeigt die starke Position, die sich Spinelli inzwischen aufgebaut hatte.

Obwohl Ferdinand Maria lebenslang einen Jesuiten als Beichtvater hatte, war es der Theatiner Spinelli, der ihm 1679 im Schloss Schleißheim die Sterbesakramente reichte,[11] da der jesuitische Pater Bernhard Frey[12][13] wenige Stunden vor dem Tod des Kurfürsten nach München aufgebrochen war.

Auch unter Ferdinand Marias Sohn und Nachfolger behielt Spinelli seinen Einfluss. Als Henriette Adelheids älteste Tochter Maria Anna Christina 1680 den französischen Thronfolger Ludwig, einen Sohn Ludwigs XIV., heiratete, wünschte sie sich, dass Spinelli sie als Beichtvater in ihr zukünftiges Leben begleiten sollte. Da dieser jedoch am Hof Max Emanuels unabkömmlich war und Frankreich der neuen Dauphine sowieso keinen bayerischen Beichtvater gestatten wollte, zerschlugen sich die Hoffnungen, auch am französischen Hof Fuß zu fassen. Spinelli begleitete Max Emanuel auf allen seinen Ungarnfeldzügen. 1690 erhielt er den Titel eines Geheimen Wirklichen Geistlichen Rates.[14]

 
Spinellis Streitschrift gegen Gumppenberg, im Druck erschienen 1672

Das Kloster-Tagebuch, das Spinelli von Dezember 1673 bis März 1705 mit großer Genauigkeit führte, stellt wohl eine der wichtigsten Quellen zur Geschichte des Theatinerstiftes in München dar. Vor ihm hatte schon sein Mitbruder Girolamo Meazza ein solches Diarium verfasst (von 1662 bis 1671).[15]

Schriften

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  • Antonio Spinelli: Kurzer Auszug eines Berichts so Ihr: Churfl: Durchl: der Churfürstin in Bayern durch Patrem D. Antonium Spinelli Regulierten Priester Theatiner Ordens und Ihro Churfl. Durchl. Beichtvattern überraicht worden. Johann Jäcklin, München (books.google.de – Kontroverstheologische Streitschrift Spinellis gegen Gumppenberg).

Einzelnachweise

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  1. a b Roswitha von Bary: Henriette Adelaide. Kurfürstin von Bayern. Unveränderter Nachdruck der Original-Ausgabe München 1980. Pustet, Regensburg 2004, ISBN 3-7917-1873-8, S. 194.
  2. a b Ernest Geiss: Die Reihenfolgen der Pfarr- und Ordensvorstände Münchens von der Gründungszeit bis zur Gegenwart, dann der landesherrlichen und städtischen Beamten vom 13. bis 18 Jahrh. Zur 700 jährigen Jubelfeier der Stadt München. Hrsg.: Historischer Verein für Oberbayern. C. Wolf u. Sohn, München 1858, S. 30 f. (Digitalisat [abgerufen am 24. Mai 2013]).
  3. Carl Eduard Vehse: Geschichte der Höfe der Häuser Baiern, Würtemberg, Baden und Hessen (= Geschichte der deutschen Höfe seit der Reformation. 1. Theil, Nr. 23). Hoffmann und Campe, Hamburg 1853, S. 177 (Digitalisat [abgerufen am 24. Mai 2013]).
  4. von Bary: Henriette Adelaide. 2004, S. 197.
  5. Frank Purrmann: Agostino Barellis Doppelturmplanung für die Fassade der Theatinerkirche in München. Zu einem neu entdeckten Kupferstich des Jean Sauvé. München 2011, S. 24.
  6. Josef Hugo Biller, Hans-Peter Rasp: München Kunst & Kultur. Stadtführer und Handbuch. 15., völlig neu bearbeitete Auflage. Ludwig, München 2003, ISBN 3-7787-5125-5, S. 421.
  7. Thomas Reiser: St. Kajetan’s of Munich ‘Main Altar of 1675’ in the Year 1675. In: Regnum Dei, Collectanea Theatina. 68 (2012), S. 77–108.
  8. von Bary: Henriette Adelaide. 2004, S. 205.
  9. vgl. die Rechtfertigungsschrift von jesuitischer Seite an den Bischof: Christoph Schorrer: Demüthigste Beantwortung Ihr Hochfürstlichen Durchlaucht Bischofen zu Freysing gnädigsten Schreibens von dem newlich beschehnen Verlauff wegen einer Predig so von dem Neapolitanischen Miracul des heiligen Francisci Xaverii in St. Michaelis Kirchen der Societet Jesu allhie erzehlet worden. Lucas Straub, München 1672 (books.google.de [abgerufen am 26. Mai 2013]).
  10. Karl Heinrich von Lang: Geschichte der Jesuiten in Baiern. Riegel und Wießner, Nürnberg 1819, S. 165, urn:nbn:de:bvb:12-bsb10386968-1.
  11. von Bary: Henriette Adelaide. 2004, S. 323.
  12. Italo Michele Battafarano: Spee nicht bei Drexel. Zur Strategie, wissend über die Cautio Criminalis zu schweigen. In: Arbeitsgemeinschaft der Friedrich-Spee-Gesellschaften Düsseldorf und Trier (Hrsg.): Spee-Jahrbuch. 3. Jahrgang. Spee, 1996, ISSN 0947-0735, S. 112 (historicum.net [PDF; 728 kB; abgerufen am 18. September 2012]). historicum.net (Memento vom 11. März 2014 im Internet Archive)
  13. Udo Kindermann: Kunstdenkmäler zwischen Antwerpen und Trient. Beschreibungen und Bewertungen des Jesuiten Daniel Papebroch aus dem Jahre 1660. Erstedition, Übersetzung und Kommentar. Böhlau, Köln/Weimar 2002, ISBN 3-412-16701-0, S. 233, Fußnote 6 (books.google.de [abgerufen am 18. September 2012]).
  14. Ludwig Hüttl: Max Emanuel. Der Blaue Kurfürst, 1679–1726. Eine politische Biographie. 3. Auflage. Süddeutscher Verlag, München 1976, ISBN 3-7991-5863-4, S. 614 (Fußnote 662).
  15. Eine Kurzübersicht von Inhalt, Aufbau und Autorschaften der erhaltenen Bände des Diarium Italicum (von 1662 mit Lücken bis 1801, heute im Bayerischen Hauptstaatsarchiv) bietet Reiser, S. 88–90.