2. Untersuchungsausschuss der 20. Wahlperiode des Deutschen Bundestages

Der 2. Untersuchungsausschuss der 20. Wahlperiode des Deutschen Bundestages, der vom 20. Deutschen Bundestag eingesetzt wurde, soll ein Gesamtbild von den Entscheidungsprozessen in der Bundesregierung zur Anpassung der Energieversorgung Deutschlands, der Gesetzgebung und der Energiepolitik nach dem Ausbruch des Kriegs gegen die Ukraine sowie von den in die Entscheidungsprozesse eingeflossenen Informationen, den leitenden Überlegungen und Zielsetzungen und von der Kommunikation gegenüber Parlament und Öffentlichkeit verschaffen. Er soll auch im Zusammenhang mit der endgültigen Stilllegung der letzten drei in Deutschland betriebenen Kernkraftwerke im Jahr 2023 klären, ob der Abschaltung der Kraftwerke im April 2023 eine ergebnisoffene Prüfung einer Laufzeitverlängerung vorausging. Der Untersuchungsausschuss konstituierte sich am 4. Juli 2024 in einer öffentlichen Sitzung mit Bundestagspräsidentin Bärbel Bas.

Hintergrund

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Im Rahmen des Atomausstiegs in Deutschland sollten die drei letzten betriebenen Kernkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland nach dem Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz/AtG) zum 31. Dezember 2022 den Leistungsbetrieb beenden. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sagte am 27. Februar 2022 im Bericht aus Berlin eine ergebnisoffene Prüfung zu einem möglichen Weiterbetrieb der Kernkraft in Deutschland zu.

In einem Vermerk der Fachebene des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) vom 1. März 2022 wurde darauf eingegangen, unter welchen Voraussetzungen ein kurzzeitiger oder ein langzeitiger Weiterbetrieb möglich und mit der nuklearen Sicherheit verträglich wäre. In einem Vermerk vom 3. März 2022 hieß es vom Leiter der Abteilung Nukleare Sicherheit und Strahlenschutz im BMUV, dass eine Verlängerung der Laufzeit über den gesetzlich festgelegten 31. Dezember 2022 hinaus sicherheitstechnisch nicht vertretbar wäre. Am 7. März 2022 lehnten das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und das BMUV gemeinsam einen Weiterbetrieb ab, auch aus Gründen der nuklearen Sicherheit. Bundeskanzler Olaf Scholz setzte Mitte Oktober 2022 per Richtlinienkompetenz den Weiterbetrieb der Kernkraftwerke bis zum 15. April 2023 durch.

In der Folge wurden Zweifel geäußert an einer tatsächlichen ergebnisoffenen Prüfung eines Weiterbetriebs durch das Ministerium unter Robert Habeck. Mit Urteil vom 22. Januar 2024 unterlag das BMWK vor dem Verwaltungsgericht Berlin gegen einen Journalisten des Magazins Cicero und musste Unterlagen zu den vorstehenden Vorgängen freigeben (Az. VG 2 K 302/22 u. a.);[1] das Magazin veröffentlichte daraufhin am 25. April 2024 einen Artikel unter der Überschrift „Wie die Grünen beim Atomausstieg getäuscht haben“[2] mit der Kernaussage, dass sowohl im Wirtschafts- als auch im Umweltministerium im Frühjahr 2022 Bedenken zum Atomausstieg unterdrückt wurden; nach einem Faktencheck der Originaldokumente durch andere Medien stand diese Berichterstattung unter Kritik.[3]

In der 168. Sitzung des 20. Deutschen Bundestag am 14. Mai 2024 fand auf Antrag der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag eine Aktuelle Stunde unter dem Titel „Kernkraft-Aus – Vorgänge um Bundesminister Habeck und Bundesministerin Lemke transparent aufklären“ statt.[4][5]

Die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag brachte im Juni 2024 einen Antrag zur „Einsetzung des 2. Untersuchungsausschusses der 20. Wahlperiode“ (20/11731)[6] ein, um die Umstände des Atomausstiegs aufzuklären.

