Ölliste von Monza

spätantikes Reliquienregister

Die Ölliste von Monza ist ein zweispaltig in mittellateinischer Sprache beschriebenes Papyrusblatt aus dem Domschatz von Monza mit einem Verzeichnis römischer Märtyrer.

Ölliste von Monza

Entstehung und Inhalt

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Die langobardische Königin Theudelinde beauftragte um 600 n. Chr. einen Mönch namens Johannes damit, römische Reliquien in die Hauptstadt ihres Reichs zu bringen, nach Monza.[1] Da die römische Kirche zu dieser Zeit an der Intaktheit der Körper der Heiligen festhielt, kam eine Abtrennung von Körperteilen nicht in Betracht. Johannes füllte Öl aus den Lampen, die vor den Heiligengräbern brannten, in Glasampullen ab. Das war eine gängige Praxis, um Kontaktreliquien zu gewinnen.[2] Zusätzlich zur Kennzeichnung der Ampullen mit Etiketten (pittacia) fertigte Johannes auch eine Liste unter dem Titel Not(itia) de olea[3] s(an)c(t)orum martyrum qui Romae in corpore requiescunt idest[4] („Dies ist die Aufstellung über die Öle der heiligen Märtyrer, die in Rom im Leibe ruhen“) an. Dieses Verzeichnis nennt, angefangen mit Petrus und Paulus, 67 Heiligennamen, was daher von Volker Bierbrauer als ursprüngliche Zahl der Ampullen angenommen wird. Alternativ wird auch vermutet, dass Öl von mehreren Gräbern jeweils in einem Glasfläschchen zusammengeschüttet wurde. Erhalten sind im Domschatz zu Monza 26 Ampullen. Aber nicht alle von ihnen wurden mit Sicherheit von Johannes aus Rom mitgebracht; Dennis Trout und andere rechnen mit 14 Ampullen des Johannes, die sich aber unter den 26 Exemplaren nicht mehr unterscheiden lassen, zumal Rom zu jener Zeit ein Zentrum der Glasproduktion war.[5]

Mit den Ampullen und den sie authentifizierenden Texten erhielt Theudelinde sozusagen die Essenz Roms als Stadt der Märtyrer.[6]

  • Linke Spalte:

sancti Petri apostholi
sancti Pauli apostholi
[sanct]i Pancrati
sancti Arthemi[7]
sanctae Sofiae cum tres filias suas
sanctae Paulinae
sanctae Lucinae
sancti Processi
sancti Martiniani
[san]c[ti] Grisanti
[sanct]ae D[a]riae
sancti Mauri
sancti Iason
[et a]li[i] sancti multa milia
sancti Sat[ur]nini[8]
sancti […]pinionis
sancti Systi
[sanct]i L[au]renti
[san]cti [Ypp]oliti
sanctorum Iohannis et Pauli
sanctae A[gnet]is et aliarum
mul[ta]rum mar[ty]rum
sancti Y[…]ion
sanctae So[th]eris
sanctae Sa[pie]ntiae[9]
sanctae Sp[ei]
sanctae Fides
sanctae Ca[rit]atis
sanctae C[a]e[cili]ae
[sanct]i [T]arsicii
sancti Cornilii
et multa milia sanctorum
[sanct]i Iohannis sancti Liberalis
[………………………]
[sancti B]lastro[10] et multorum sanctorum
[sed et] alii sancti idest CCLXII
[in unu]m locum et alii CXXII
[et alii sancti] XLV quos omnes
[Iust]inus presbiter colliga
[sancti Laure]nti martyris sepelivit
[s. Feli]citatis cum septem[filios s]uos

  • Rechte Spalte:

sancti Bo[ni]f[a]ti
sancti Hermitis
sancti Proti
sancti Iacynti
sancti Maximiliani
sanctus Crispus
sanctus Herculanus
sanctus Bauso
sancta Basilla
oleo de s[i]de ubi prius sedit sanctus Petrus
sancti Vitalis
sancti Alexandri
sanctus Martialis
sanctus Marcellus
sancti Siluestri
sancti Felicis
sancti Filippi et aliorum multorum sanctorum
sancti Seuastiani
sancti Eutycii
sancti Quirini
sancti Valeriani
sancti Tiburtii
sancti Maximi
sancti Orba[ni]
sancti Ianuarii
sanctae Petronillae filiae sancti Petri apostoli
sancti Nerei
sancti Damasi
sancti Marcelliani
[sancti A]cillei
[sancti Ma]rci

+ quas[11] olea sancta tenporib[u]s domni
Gregorii papae addu-
xit Iohannis[12] indignus et pecca-
tor domnae Theodelindae
reginae de Roma.
(„Diese heiligen Öle brachte zur Zeit des Herrn Papstes Gregor
der unwürdige Sünder Johannes
der Herrin Königin Theodelinda aus Rom.“)

