Sturmsche Kette

mathematischer Satz
(Weitergeleitet von Regel von Sturm)

Die sturmsche Kette, benannt nach Jacques Charles François Sturm, ist – ähnlich wie die Vorzeichenregel von Descartes – ein mathematisches Hilfsmittel, mit dem sich die Anzahl der Nullstellen eines reellen Polynoms in einem gegebenen Intervall berechnen lässt.

Sturmsche Kette eines Polynoms ohne mehrfache Nullstellen

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Zur Erklärung des Verfahrens wird zunächst ein Spezialfall betrachtet. Sei   ein reelles Polynom ohne mehrfache Nullstellen. Die sturmsche Kette von   ist eine endliche Folge von Polynomen  , wobei der Grad dieser Polynome streng monoton abnimmt.   ist das gegebene Polynom,   seine Ableitung.

 
 

Die weiteren Polynome der sturmschen Kette werden rekursiv durch eine Variante des euklidischen Algorithmus zur Bestimmung des größten gemeinsamen Teilers definiert. Für   ist das Polynom   eindeutig definiert durch die Gleichung

 

wenn man fordert, dass der Grad von   kleiner sein soll als der von  . (Diese Definition unterscheidet sich vom euklidischen Algorithmus nur durch das Minuszeichen anstelle eines Pluszeichens.)

Die Folge   endet in dem betrachteten Spezialfall (keine mehrfachen Nullstellen) mit einem konstanten Polynom  . Für jede reelle Zahl   sei nun   die Zahl der Vorzeichenwechsel in der endlichen Zahlenfolge  .

Die Regel von Sturm besagt nun, dass die Zahl der Nullstellen von   im halboffenen Intervall   (mit  ) gleich   ist.

Beispiel

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Für das Polynom

 

soll die Anzahl der Nullstellen im halboffenen Intervall   ermittelt werden. Dazu wird zunächst die Ableitung gebildet:

 

Durch Polynomdivision erhält man die Beziehung

 ,

also

 .

Hier und in den folgenden Rechenschritten ist es zweckmäßig, das Verfahren etwas abzuwandeln. Man multipliziert das erhaltene Polynom mit einer geeigneten positiven Zahl (in diesem Fall mit 16), um unangenehme Brüche zu vermeiden. Das Endergebnis wird dadurch nicht beeinflusst.

 

Erneute Polynomdivision führt zu

 

und

 .

Multiplikation mit   ergibt das einfachere Polynom

 .

Entsprechend verläuft der letzte Durchgang des Verfahrens:

 
 
 

Einsetzen der Zahl 1 ergibt nun:

 

Hier kommen genau drei Vorzeichenwechsel vor, nämlich zwischen 4 und −2, zwischen −62 und 7 sowie zwischen 7 und −1. Demzufolge gilt  .

Entsprechend für die Zahl 4:

 

Hier gibt es nur einen Vorzeichenwechsel:  . Die Anzahl der Nullstellen im Intervall   hat also den Wert  . In diesem Intervall existieren genau zwei Nullstellen (nämlich 2 und 3).

Sturmsche Kette eines beliebigen Polynoms

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Den allgemeinen Fall, in dem das gegebene Polynom mehrfache Nullstellen haben darf, kann man auf den schon betrachteten Spezialfall zurückführen. Durch Anwendung des euklidischen Algorithmus lässt sich der größte gemeinsame Teiler   von   und seiner Ableitung   ermitteln. Dividiert man   durch  , so erhält man ein neues Polynom, das die gleichen Nullstellen wie   besitzt, aber keine mehrfachen Nullstellen. Die Anzahl der verschiedenen Nullstellen von   in einem Intervall erhält man nun dadurch, dass man die sturmsche Kette des Polynoms   bildet und wie oben die Anzahl der Nullstellen dieses Polynoms bestimmt.

Siehe auch

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Literatur

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  • J. Stoer: Numerische Mathematik I. 5. Auflage. Springer 1989, ISBN 3-540-51481-3, S. 277.
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