Stielers Hand-Atlas

deutscher Atlas
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Stielers Hand-Atlas, oder vollständig als Hand-Atlas über alle Theile der Erde und über das Weltgebäude betitelt, war ein von Adolf Stieler (1775–1836) initiierter und weit verbreiteter deutscher Atlas. Verlegt durch Justus Perthes in Gotha, erschien er in zehn Überarbeitungen von 1816 bis 1944.[1] Mit seiner kontinuierlichen Erweiterung und handwerklichen Verbesserung wurde besonders die sechste Ausgabe für ihre durchgängig hohe Qualität und unübertroffenen Reliefdarstellungen berühmt. Die Hundertjahr-Ausgabe gilt als der umfangreichste Atlas der Moderne.

Stielers Hand-Atlas Hundertjahr-Ausgabe (27 × 40 × 7 cm, 5,4 kg)
Süd-Polar-Karte, 1912

Wie viele damalige Publikationen, wurde jede Ausgabe in Teillieferungen veröffentlicht und nach der Fertigstellung um Supplemente ergänzt. So erschien die erste Ausgabe in vier Lieferungen und wurde durch acht Supplemente ergänzt, die achte Ausgabe in 32 monatlichen Teilen.

Ausgaben

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Inner-Asien & Indien, Südliches Blatt, in der Ausgabe von 1891
 
Reliefzeichnungen in Stielers Handatlas 1891 Blatt 16
 
Iran und Turan (Kadscharen Dynastie), in der Ausgabe von 1891

Die erste Ausgabe von Stieler und Christian Gottlieb Reichard (1758–1837) erschien 1817. Die 50 Karten wurden bis 1823 in vier Teillieferungen komplettiert. Sie wurde in acht Supplementlieferungen bis 1835 auf 77 Karten erweitert. Das letzte Supplement leitete Heinrich Berghaus (1797–1884).[2]

Nach dem Tode Stielers setzte Johann Friedrich von Stülpnagel (1786–1865) die Arbeit mit der zweiten (1845–1847) und dritten Ausgabe (1852–1854) fort. Sie enthielten 83 Karten. Die vierte Ausgabe erschien 1862–1864, die fünfte 1866–1868, jeweils mit 84 Karten. Das Blatt Süd-West Deutschland und Schweiz Carl Vogels (1828–1897) dieser Ausgabe kann als die erste moderne Atlaskarte betrachtet werden. Die sachliche Schrift von H. Eberhardt und die plastische Geländedarstellung von W. Weiler wurden vielfach nachgeahmt.

Erst mit der sechsten Ausgabe (1871–1875, 90 Karten) von August Petermann (1822–1878), Hermann Berghaus (1828–1890) und Carl Vogel erreichte das Werk allerdings die wissenschaftliche Qualität und die unübertroffenen Reliefdarstellungen, die Stielers Hand-Atlas so berühmt machten. Petermann brachte zusammen mit Bernhardt Perthes (1821–1857) große Erfahrungen aus der aufwändigen Produktion der Kartenbeilagen zu den seit 1855 erschienenen Petermanns Geographischen Mitteilungen ein.

Eine siebte Ausgabe wurde 1879–1882 herausgegeben; eine achte 1888–1891 (jeweils 95 Karten), beide unter der Leitung von Hermann Berghaus, Carl Vogel und Hermann Habenicht (1844–1917). Obwohl die Druckverfahren inzwischen weitgehend auf Lithographie umgestellt waren, wurde eine Reihe von Karten in Stielers Hand-Atlas bis in die 1890er Jahre weiterhin als Kupferstich auf manuellen Druckpressen produziert.