Die Ölliste als historische Quelle

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Da Johannes bei seiner Liste die Heiligengräber entlang der Ausfallstraßen aufführte, wird die Ölliste von Monza als Quelle für die Topographie des frühmittelalterlichen Rom genutzt. Roberto Valentini und Giuseppe Zucchetti rekonstruierten die von Johannes beim Sammeln des heiligen Öls zurückgelegte Route folgendermaßen: Er begann am Petrusgrab im Vatikan. Anschließend führte man ihn zur Via Salaria Nuova und zur Via Tiburtina mit einem Abstecher zum Caelius. Hier suchte man die Basilika Santi Giovanni e Paolo auf, das einzige innerstädtische Ziel. Dann ging es zur Via Nomentana und zur Via Appia, zu den beiden Viae Salariae und schließlich zur Via Ardeatina.[13] Allerdings ist Johannes’ Liste unter dem Gesichtspunkt der Topographie unordentlich erstellt, und wichtige Ausfallstraßen mitsamt den daran befindlichen Heiligengräbern fehlen ganz: die Via Flaminia, Via Labicana, Via Latina und Via Portuensis.[14]

Publikation

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Die Ölliste von Monza wurde früh in ihrem historischen Wert erkannt. Lodovico Antonio Muratori publizierte sie als Erster (Mailand 1696). Weitere frühe Veröffentlichungen stammen von Thierry Ruinart (Amsterdam 1713) und Jean Mabillon (Trient 1724). Die erste Edition nach modernen wissenschaftlichen Maßstäben legte Alessandro Sepulcri 1903 vor.

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Text und Kommentar

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  • Corpus Christianorum, Series Latina, Band 175. Turnhout 1965, S. 286–295.
  • Alessandro Sepulcri: I papiri della basilica di Monza e le reliquie inviate di Roma. In: Archivio Storico Lombardico 19 (1903), S. 258–263. (Online)
  • Roberto Valentini, Giuseppe Zucchetti: Codice topografico della città di Roma. Band 2. Tipografia del senato, Rom 1942, S. 36–47. (Online)

Literatur

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Anmerkungen

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  1. Da die Liste im Kolophon in die Amtszeit des Papstes Gregor datiert wird, wurde vermutet, dass der Papst die Öle der Königin zum Geschenk machte. Es ist aber wahrscheinlicher, dass die Initiative von ihr ausging. Vgl. Dennis Trout: Theodelinda’s Rome: “Ampullae”, “Pittacia”, and the Image of the City, 2005, S. 133 f.
  2. Hanswulf BloedhornDevotionalien/Devotionalienhandel II. Alte Kirche. In: Religion in Geschichte und Gegenwart (RGG). 4. Auflage. Band 2, Mohr-Siebeck, Tübingen 1999, Sp. 778.
  3. Lateinisch korrekt wäre oleis.
  4. Lateinisch korrekt wäre id est.
  5. Dennis Trout: Theodelinda’s Rome: “Ampullae”, “Pittacia”, and the Image of the City, 2005, S. 131 Anm. 1.
  6. Dennis Trout: Theodelinda’s Rome: “Ampullae”, “Pittacia”, and the Image of the City, 2005, S. 144.
  7. Vgl. Theofried Baumeister: Artemius, hl. In: Walter Kasper (Hrsg.): Lexikon für Theologie und Kirche. 3. Auflage. Band 1. Herder, Freiburg im Breisgau 1993, Sp. 1044.
  8. Vgl. Victor Saxer: Saturninus, hl. In: Walter Kasper (Hrsg.): Lexikon für Theologie und Kirche. 3. Auflage. Band 9. Herder, Freiburg im Breisgau 2000, Sp. 86.
  9. Heilige Sapientia (Weisheit) mit den drei Töchtern Spes (Hoffnung), Fides (Glaube) und Caritas (Liebe). Die Gruppe wird auch im Itinerarium Malmesburiense genannt; die Lokalisierung dieser Gräber bietet besondere Probleme, ebenso die Historizität der Personen.
  10. Vgl. Marcus Stark: Blastus, röm. Mart. In: Walter Kasper (Hrsg.): Lexikon für Theologie und Kirche. 3. Auflage. Band 2. Herder, Freiburg im Breisgau 1994, Sp. 523.
  11. Lateinisch korrekt wäre quae.
  12. Lateinisch korrekt wäre Iohannes.
  13. Roberto Valentini, Giuseppe Zucchetti: Codice topografico della città di Roma, Rom 1942, S. 32.
  14. Dennis Trout: Theodelinda’s Rome: “Ampullae”, “Pittacia”, and the Image of the City, 2005, S. 134 Anm. 26.