Die Fraktion schlug vor, dass dem Untersuchungsausschuss 14 ordentliche Mitglieder (SPD- und CDU/CSU-Fraktion je vier, Bündnis 90/Die Grünen und FDP-Fraktion je zwei, AfD-Fraktion und Gruppe Die Linke je ein Mitglied sowie jeweils stellvertretende Mitglieder) angehören sollen.[7]

Angestrebt wurde laut Antrag „ein umfassendes und detailliertes Gesamtbild [...] von den Entscheidungsprozessen in der Bundesregierung zur Anpassung der Energieversorgung Deutschlands, der die Energieversorgung von Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen betreffenden Regelsetzung, insbesondere der Gesetzgebung, und der Energiepolitik an die nach dem Ausbruch des Kriegs gegen die Ukraine fundamental veränderte Lage sowie von den in die Entscheidungsprozesse eingeflossenen Informationen, den die getroffenen Entscheidungen leitenden Überlegungen und Zielsetzungen und von der diesbezüglichen Kommunikation gegenüber Parlament und Öffentlichkeit“.[6]

Der Untersuchungszeitraum soll am 24. Februar 2022 beginnen und mit dem Beschluss des Bundestages über die Einsetzung des 2. Untersuchungsausschusses enden.

Nach Artikel 44 des Grundgesetzes kann und muss der Deutsche Bundestag auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder einen Untersuchungsausschuss einsetzen.[8] Der Unionsfraktion gehörten zum Zeitpunkt des Antrags 196 der 733 Mitglieder des Deutschen Bundestages an und somit mehr als die benötigten 25 Prozent.

Am 14. Juni 2024 wurde im Plenum dazu diskutiert, im Anschluss an die Aussprache wurde der Antrag an den federführenden Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zur weiteren Beratung überwiesen.[9][10] Am 2. Juli 2024 brachte die Unionsfraktion noch einen Änderungsantrag zu ihrem Antrag ein. Der Prüfungsausschuss tagte am 3. Juli 2024.[11] Die Fraktionen der Koalition brachten an diesem Tag einen weiteren Änderungsantrag, betreffend die Reduzierung der Zahl der Mitglieder, ein. Die Gruppe Die Linke erklärte im Prüfungsausschuss, sich am Untersuchungsausschuss nicht zu beteiligen. Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung empfahl dem Bundestag die Annahme des Antrags in geänderter Fassung mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und AfD bei Stimmenthaltung der Fraktionen SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP sowie der Gruppe Die Linke.[12] In der 181. Sitzung des 20. Deutschen Bundestages am 4. Juli 2024 war diese Empfehlung als abschließende Beratung ohne Aussprache vorgesehen; der Untersuchungsausschuss wurde so eingesetzt.

Untersuchungsauftrag ist, sich „ein umfassendes und detailliertes Gesamtbild [zu] verschaffen von den Entscheidungsprozessen in der Bundesregierung zur Anpassung der Energieversorgung Deutschlands, der die Energieversorgung von Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen betreffenden Regelsetzung, insbesondere der Gesetzgebung, und der Energiepolitik an die nach dem Ausbruch des Kriegs gegen die Ukraine fundamental veränderte Lage sowie von den in die Entscheidungsprozesse eingeflossenen Informationen, den die getroffenen Entscheidungen leitenden Überlegungen und Zielsetzungen und von der diesbezüglichen Kommunikation gegenüber Parlament und Öffentlichkeit“ im Zeitraum vom 24. Februar 2024 bis zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses.[12]

Insbesondere soll geklärt werden,

  • welche Informationen über die Energieversorgung und ihre Entwicklung sowie die nukleare Sicherheit verfügbar waren und in die Entscheidungsprozesse einbezogen wurden oder aber welche Informationen hätten verfügbar gemacht und einbezogen werden können und wieso das ggf. nicht geschah,[12]
  • ob und gegebenenfalls welche mit Fragen der Energieversorgung und der nuklearen Sicherheit befassten deutschen und internationale Behörden, Forschungseinrichtungen etc. in den Entscheidungsprozessen mit Bundesbehörden in Kontakt standen oder beteiligt wurden oder welche ggf. hätten kontaktiert oder beteiligt werden können und wieso das ggf. nicht geschah,[12]
  • ob Bundestag und Öffentlichkeit jeweils umfassend, zeitnah, sachgerecht und zutreffend informiert wurden[12] sowie
  • ob die von Bundesminister Habeck am 27. Februar 2022 zugesagte ergebnisoffene Prüfung stattgefunden hat.[12]

Geprüft werden soll zudem, Der Ausschuss soll zudem prüfen, ob und in wie die Art und Weise der Aktenführung und Entscheidungsdokumentation die parlamentarische Kontrolle von Entscheidungen ermöglicht oder erschwert und welche Änderungen von Vorschriften deshalb sachgerecht und geboten sind.[12]