Die neunte Ausgabe (1901–1905) von Habenicht erreichte mit 100 Karten die doppelte Anzahl der ersten Ausgabe und wurde als erste über Zylinder gedruckt und somit durch den geringeren Preis einem breiteren Publikum zugänglich. Sie gilt auch als die beste Ausgabe, in der alle Karten die Qualität Vogels Karte von 1868 erreichten. 16 Karten hieraus wurden ins Englische übersetzt und auf das Angloamerikanische Maßsystem umgerechnet Teil der 11. Ausgabe der Encyclopædia Britannica (1910–1911).[3] J. G. Bartholomew schrieb in 1902: „Keine andere Privatfirma war jemals mit so vielen angesehenen Geographen und Kartographen verbunden oder hat sich durch ihre hochkartigen Werke so große Verdienste um die geographische Wissenschaft erworben wie Justus Perthes von Gotha“.[4] In dem Artikel lobt er den Stieler, den kein britischer Atlas übertreffen kann.

Hermann Haack (1872–1966) bearbeitete die zehnte „Hundertjahr-Ausgabe“ (1920–1925).[1] Sie enthielt neben den nun 108 Karten ein Namensverzeichnis mit 320.000 Einträgen und gilt als der umfangreichste Atlas der Moderne. Ihre Geländedarstellungen machen die Schrift nur schwer lesbar.

Zwischen 1939 und 1945 erschienen von Haack bei Perthes, Gotha, drei modifizierte „Kriegsausgaben“ der „Hundertjahr-Ausgabe“; und zwar 1939, 1942 und noch Anfang 1945, jeweils mit „aktualisierten“, dem Eroberungs- und Vernichtungskrieg der Deutschen und der von ihnen beabsichtigten territorialen „Neuordnung“ angepassten Kartenblättern.[5]

„The aggressive territorial expansion of Germany and the political reorganizations which were imposed on many of the states (...) made it necessary to revise the maps (...) in rapid succession. (...). The result was an almost continuous reworking of the 'Stieler'“.[6]

Englische Versionen der neunten und zehnten Ausgabe erschienen als Stieler’s Atlas of Modern Geography und mit ähnlichen Titeln auch in Französisch, Italienisch und Spanisch. Eine internationale Ausgabe (1934–1940) blieb unvollendet. Durch den Zweiten Weltkrieg erschienen nur 84 der geplanten 114 Karten. Die Arbeit wurde in 432 Kupferplatten gestochen und blieb erhalten.[7]

Ausgaben von Stielers Hand-Atlas
Jahr Ausgabe Hauptkarten Namen Kommentare
1816–1833 Vorausgabe[8] 50 Adolf Stieler und Christian Gottlieb Reichard Durch acht Supplementlieferungen bis Juli 1835 stieg die Blattzahl auf 77[2]
1834–1845 erste[9] 50 Adolf Stieler und Christian Gottlieb Reichard Durch acht Supplementlieferungen bis Juli 1835 stieg die Blattzahl auf 77[2]
1845–1847 zweite[10] 83 Friedrich von Stülpnagel
1852–1854 dritte[11] 83 Friedrich von Stülpnagel
1862–1864 vierte[12] 84
1866–1868 fünfte[13] 84 (August Petermann)[14]
1871–1875 sechste[15] 90 August Petermann, Hermann Berghaus und Carl Vogel
1879–1882 siebte[16] 95 Hermann Berghaus, Carl Vogel und Hermann Habenicht
1888–1891 achte[17] 95 Hermann Berghaus, Carl Vogel und Hermann Habenicht
1901–1905 neunte[18] 100 Hermann Habenicht, Herrmann Haack[19] Umstellung auf Lithographie, Kupferplatten erhalten, Grundlage für 16 englische Karten der 11. Ausgabe der Encyclopædia Britannica
1925–1945 zehnte („Hundertjahr-Ausgabe“)[20] 108 Hermann Haack[19] aktualisierte „Kriegsausgaben“: 1939, 1942, 1944 und Anfang 1945; Kupferplatten erhalten, Namensverzeichnis mit 320.000 Einträgen
1934–1940 internationale (elfte)[21] 84 Kupferplatten erhalten, unvollendet

Der Verweis „Gotha: Justus Perthes“ ziert jedes Blatt des Handatlas. Er verweist auf die „Justus Perthes’ Geographische (Verlags-)Anstalt Gotha“, die 1785–2016 in Gotha unter unterschiedlichen Eigentumsverhältnissen ansässig und neben diesem Werk auch für weitere Atlanten, wie beispielsweise „Berghaus’ Physikalischer Atlas“, bekannt war.

Erst kurz vor seinem Tod begann der Verlagsgründer Justus Perthes Planungen zu diesem Atlas mit Adolf Stieler und Christian Gottlieb Reichard. Ziel war ein „… Bequemes Format, möglichste Genauigkeit, Deutlichkeit und Vollständigkeit, dabey doch zweckmäßige Auswahl, Gleichförmigkeit der Projektion und des Maßstabes, schönes Papier, guter Druck, sorgfältige Illumination, wohlfeiler Preis …“. Die Auflage begann erst im Todesjahr des Verlegers und seinen Weltruhm für dieses Werk erlangte der Verlag erst sehr viel später.

Justus Perthes legte den Preis für die Subskription anfangs auf acht sächsische Taler fest, die zur Hälfte bei erster und dritter der vier Teillieferungen fällig wurden. Bei Abnahme von fünf Exemplaren gab es ein Sechstes umsonst.[22] Bereits bei der ersten Teillieferung im April 1817 musste er den Preis auf 10 Taler erhöhen. Exemplare auf Velin lagen bei 12 Talern. Bei Erscheinen der letzten Lieferung im März 1823 lag der Preis bei 12 Taler 12 Groschen für das gebundene Exemplar. Er stieg mit der ersten Supplementlieferung im November auf 13 Taler 12 Groschen. Im September 1828 stieg die Blattzahl auf 70 und der Preis auf 1714 Taler.