Mitglieder

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Dem Untersuchungsausschuss sollen elf ordentliche Mitglieder (SPD-Fraktion sowie CDU/CSU-Fraktion je drei Mitglieder, Fraktion Bündnis90/Die Grünen sowie FDP-Fraktion je zwei Mitglieder, AfD-Fraktion ein Mitglied) und eine entsprechende Anzahl von stellvertretenden Mitgliedern angehören; die Gruppe Die Linke wollte sich am Untersuchungsausschuss nicht beteiligen.[12]

Zum Start des Untersuchungsausschusses wurden als Mitglieder benannt:

Vorsitzender ist Stefan Heck, sein Stellvertreter Robin Mesarosch.[13]

Zeugen im Untersuchungsausschuss

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Die Liste der zu ladenden Zeugen muss noch verhandelt werden.[16] Geladen werden sollen die Bundesminister Robert Habeck und Steffi Lemke;[17] erwartet wird auch eine Ladung Bundeskanzlers Olaf Scholz.[18]

Sitzungen des Untersuchungsausschusses

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Der Untersuchungsausschuss tagt ab Juli 2024.

Sitzungstermine

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Am 4. Juli 2024 konstituiert sich der Untersuchungsausschuss in einer öffentlichen Sitzung mit Bundestagspräsidentin Bärbel Bas.[13]

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Einzelnachweise

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  1. www.lto.de, Jour­na­list darf Doku­mente über AKW-Wei­ter­be­trieb ein­sehen, in: Legal Tribune Online, 15. Februar 2024, abgerufen am 3. Juli 2024
  2. www.cicero.de, Daniel Gräber: Wie die Grünen beim Atomausstieg getäuscht haben, in: Cicero, 25. April 2024, abgerufen am 3. Juli 2024
  3. Thomas Laschyk, Philip Kreißel: AKW-Pseudo-Skandal: Cicero scheitert vor Gericht gegen Volksverpetzer. In: Volksverpetzer. 21. Juni 2024, abgerufen am 3. Juli 2024 (deutsch).
  4. dserver.bundestag.de, Plenarprotokoll 20/168, 14. Mai 2024, abgerufen am 3. Juli 2024
  5. www.bundestag.de, „Bundestag debattiert über das „Kernkraft-Aus““, 15. Mai 2024, abgerufen am 3. Juli 2024
  6. a b dserver.bundestag.de, Deutscher Bundestag, Drucksache 20/11731, 11. Juni 2024, abgerufen am 3. Juli 2024
  7. www.bundestag.de, „Untersuchungsausschuss zum Atomausstieg gefordert“, 7. Juni 2024, abgerufen am 3. Juli 2024
  8. www.gesetze-im-internet.de, „Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art 44“, abgerufen am 3. Juli 2024
  9. dserver.bundestag.de, Deutscher Bundestag – 20. Wahlperiode – Plenarprotokoll 176. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2024, Seiten 22763–22782, 14. Juni 2024, abgerufen am 3. Juli 2024
  10. www.das-parlament.de, „Untersuchungsausschuss soll Umstände des Atomausstiegs klären“, 14. Juni 2024, abgerufen am 3. Juli 2024
  11. www.bundestag.de, Tagesordnung, 3. Juli 2024, abgerufen am 3. Juli 2024
  12. a b c d e f g h dserver.bundestag.de, Deutscher Bundestag, Drucksache 20/12142, 3. Juli 2024, abgerufen am 4. Juli 2024
  13. a b c d e f g h i j www.bundestag.de, „Untersuchungsausschuss zum Atomausstieg hat sich konstituiert“, 4. Juli 2024, abgerufen am 5. Juli 2024
  14. www.gruene-bundestag.de, „Mitglieder für den 2. Untersuchungsausschuss der 20. Wahlperiode“, 3. Juli 2024, abgerufen am 3. Juli 2024
  15. von-notz.de, „PM: Konstantin von Notz freut sich auf Arbeit im Untersuchungsausschuss“, 4. Juli 2024, abgerufen am 4. Juli 2024
  16. www.zdf.de, „Manipulierte Habeck den Atomausstieg?“, 4. Juni 2024, abgerufen am 3. Juli 2024
  17. www.tagesschau.de, „Warum der Atomausstieg noch einmal untersucht wird“, 4. Juli 2024, abgerufen am 4. Juli 2024
  18. www.rnd.de, „Untersuchungsausschuss zu Habecks Rolle beim Atomausstieg startet“, 4. Juli 2024, abgerufen am 4. Juli 2024