Literatur

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  • Jürgen Espenhorst: Andree, Stieler, Meyer & Co, Handatlanten des deutschen Sprachraums (1800–1945) nebst Vorläufern und Abkömmlingen im In- und Ausland, Bibliographisches Handbuch. Schwerte 1994, ISBN 3-930401-33-9, S. 44–137.
  • Jürgen Espenhorst: Petermann’s Planet, A Guide to German Handatlases And Their Siblings Throughout the World 1800–1950. Band I: The Great Handatlases. Schwerte 2003, ISBN 3-930401-35-5.
  • Jürgen Espenhorst: Petermann’s Planet, A Guide to German Handatlases And Their Siblings Throughout the World 1800–1950. Band II: The Rare and Small Handatlases. Schwerte 2008, ISBN 978-3-930401-36-9.
  • Franz Köhler: Gothaer Wege in Geographie und Kartographie. Gotha 1987, ISBN 3-7301-0871-9.
  • Gottfried Suchy: Gothaer Geographen und Kartographen. Gotha 1985.
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Commons: Karten der 8. Ausgabe – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b perthes.de – Verlagsgeschichte Justus Perthes: Zeittafel. In: perthes.de. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 30. Juli 2016; abgerufen am 30. Juli 2016.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.perthes.de
  2. a b c Heinrich Berghaus: Vorbemerkung zur achten Supplement-Lieferung oder dritten Lieferung neue Bearbeitungen von Stieler’s Hand-Atlas, Juli 1835, Gotha. Digitalisat (Memento des Originals vom 30. Juli 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.pangaea-verlag.de (PDF; 7,4 MB).
  3. Wolfgang Lierz: Karten aus Stielers Hand-Atlas in der „Encyclopaedia Britannica“. In: Cartographica Helvetica. Heft 29, 2004, ISSN 1015-8480, S. 27–34, doi:10.5169/seals-14680.
  4. Bartholomew, J.G. (1902). The philosophy of map-making and the evolution of a great German atlas. In: Scottish geographical magazine, XVIII, p. 36.
  5. Jürgen Espenhorst: Andree, Stieler, Meyer & Co, Handatlanten des deutschen Sprachraums (1800–1945) nebst Vorläufern und Abkömmlingen im In- und Ausland, Bibliographisches Handbuch. Schwerte 1994, ISBN 3-930401-33-9, S. 93.
  6. Jürgen Espenhorst: Petermann’s Planet, A Guide to German Handatlases And Their Siblings Throughout the World 1800–1950. Band I: The Great Handatlases, Schwerte 2003.
  7. Kupferplatten. In: uni-erfurt.de. Abgerufen am 30. Juli 2016.
  8. Vorausgabe:Adolf Stieler, Christian Gottlieb Reichard: Hand-Atlas über alle Theile der Erde nach dem neuesten Zustande und über das Weltgebäude. In: atlassen.info. Abgerufen am 3. August 2016 (1816–1833).
  9. 1. Ausgabe (75–83 Karten): Adolf Stieler & Friedrich von Stülpnagel: Stieler's Hand-Atlas über alle Theile der Erde und über das Weltgebäude. In: atlassen.info. Abgerufen am 3. August 2016 (1834–1845).
  10. 2. Ausgabe: Friedrich von Stülpnagel: Stieler's Hand-Atlas über alle Theile der Erde und über das Weltgebäude. In: atlassen.info. Abgerufen am 3. August 2016 (1846–1852).
  11. 3. Ausgabe: Friedrich von Stülpnagel: Stieler's Hand-Atlas über alle Theile der Erde und über das Weltgebäude. In: atlassen.info. Abgerufen am 3. August 2016 (1853–1862).
  12. 4. Ausgabe: August Petermann: Stieler's Hand-Atlas über alle Theile der Erde und über das Weltgebäude. In: atlassen.info. Abgerufen am 3. August 2016 (1863–1867).
  13. 5. Ausgabe: August Petermann: Hand-Atlas über alle Theile der Erde und über das Weltgebäude. In: atlassen.info. Abgerufen am 3. August 2016 (1868–1874).
  14. 8 – August Petermann renoviert die Palästina-Karte des Stieler Hand-Atlas, vor 1868. In: Sammlung Perthes Gotha. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 13. Oktober 2016; abgerufen am 30. Juli 2016.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/sammlungperthes.wordpress.com
  15. 6. Ausgabe: Hermann Berghaus, Carl Vogel: Hand-Atlas über alle Theile der Erde und über das Weltgebäude. In: David Rumsey Historical Map Collection. 1875, abgerufen am 28. Juli 2016.
  16. 7. Ausgabe: Adolf Stieler's Hand Atlas über alle Theile der Erde und über das Weltgebäude, 1882–1889, 95 Karten (Hermann Berghaus & Carl Vogel)
  17. 8. Ausgabe: Alexander Supan: Adolf Stieler's Hand Atlas über alle Theile der Erde und über das Weltgebäude. In: maproom.org. 1891, abgerufen am 28. Juli 2016.
  18. 9. Ausgabe: Hermann Haack: Stielers Hand-Atlas. In: Biodiversity Heritage Library. 1907, abgerufen am 31. Juli 2016. (100 Karten in Kupferstich mit 162 Nebenkarten)
  19. a b 11 – Zum 50. Todestag von Hermann Haack. In: Sammlung Perthes Gotha. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 13. Oktober 2016; abgerufen am 30. Juli 2016.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/sammlungperthes.wordpress.com
  20. 10. Ausgabe: Stielers Hand-Atlas, 1925–1945, 108 Karten (Hermann Haack)
  21. Internationale Ausgabe:Hermann Haack: Stieler grand atlas de géographie moderne. In: atlassen.info. Abgerufen am 3. August 2016 (1934–1940).
  22. Justus Perthes, Nachschrift des Verlegers zum Plan und Ankündigung des Hand-Atlas, August 1816, Gotha. Digitalisat (Memento des Originals vom 30. Juli 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.pangaea-verlag.de (PDF; 7,4 MB).